Eine Frau steht am Rande eines Holzstegs am Seeufer, sieht über die glatte Fläche und lässt Aschefetzen über das Wasser wehen. Nach einer Minute der Einkehr dreht sie sich um und kehrt ans Ufer zurück. So oder ähnlich könnte sich mancher Mensch vom Bodensee seine Bestattung vorstellen: Der Körper wird verbrannt, die Asche in einer Urne an einen Angehörigen oder eine Angehörige übergeben. Diese verstreut die Asche in der vom Verstorbenen geliebten Landschaft.
Eine idyllische Vorstellung vom Einswerden mit der Natur – nur leider in Deutschland verboten. Das bestätigt Anja Rechberg, Geschäftsführerin bei Wengert Bestattungen in Konstanz. Immer wieder kämen Angehörige Verstorbener zu ihr und äußerten den Wunsch des Verstorbenen, so bestattet zu werden. Das bringt sie in ein Dilemma: In der Schweiz ist diese Form der Bodensee-Bestattung nämlich legal – oder zumindest nicht explizit verboten wie in Deutschland.
„In der Schweiz gibt es keine Bestattungspflicht“, erläutert Anja Rechberg, „man kann also mit der Urne eines Angehörigen machen, was man will“. In Deutschland ist es so geregelt, dass ein Leichnam entweder in einem Sarg auf einem Friedhof beerdigt werden muss – oder dessen Asche in der Urne. Eine Aufbewahrung außerhalb eines Friedhofs ist nicht erlaubt.
Bestatterin: „An den Grenzen entstehen automatisch Grauzonen“
Offiziell sei es aber auch in der Schweiz nicht erlaubt, die Asche eines Verstorbenen über dem See auszustreuen. Was aber nicht bedeutet, dass dies nicht getan wird. „Ich habe etwas gegen diese Grauzone“, sagt die Bestatterin. Andere Nachbarländer zu Deutschland wie die Niederlande oder Frankreich hätten ebenfalls keine Bestattungspflicht. „An den Grenzen entstehen automatisch Grauzonen.“
Häufig gebe es die Nachfragen nach der über dem See ausgestreuten Asche nicht. Die meisten Angehörigen wüssten über die Gesetzeslage Bescheid. Doch auch in Deutschland ist das Bestattungswesen im Wandel. „Die Zahl der Erdbestattungen geht zurück, sie machen noch 20 Prozent aus“, sagt Rechberg. „Die meisten, etwa 80 Prozent, wünschen sich eine Urnenbestattung.“ Vielen gefällt der Gedanke nicht, dass Angehörige im Fall einer Erdbestattung lange an die Grabpflege gebunden wären.
Im Thurgau ist nicht alles legal, es wird aber trotzdem gemacht
Ein Blick über die Grenze: Wer bei der Kreuzlinger Gemeindeverwaltung anfragt, bekommt eine klare Antwort. „Eine Bodenseebestattung ist hier ebenfalls verboten“, sagt Ursula Layritz, zuständig für das Bestattungsamt in Kreuzlingen. Das Verbot liege im Gewässerschutz begründet und diese Regelung gelte für den Kanton Thurgau – nicht bundesweit. „In der Asche sind Schwermetalle nachweisbar, daher ist es nicht möglich, sie in den Bodensee zu streuen.“ Dennoch weiß natürlich auch Ursula Layritz: „Es wird trotzdem gemacht, natürlich.“
Dass die Schweiz liberaler mit dem Bestattungswesen umgeht, liegt am fehlenden Bestattungszwang. Wer also auf eigene Initiative die Asche eines Angehörigen im Bodensee bestatte, werde kaum eine Ahndung durch die Wasserschutzpolizei befürchten müssen. Das kommerzielle Angebot einer Bestattung auf dem Bodensee sei im Thurgau jedoch nicht erwünscht.
Ganz so eng sehen die kommerziellen Anbieter im Bestattungswesen die Lage allerdings nicht. „Es gibt keine Beisetzungspflicht der Urne in der Schweiz“, erläutert Michael Teuber, Geschäftsführer des Bestattungsinstituts Anatana in der Gemeinde Nussbaumen. Es sei in der Schweiz daher möglich, die Urne in jedem Gewässer beizusetzen, auch im Bodensee. „Wichtig ist, dass die Asche in einer vergänglichen Urne gelagert ist, die sich im See schnell auflöst“, erläutert er, „dann ist das kein Problem“ – jedenfalls für den Schweizer Bürger.
Kann Asche aus Deutschland also in der Schweiz in den Bodensee?
Und was ist mit Deutschen, die sich eine Bestattung auf dem Bodensee wünschen? Pro Jahr fragten etwa 50 Deutsche in seinem Unternehmen an, um zu erfahren ob eine Naturbestattung in der Schweiz für ihre Angehörige oder ihnen Angehörigen möglich sei, sagt Teuber. Das Bestattungsunternehmen kann dies relativ problemlos möglich machen, der Angehörige müsse aber eine Urnenanforderung an das Krematorium richten. Die Urne werde dann per Post in die Schweiz zum Bestatter geschickt.
Entscheidend ist: Auf legalem Wege können Deutsche nicht selbst tätig werden, sie müssen die Hilfe eines Schweizer Bestatters in Anspruch nehmen. Dieser stelle anschließend eine Bestattungsbescheinigung aus, in der er bestätigt, dass die Urne in der Schweiz beigesetzt wurde – wichtig für den deutschen Staat. „Wenn es gewünscht ist, organisieren wir das Schiff, das auf den See hinaus fährt, die Trauerfeier und den Trauerredner“, ergänzt Teuber.
Und die Kosten? Die könne er kaum pauschal benennen, da sie davon abhängen, welche Dienste die Angehörigen in Anspruch nehmen. Allein die Urnenanforderung koste etwa 350 Schweizer Franken. Für ein Schiff für etwa zehn Personen und den Trauerredner müsse man mit etwa 4000 Franken zusätzlich rechnen.
Dass der Trend in Richtung Naturbestattung geht und immer weniger Menschen eine Erdbestattung wünschen, sieht auch Michael Teuber so. Das strikte Verbot des Ausstreuens der Asche in der Natur in Deutschland kann der Schweizer Bestatter nicht nachvollziehen. Viele Deutsche verstünden es schließlich selbst nicht. „Der Wunsch, dass die Asche im Bodensee beigesetzt wird, ist da“, sagt er. „Warum soll man ihn nicht erfüllen?“