Sie haben es auf Horst, Ingrid, Helene, Maria und Paula abgesehen. Telefonbetrüger, die mit Schockanrufen meist ältere Menschen um ihr Erspartes erleichtern. Auch im Landkreis Konstanz sind die Gauner aktiv – sogar sehr aktiv, wie ein Prozess am Amtsgericht Konstanz beweist. Denn dort sitzt er auf der Anklagebank: Pawel D. Dem 31-Jährigen wird von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen, in fünf Fällen Senioren um über 330.000 Euro betrogen zu haben.

Fünf Mal klappt die Betrugsmasche

Es kommt nicht so oft vor, dass ein Fall wie dieser vor Gericht landet. Die Kriminellen sind nur schwer zu fassen. Sie bleiben gesichtslos. Nicht so Pawel D. Mit Fuß- und Handfesseln trippelt der schlanke, große Mann in den Sitzungssaal 107. Er hält seinen Kopf gesenkt. Seine Schultern hängen herab. Er baut zu niemandem Blickkontakt auf.

Symbolbild: Vorsicht, wenn das Telefon klingelt. Manchmal melden sich Trickbetrüger, die Senioren um ihre Wertsachen erleichtern wollen.
Symbolbild: Vorsicht, wenn das Telefon klingelt. Manchmal melden sich Trickbetrüger, die Senioren um ihre Wertsachen erleichtern wollen. | Bild: Karl-Josef Hildenbrand

Auch nicht als Staatsanwältin Zundel die Anklageschrift vorliest. Darin heißt es: Pawel D. habe von Oktober bis November 2022 in fünf Fällen als sogenannter Abholer Bargeld, Gold und Schmuck bei den Opfern eingesammelt. Mit den Worten: „Mein Name ist Kowalsky“ habe er sich den Opfern vorgestellt, die Taschen mit den Wertgegenständen an sich genommen und diese zu einem Hintermann nach Belgien gefahren. Damit mache er sich des „banden- und gewerbsmäßigen Betrugs“ schuldig. Insgesamt 330.020 Euro Schaden sei dabei entstanden – ganz unabhängig von den emotionalen Schäden bei den Opfern. Und die seien erheblich – wie Richterin Friederike Güttich hervorhebt.

Das könnte Sie auch interessieren

Seniorin ist traumatisiert

Da ist zum Beispiel Helene S. Die 85-Jährige lebt in Rheinbrohl, einer Gemeinde in Rheinland-Pfalz. An einem Novembertag klingelt ihr Festnetztelefon. Sie nimmt ab. Sie hört eine weinerliche männliche Stimme. Es soll ihr Enkel sein, der einen Verkehrsunfall verursacht haben soll. Dabei solle es ein Todesopfer gegeben haben. „Oma, hilf mir!“, ruft er ins Telefon. Um den Enkel vor dem Gewahrsam zu schützen, solle die Oma eine Kaution stellen. 86.000 Euro verlangt die Stimme am Telefon, die sich als Staatsanwalt ausgibt.

Helene S. selbst ist nicht im Gerichtssaal anwesend. Ihre Aussage wird vorgelesen. Zu schlimm seien die psychischen Schäden nach dem Betrug. Eine posttraumatische Belastungsstörung habe die Seniorin entwickelt. Das geht aus einem ärztlichen Gutachten hervor. An ihrer Stelle ist ihre 54-jährige Tochter Maria nach Konstanz gereist. Sie schildert, wie sehr sich ihre Mutter verändert habe. „Ich erkenne sie nicht mehr wieder“, erzählt sie. Ihre Mutter habe Panikattacken, Schuldgefühle, Depressionen und lebensmüde Gedanken. Ihr Pflegegrad musste hochgestuft werden.

Ein Opfer stammt von der Reichenau

Etwas besser geht es dagegen einem anderen Opfer. Der sechzigjähriger Rentner, der in einer Gemeinde im Landkreis Konstanz lebt, ist das letzte Opfer der erfolgreichen Betrugsmasche. Bei ihm hat der Angeklagte Pawel D. 45.000 Euro mitgenommen. „Es ist ein Schock, wenn man so einen Anruf bekommt“, berichtet er in der Verhandlung, „aber es war total glaubhaft. In so einer Situation kann man nicht rational denken.“ Auch ihm gaukelten die Betrüger vor, dass seine Tochter in einen schlimmen Autounfall mit Todesfolge verwickelt sei.

Die Akte zu dem Fall umfasst mehr als 1000 Seiten.
Die Akte zu dem Fall umfasst mehr als 1000 Seiten. | Bild: Steinert, Kerstin

Das Opfer hat Glück im Unglück. Er ist der einzige Geschädigte, der sein Geld zurückbekommen hat. Doch warum? Weil zu diesem Zeitpunkt die Polizei Pawel D. schon längst auf der Spur war. Durch einen Hinweis des Landeskriminalsamts Baden-Württemberg, dass eine Betrügerbande im Raum Konstanz aktiv ist, sind die örtlichen Ermittler alarmiert. Sie wissen nun, das Pawel D. mit einem Auto unterwegs ist. Die Fahndung wird sofort veranlasst.

Polizei ist Abholer frühzeitig auf der Spur

Vorangegangene Ermittlungen zeigen, dass sich das Handy von Pawel D. immer wieder in Funkzellen an Orten eingeloggt habe, wo es zu Übergaben gekommen sei. Ein Zufall? Für die Beamten nicht, sondern ein Muster. Im Zuge der weiteren Ermittlungen bestätigen sich die Vermutungen. Auch die GPS-Daten des Mietwagens passen zu den Übergabeorten. Im privaten iPhone des Angeklagten gibt es SMS mit Adressen der Opfer und der Treffpunkte für die Geldübergaben.

Letztlich geht dann alles recht schnell. Während Pawel D. mit dem Geld des Reichenauers auf der B31 bei Titisee unterwegs ist, schlagen die Beamten zu. Der 31-Jährige wird verhaftet, das Geld wird sichergestellt.

Das ist nun ein halbes Jahr her. Pawel D. ist geständig, bereut seine Taten und entschuldigt sich bei seinen Opfern. Vor Gericht gibt er offen zu, dass er schon recht früh ahnte, dass der Job nicht ganz koscher seien konnte. Er habe eine Tagespauschale von 150 Euro erhalten. Für alle „Kurieraufträge“ habe er 1700 Euro bekommen. Von seinem Auftraggeber, dessen Namen er nicht kenne und den er nur einmal auf einem Parkplatz getroffen habe, erhielt er die Anweisung bei den Übergaben den Namen Kowalsky zu nennen und sich eine Mütze tief ins Gesicht zu ziehen.

Das Urteil fällt hart aus

Trotzdem versucht Janusch Nagel, sein Pflichtverteidiger, die Rolle von Pawel D. etwas abzumildern. „Mein Mandant ist eine Randfigur als Abholer“, sagt der Anwalt. Von einer Mittäterschaft bei einer gewerbsmäßigen Bande könne man daher eigentlich nicht ausgehen. Es sei eher Beihilfe.

Das könnte Sie auch interessieren

Das Urteil der Richterin Güttich fällt jedoch hart aus: drei Jahre und drei Monate. Pawel D. muss wieder zurück ins Gefängnis. „Sie haben den Braten schon früh gerochen und billigend in Kauf genommen“, begründet die Richterin die Entscheidung des Schöffengerichts. Allerdings sieht das Gericht Pawel D. nicht als Haupttäter, sondern eher als „letztes Rädchen“ in diesem perfiden Spiel. Doch ohne den Abholer, würde die Masche eben nicht funktionieren. Das Urteil ist rechtskräftig.