Eine Kartoffelsuppe mit Wurstbeilage um die Mittagszeit spendet Wärme, ansonsten herrscht Kühle im Konstanzer Ratssaal. Peter Müller-Neff von der Freien Grünen Liste (FGL) beispielsweise legt den Wollschal erst gar nicht ab, andere wie Heinrich Everke (FDP) oder Gabriele Weiner vom Jungen Forum Konstanz (JFK) schlüpfen am Nachmittag in ihre Daunenjacken. Dass man sich warm anzieht, passt zur Zeitenwende. Die Raumtemperatur ist deutlich gesenkt, das Geld knapp wie selten.

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In der Sache allerdings müssen die Mitglieder des Finanzausschusses hemdsärmelig vorgehen. Über Monate saß man mit dem Rotstift über den Büchern, um den Haushalt der Stadt für die nächsten zehn bis 15 Jahre strukturell neu zu ordnen. Beim Feinschliff am Donnerstag, 1. Dezember, deutet alles darauf hin, dass man das Ziel erreicht. Es sieht Mehreinnahmen von 9 Millionen Euro pro Jahr vor, gleichzeitig sollen 6 Millionen Euro weniger ausgegeben werden.

Erhöhung von Grund- und Gewerbesteuer so gut wie sicher

Das letzte Wort hat der Gemeinderat, der sich in Konstanz in aller Regel an die Ergebnisse der vorberatenden Ausschüsse hält. Und da sich deren Mitglieder im Vorfeld bei ihren Fraktionen rückversicherten, kann von einem weitgehenden Konsens bei der Festlegung der künftigen Haushaltsführung ausgegangen werden – zumal was die Mehreinnahmen anbelangt.

Durch die Erhöhung der Grund- und Gewerbesteuer sowie die Einführung einer Bettensteuer fließt laut Stadtkämmerer Ulrich Schwarz der gewünschte Betrag von zusätzlichen 9 Millionen Euro auf die Konten der Stadt. Von einer Ablehnung im Gemeinderat ist nicht auszugehen, da im Ausschuss auch die Vertreter von CDU, FDP, Freien Wählern und SPD ihren grundsätzlichen Widerstand gegen Steuererhöhungen aufgaben.

Alles andere als lustig: Die Momentaufnahme zeigt (von links) den Baubürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn, Oberbürgermeister Uli ...
Alles andere als lustig: Die Momentaufnahme zeigt (von links) den Baubürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn, Oberbürgermeister Uli Burchardt und den Bürgermeister für Soziales, Kultur und Sport Andreas Osner. | Bild: Hanser, Oliver

Anders sieht es bei der Reduzierung der Ausgaben aus. Für Ulrich Schwarz addieren sich die Kürzungen bislang auf einen Betrag von knapp 4 Millionen Euro, doch für die restlichen zwei Millionen bestehen noch etliche Optionen für weitere Spareffekte. Zum Beispiel bei der heiß diskutierten Zukunft des Hallenbads am Seerhein. Jan Welsch (SPD) ordnet die öffentliche Aufregung als viel Lärm um wenig ein, da es sich bei der ins Spiel gebrachten Schließung um kein realistisches Szenario handle – eine Einschätzung, die Gabriele Weimer und Till Seiler (FGL) teilen. Also einigte sich der Ausschuss auf einen Prüfauftrag an die Bädergesellschaft: Sie soll Vorschläge erarbeiten, wie die Kosten in ihrem gesamten Zuständigkeitsbereich um 500.000 Euro reduziert werden können.

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Ungeklärt sind ferner die Art und Höhe der Beiträge von Stadttheater und Philharmonie zur langfristigen Konsolidierung des Haushalts. Die Zuschüsse für diese beiden Institutionen liegen bei 7 beziehungsweise 3,5 Millionen Euro. Sollten die Vorgaben für die beiden Häuser zu einer strukturellen Kostenreduzierung von jeweils 20 Prozent erfüllt werden, dann würde das gesetzte Gesamtziel der Einsparungen locker erreicht. Gefragt ist hierbei vor allem die Kreativität der beiden Intendantinnen, denen von Stadtverwaltung und Gemeinderat ebenfalls entsprechende Prüfaufträge erteilt wurden.

Klar unterdessen ist, dass sowohl die höheren Steuern als auch die Reduzierung der Ausgaben am Ende den Bürgern in Rechnung gestellt werden. Die ab 2024 vorgesehene Grundsteuererhöhung beispielsweise erreicht Haus- und Wohnungseigentümern ebenso wie die Mieter mit der Betriebskostenabrechnung, die bereits ab 2023 geltende höhere Gewerbesteuer minimiert die Erträge der Unternehmen und auch die Einsparungen zielen auf den Geldbeutel der Menschen. Egal ob es über Reduzierungen von Zuschüssen für Vereine geht oder etwa um die Gebührenerhöhung bei der Beantragung von Kirchenaustritten – in aller Regel ist es der gemeine Konstanzer, der zur Kasse gebeten wird.

Künftig wird weniger geputzt

Potenzial für Stellenreduzierungen dagegen sehen Stadtverwaltung und Gemeinderat nicht, im Gegenteil soll das Personal vor allem wegen zusätzlicher Pflichtaufgaben sowie zum Erhalt der allgemeinen Infrastruktur in den nächsten Jahren kontinuierlich ausgebaut werden. Der Korridor der möglichen Einsparungen im Bereich der Dienstleistungen und der damit verbundenen Bürokratie verengt sich somit auf Posten wie etwa die Reduzierung der Reinigung in den städtischen Verwaltungsgebäuden.

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Sowohl im Verlauf der Ausschusssitzung als auch im Nachgang betonten Stadträte wie Vertreter der Stadtverwaltung das Bemühen um eine möglichst gerechte Verteilung der Lasten. Tatsächlich war nichts von jener Fähigkeit zum Streit wie bei den Bürstenbindern zu finden, die die Stadträte sonst gelegentlich aus sehr viel geringerem Anlass an den Tag legen.

Gesellschaftliches Konfliktpotenzial bleibt erhalten

Das Konfliktpotenzial selbst allerdings wird damit nicht wirklich aufgehoben. Das verdeutlichten beispielsweise die in den Debatten mehrfach zutage tretenden konträren Auffassungen von Roger Tscheulin (CDU) und Till Seiler. So sah sich der CDU-Stadtrat angesichts des Eigenlobs seines Gegenspielers von der FGL wegen der angeblichen Ausgewogenheit bei den Belastungen zu der Frage veranlasst, worin denn eigentlich bei der Haushaltskonsolidierung der Beitrag der Beamten liege. Er hatte dabei offensichtlich die exemplarische Bedeutung der Diskussion für die gesamtdeutsche Gesellschaft im Blick, und Till Seiler – im Hauptberuf Lehrer – versuchte sich in einer witzigen Replik: Für ihn liege der Beitrag der Lehrer in „gutem Unterricht“. Längst nicht alle im Ausschuss fanden das lustig.