Regina Graf-Martin steht an einem grauen Brett mit ganz vielen Namen und Zeiten. Das ist ihr Schichtplaner. Manchmal muss sie jonglieren, um dafür zu sorgen, dass ihr Münsterkindergarten in Betrieb bleibt. Mit Erfolg. Bei ihr gibt es keinen Mangel an Personal, keine Schließungen wegen des Ausfalls von Erziehern, und nur wenig Frust. Die 65-Jährige, die den Münsterkindergarten zur beliebten Institution in der Stadt gemacht hat, geht nach über 45 Jahren in den Ruhestand. „Ab 1. April bin ich weg, und das ist kein Aprilscherz.“

Nach all den Jahren sagt Regina Graf-Martin noch immer: „Erzieher ist ein schöner Beruf. Auch die Leitung hat mir immer gefallen.“ Sie liebt den Münsterkindergarten und die Menschen dort. Sie kennt jedes Kind mit Namen. Immer wieder hört sie von Mitarbeitern, dass sie gern kommen, und das Haus wie eine Heimat empfinden. Regina Graf-Martin hat fast ihr ganzes Leben im Münsterkindergarten verbracht.

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1980 löste sie Schwester Roswitha ab

Als kleines Kind wurde sie dort von Schwester Roswitha betreut. Als Schülerin vom Zoffingen kehrte die kleine Regina gern wieder. Sie passte dort auf Kinder auf, bis die Mutter einschritt, und ihr das Lernen verordnete. In den 70er-Jahren absolvierte Regina Graf-Martin in Hegne eine Ausbildung als Erzieherin und machte 1976 im Münsterkindergarten ihr Anerkennungsjahr.

1980 löste sie dann Schwester Roswitha als Leiterin ab, nach einer Erziehungspause bewarb sie sich mit Erfolg wieder als Leiterin. Bis heute kennt jeder im Haus ihre Leidenschaft fürs Gitarrenspiel. Sie singt gern mit den Kindern.

So sah die junge Erzieherin Regina Graf-Martin 1981 aus.
So sah die junge Erzieherin Regina Graf-Martin 1981 aus. | Bild: Familie Graf-Martin

Die 65-Jährige hat Zeiten erlebt, da kamen und gingen alle Erzieher zur gleichen Zeit. Doch das ist längst vorbei. Seit dem Umbau im Jahr 2009 steht sie einem kleinen Unternehmen mit heute 16 pädagogischen Kräften sowie Küchenhilfe, Reinigungskraft und Hausmeister vor. „Das waren zwei schwierige Jahre.“ Ihr Schreibtisch habe damals im Gruppenraum gestanden. Sie wisse bis heute nicht, wie sie das überstanden habe, berichtet Regina Graf-Martin.

Der moderne Münsterkindergarten hat eine Turnhalle, den Werkraum, den Forschungsraum, das Bällebad, die Kinderküche und Ruheräume. Jedes Kind kann jeden Morgen wählen, in welchen Räumen es sich aufhalten möchte. Mit dem Umbau kam zu den drei Kindergartengruppen eine Gruppe mit Kindern unter drei Jahren hinzu. Diese bindet allein drei Kräfte. Dazu kamen verlängerte Öffnungszeiten und Ganztagsangebote.

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Unter dem Strich habe sich die Zahl der Kinder kaum verändert, 75 waren es zu Beginn, heute sind es 74. Doch bei den Öffnungszeiten hat sich viel getan. 32 Stunden pro Woche waren es in den 70er-Jahren, 47 Stunden pro Woche sind es heute. Das heißt, der Kindergarten hat jeden Tag von 7 bis 16.45 Uhr geöffnet. Regina Graf-Martin teilt an der grauen Organisationswand die Schichten ein, „das ist meine Doktorarbeit.“

Doch den Bezug zum Kindergartenalltag hat sie nicht verloren. Wenn Not sei, dann springe sie in den Gruppen ein, sagt Regina Graf-Martin. Sie stellt fest: „Das Team ist das A und O. Das ist das Allerwichtigste.“ Das Haus hat einen guten Ruf. Während viele Kindergärten keine Erzieher bekommen, hat der Münsterkindergarten derzeit sogar mehr pädagogische Kräfte, als der Stellenschlüssel vorsieht.

Regina Graf-Martin mit ihrem Schichtplaner. Zum April übergibt sie diesen in neue Hände.
Regina Graf-Martin mit ihrem Schichtplaner. Zum April übergibt sie diesen in neue Hände. | Bild: Rindt Claudia

Hier werden Werte vermittelt, „aber wir missionieren nicht“

Der Prospekt des Münsterkindergartens bildet ein Kreuz, und das ist kein Zufall. Graf-Martin sagt: „Wir sind eine katholische Einrichtung, aber wir missionieren nicht.“ So gehöre das Feiern der christlichen Feste zum Alltag im Kindergarten. „Unsere Kinder wissen, was an Ostern gefeiert wird.“ Auch das Gebet zum Mittagessen gehöre zu den Ritualen. Wer eine andere Religion habe, bete eben zu seinem Gott. In die Einrichtung gehen auch viele Kinder ohne Konfession. Den Eltern, so sagt Graf-Martin, sei es dennoch wichtig, dass christliche Werte vermittelt werden. Wer muslimischen Glaubens sei, bekomme ein angepasstes Mittagessen.

Die 65-Jährige hat viele Kämpfe ausgestanden. Sie hat eine Etage erkämpft, in der die Erzieher sich besprechen, ausruhen und Elterngespräche führen können. Sie hat erwirkt, dass die Ausfahrt einer Tiefgarage in die Laube kommt und nicht in die Schreibergasse in der Niederburg, wo der Kindergarten seinen Sitz hat. „Das ist für Generationen wertvoll.“ Sie hat es geschafft, dass der kleine Garten des Kindergartens eine Spielwiese wurde. In manchem aber kämpfte sie vergeblich. Die Übernahme der Fahrkosten der Erzieher durch die Stadt blieb zum Beispiel ein Wunsch. Das verstehe sie bis heute nicht.

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Im Kindergarten in der Altstadt steht Bewegung ganz vorn. „Fische schwimmen – Vögel fliegen – Kinder turnen“, heißt es in der Selbstdarstellung des Hauses. Es will den Kindern Erlebnisse ermöglichen, in denen sie ein positives Körpergefühl entwickeln. Zum Konzept der täglichen Bewegung gehören auch die regelmäßigen Ausflüge in den Wald, an den Bodensee und in die Natur. Für die Schallschutzdecke im Altbau ihres Kindergartens kämpfte sie bisher vergeblich. „Aber die soll jetzt kommen.“

Jetzt freut sie sich auf mehr Zeit mit der Familie

Regina Graf-Martin ist froh, dass die Kirchengemeinde eine gelernte Erzieherin als Geschäftsführerin für Kindergartensachen hat. Diese sei immer Ansprechpartnerin, wenn sie nicht weiter wisse. So wie kürzlich, als ein Kind kam, das nicht gegen Masern geimpft war. Sie rief an, weil sie nicht wusste, was sie machen sollte.

Sie erfuhr, sie durfte es ohne Impfung nicht in den Kindergartenalltag aufnehmen. Früher wurden Elterngespräche nur geführt, wenn es Probleme gab, man nannte sie dann „Feuerwehr-Gepräche“. Heute sei es üblich, dass einmal im Jahr die Eltern zum Gespräch kommen.

Zwei Leute werden sie ersetzen. Simon Kude arbeitet zu 70 Prozent in der Leitung und Katrin Knauer mit einer 50-Prozent-Stelle. Regina Graf-Martin muss selbst lachen: „Klar, um mich zu ersetzen, braucht es zwei Personen.“ Sie meint das im Scherz, und schiebt gleich nach, falls es je Fragen gäbe: „Ich bin ja da.“ Was sie im Ruhestand vor hat? Manchmal frage sie sich schon: „Was mache ich jetzt eigentlich den ganzen Tag?“

Auf der anderen Seite freue sie sich auf mehr Zeit für die beiden Enkel und den Sohn. Mit denen gehe sie in den Urlaub. Und dann habe sie ja noch ehrenamtliche Aufgaben und viel Lust, einfach mal ungestört ein Buch zu lesen.