Eineinhalb Stunden anstehen bis nach halb acht am Wahlabend. Briefwahlunterlagen, denen man hinterherlaufen musste und sie dann im schlimmsten Fall dennoch nicht bekommen hat. Ein Montag danach, an dem weder für die Gemeinderats- noch die Kreistagswahl ein Ergebnis feststeht. Und mittendrin Bürger, die sich fragen, ob der Staat jetzt schon bei einer Kernaufgabe der Demokratie, bei Wahlen, versagt.

So haben es viele Konstanzerinnen und Konstanzer wahrgenommen. Es ist der 10. Juni 2024, der Tag nach der Europa- und Kommunalwahl, und langsam wird deutlich, welch Desaster die Stadt an einer eigentlich gut eingeübten Aufgabe erlebt hat.

Wähler berichteten, dass sie noch ihre Stimme abgeben konnten, während längst die ersten Hochrechnungen für die Europawahl aufs Handy kamen. Senioren beklagten, dass sie für die Stimmabgabe über eine Stunde stehen mussten, ohne sich ausruhen zu können. Bürger mussten ihren Wahlunterlagen hinterherlaufen und bekamen sie am Ende teils doch nicht.

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All das soll sich nicht wiederholen – das verspricht die Stadtverwaltung in einer ersten Aufarbeitung dieses chaotischen 9. Juni. Damals hatte Bürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn als Vorsitzender des Gemeindewahlausschusses die Bürger öffentlich um Entschuldigung für die Pannen beim Urnengang gebeten. Genau vier Monate später liegen nun erste Informationen vor, wie sich die Stadtverwaltung das genau vorstellt.

Stadt beklagt: Bürger haben Wahlkabinen zu lange blockiert

Auf eine SÜDKURIER-Anfrage legte die Pressestelle dazu eine Übersicht vor. Danach sieht die Verwaltung die Ursache teilweise bei den Bürgern, die nicht mit vorausgefüllten Stimmzetteln für die Kommunalwahl in die Wahllokale gekommen seien und in der Folge die Kabinen zur Stimmabgabe über lange Zeit blockiert hätten.

Doch auch die Zahl der Wahllokale für die persönliche Stimmabgabe sei nicht richtig eingeschätzt worden. Und die nicht erfolgte oder verspätete Zustellung von Briefwahlunterlagen für die Kommunalwahl in den Ortschaften sei durch einen „bedauerlichen Fehler“ innerhalb der Stadtverwaltung selbst verursacht worden.

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Bei den nächsten Wahlen wollen die Verantwortlichen im Rathaus nun mehrere Verbesserungen umsetzen. So soll es wieder mehr Wahllokale geben, und die Auszählung wird anders organisiert. Auch die Schulung der Wahlhelfer werde man verbessern, schreibt das Personal- und Organisationsamt in einer Vorlage, die demnächst auch im Gemeinderat besprochen werden soll.

Personelle Konsequenzen? Keine Antwort dazu

Nicht beantwortet hat die Verwaltung unterdessen die Frage des SÜDKURIER, ob das Chaos vom Juni auch personelle Konsequenzen hat. Wahlleiter Bernd Bulir, der recht kurz vor der Wahl nach Konstanz gekommen war, war gleich bei seinem ersten Einsatz viel abverlangt worden. Auch wie Organisations-Pannen, die letztlich zu einem tagelangen, aufwendigen Noteinsatz der SÜDKURIER-Citylogistik führten, konkret verhindert werden, blieb vorerst offen, soll aber bald noch geklärt werden.

(Archivbild) Rettungsmaßnahme, damit wirklich alle Konstanzerinnen und Konstanzer an der Kommunal- und Europawahl teilnehmen können: ...
(Archivbild) Rettungsmaßnahme, damit wirklich alle Konstanzerinnen und Konstanzer an der Kommunal- und Europawahl teilnehmen können: Wahlleiter Bernd Bulir (links) übergibt Sendungen an Justus Müller von SÜDKURIER-Citylogistik. Das Team hat in der Folge letzte Briefwahlunterlagen per Express in die Vororte zugestellt. | Bild: Rau, Jörg-Peter

Das Konstanzer Wahl-Chaos hatte Kreise weit über die Stadt hinaus gezogen. Beim Landratsamt herrschte Unverständnis, dass alle anderen Kommunen im Landkreis es geschafft hatten, am Montag ihr Ergebnis für den Kreistag zu melden. Nur Konstanz fehlte, sodass die Sitze nicht verteilt werden konnten. Für den Gemeinderat Konstanz hatten die fast 300 Bewerberinnen und Bewerber ebenfalls erst am Dienstag Klarheit, wie sich die nächsten fünf Jahre für sie gestalten.

Die Unregelmäßigkeiten bei der Zustellung der Briefwahlunterlagen hatten auch das Regierungspräsidium (RP) Freiburg beschäftigt. Ein Bürger hatte dort eine Beschwerde beim Chef des Hauses, Carsten Gabbert, eingelegt. Einsprecher Gert Meyering hatte argumentiert, Bürgern hätten unter Umständen nicht von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen können, was ein Verstoß gegen wesentliche Grundsätze der Demokratie darstellen würde.

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Laut Aufsichtsbehörde lief die Wahl korrekt ab

Die Aufsichtsbehörde hat diese inzwischen zurückgewiesen. Der Wahlprüfungsbescheid, mit dem das RP eine im Großen und Ganzen ordnungsgemäß verlaufene Wahl bescheinigt, sei korrekt erteilt worden. Doch es steckte auch ein Tadel in der Rückmeldung nach Konstanz: Dass die Wahlhandlung bis weit über den gesetzlich vorgegebenen Abschluss um 18 Uhr weiterlief, gefiel dem RP nicht.