Die Organisation der Wahl am 9. Juni 2024 dürfte in Konstanz ein verwaltungsinternes und politisches Nachspiel haben. Bürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn kündigte gegenüber dem SÜDKURIER in seiner Funktion als Vorsitzender des Gemeindewahlausschusses eine breite Aufarbeitung der Wahl an. Von der Benachrichtigung über den Versand der Briefwahlunterlagen über die Abläufe in den Wahllokalen bis zur Auszählung wird dabei wohl alles auf den Prüfstand kommen. Man wolle für die nächste Wahl lernen, versprach Langensteiner-Schönborn.

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Die Stadt hatte die eigentlich geplante Präsentation des Gemeinderatswahlergebnisses genutzt, um umfassend über die Organisation der Wahl zu informieren. Zugleich erklärte Langensteiner, wie es zu dem in Konstanz seit Jahrzehnten beispiellosen Vorgang kommen konnte, dass auch am Abend am Montag nach der Wahl keine Gewissheit herrscht, wie der neue Gemeinderat zusammengesetzt ist.

Man sei der Bitte des Kreises gefolgt, zuerst die Kreistagswahl auszuzählen, sagte dazu Wahlleiter Bernd Bulir. Allerdings war auch die Erfassung der Kreistagswahl (21 Stimmen) am Montag zur vorgesehenen Ziel-Zeit um 18 Uhr noch nicht abgeschlossen. Dennoch sei er zuversichtlich, bis Dienstagabend ein Ergebnis der Gemeinderatswahl (40 Stimmen) vorlegen zu können. „Es gilt aber stets der Grundsatz Genauigkeit vor Schnelligkeit“, so Bulir.

Hat die Stadt die Zahl der Wahllokale zu stark gekürzt?

Auch über die Anzahl und Organisation der Wahllokale werde nochmals nachgedacht, so Langensteiner. Es hätten am Sonntag weniger Menschen als erwartet per Brief und mehr als erwartet an der Urne gewählt, sagte er. Man habe mit etwa 35 Prozent Briefwählern gerechnet, tatsächlich seien es aber nur etwa 28 Prozent gewesen. Damit verteilten sich rund 3000 zusätzliche Wähler auf die dieses Mal nur noch 41 Wahllokale. Dies habe zu Engpässen geführt. Berichte von flächendeckenden Problemen wies er zurück: Nicht überall hätten sich lange Schlangen gebildet.

Beim SÜDKURIER haben sich unterdessen zahlreiche Wähler gemeldet und berichtet, dass die Situation vor Ort noch schwieriger gewesen sei als zunächst berichtet. Betroffene wie Harald Mende, Wolfgang Schönwald und Jonas Marichal Schäfer berichteten teils von Wartezeiten von weit über einer Stunde. Die Verzögerung entstand demnach an den Wahlkabinen, wo viele überhaupt erst mit dem Ausfüllen der langen Stimmzettel für Gemeinderat und Kreistag begonnen hätten. In manchen Wahllokalen kamen Bürgerinnen und Bürger erst um 19 Uhr oder sogar noch später zum Zug, nachdem sie bis zu eineinhalb Stunden gewartet hatten.

Die Wahlhelfer haben überall nach Lösungen gesucht

Karl Langensteiner-Schönborn bedauerte, dass die Verwaltung die Erwartungen der Bürger nicht immer erfüllt habe. Er betonte aber auch, dass alle rund 600 Wahlhelferinnen und Wahlhelfer mit Engagement bei der Sache gewesen seien und immer nach Lösungen für auftretende Probleme gesucht hätten. So hätten sie an mehrere Orte zusätzliche Wahlkabinen gebracht und aufgestellt. Für die Auszählung der Europawahl waren die Teams demnach in der Nacht zum Montag bis Mitternacht im Einsatz.

Im Ratssaal sollten am Montag ab 15 Uhr erste Ergebnisse der Gemeinderatswahl präsentiert werden. Zu sehen bekamen die etwa zehn Anwesenden aber nur den zu der Zeit noch schleppenden Fortschritt bei der Kreistagswahl. Unter ihnen war auch die FGL-Stadträtin Gisela Kusche, die gerne gewusst hätte, ob sie die nächsten fünf Jahre wieder einen erheblichen Teil ihrer Zeit auf die politische Arbeit aufwenden darf. Sie habe vor lauter Nervosität „schon die ganze Wohnung geputzt“, sagte sie mit Blick auf die Hängepartie.

Gähnende Leere im Ratssaal: Jetzt verspricht die Stadtverwaltung für Dienstag, 11. Juni, Ergebnisse, die an dieser Stelle öffentlich ...
Gähnende Leere im Ratssaal: Jetzt verspricht die Stadtverwaltung für Dienstag, 11. Juni, Ergebnisse, die an dieser Stelle öffentlich präsentiert werden. | Bild: Jonas Bernauer

Auch der CDU-Kandidat Nicolas Flöß, Zweitplatzierter auf der Liste mit guten Chancen auf einen Sitz im Rat, musste unverrichteter Dinge wieder nach Hause gehen. Bernhard Hanke von der Linken verließ den Ratssaal ebenfalls schnell wieder. Kandidat Yannick Werner von den Grünen bedauert die Verzögerung ebenfalls, hob aber hervor, dass ein korrektes Ergebnis das oberste Ziel sei.

Die Verwaltung verlängerte die Wahl-Auszählung am Montag bis 20 Uhr. Nur so bestand eine Chance, zumindest den Kreistag abzuschließen. Stimmbezirke, bei denen die grünen Stimmzettel für den Kreis schon ausgezählt waren, schlossen mit den gelben Zetteln für den Gemeinderat unmittelbar an, wie Thomas Traber, einer der Wahlvorstände, erklärte. Dabei müssen die Wahlhelfer für jeden der 284 Kandidaten auf acht Listen prüfen, ob und wie viele Stimmen sie erhalten haben und dies für jeden einzelnen Stimmzettel in den Computer eingeben.

Verena Mohr (rechts) und ihre Kollegin Susanne Gude aus der Stadtverwaltung haben soeben begonnen, die gelben Stimmzettel für die ...
Verena Mohr (rechts) und ihre Kollegin Susanne Gude aus der Stadtverwaltung haben soeben begonnen, die gelben Stimmzettel für die Gemeinderatswahl auszuwerten und das Ergebnis in den Computer einzugeben. | Bild: Jonas Bernauer

80 Prozent der Wahlhelfer sind laut Stadt-Sprecherin Anja Fuchs Verwaltungsmitarbeiter, die dafür freigestellt werden. Man werde aber prüfen, ob bei der nächsten Wahl wieder mehr Freiwillige aus der Bürgerschaft eingebunden werden könnten, sagte Karl Langensteiner-Schönborn. Ihm zufolge beginnt die politische Aufarbeitung der aktuellen Wahl bereits am Freitag,14. Juni, wenn der Gemeindewahlausschuss tagt (öffentlich, 10 Uhr, Sitzungssaal im 6. Stock des Verwaltungsgebäudes an der Laube).