Die Bilder aus Berlin können aufrechten Demokraten ernsthaft Sorgen bereiten: Reichsflaggen vor dem Reichstag und ein Auflauf von Rechtsextremen – das ist nicht nur im Hinblick auf die Außenwirkung für Deutschland unerträglich. Das alles passierte am Rande der Berliner Demo gegen die Corona-Maßnahmen.

Konstanz mit friedlichem Protest

Konstanz ist nicht Berlin. Die Stadtgarten-Protestierer haben nicht Unrecht, wenn sie sich gegen ein Image wehren, das ihnen nicht gerecht wird. In Konstanz marschierten keine Rechtsextremen, Abstandsregeln wurden allerdings auch nicht eingehalten. Auch auf Maskennutzung hatte keiner Lust. Die meisten der Demonstranten ignorieren große Teile der Realität.

Keine Grippewelle

Dass Covid-19 weltweit mehr Opfer forderte als eine jährliche Grippewelle, ist Tatsache. Im Kreis Konstanz gab es bislang 17 Todesopfer (Stand 30. August). Das ist eine verhältnismäßig geringe Zahl, leistet der Realitätsverkennung aber Vorschub. Dass die staatlichen Maßnahmen nicht alle gleichermaßen sinnvoll sind, ist ein stichhaltiges Argument. Strengste Regeln für Tanzschulen, aber kaum Vorgaben bei privaten Feiern: schwer nachvollziehbar. Aber wie soll man schließlich zählen, wie viele Tode die Coronamaßnahmen verhinderten?

Keine homogene Gruppe

Ihre Kritiker sind ein bunter Haufen. Sie mögen mehrheitlich Verschwörungstheorien zuneigen, das macht die Auseinandersetzung mit ihnen schwer. Sie sind aber keine „Covidioten“, so betitelt fühlen sie sich zurecht verleumdet. Manche weisen auf tatsächliche Mängel der Corona-Maßnahmen hin. Die Maskenpflicht, die die Kritiker allerdings komplett ablehnen, kam erst spät. Das machte die Politik angreifbar. Vieles andere ist umstritten: Zu wenig klar ist etwa bis heute, ob Kinder überhaupt wesentlich zur Übertragung des Virus beitragen. Und kann man ihnen auf diesem Hintergrund das Tragen einer Maske zumuten? Alles Fragen, die ihre Berechtigung haben.

Misstrauen, teils Verachtung

Für die Protestierer allerdings gilt: Sich teils misstrauisch, teils mit klarer Verachtung gegenüber Medienvertretern zu verhalten, wird ihrer Kritik kein Gehör verschaffen. Wer Augenhöhe in der Debatte einfordert, muss auch mit der Presse unvoreingenommen umgehen, sollte den Mut haben, sich ohne Aggression zur eigenen Meinung zu äußern. Das war im Stadtgarten nicht immer der Fall.

Die Spaltung der Gesellschaft in Mainstream und angebliche Querdenker hatten wir übrigens schon einmal: bei der Flüchtlingsfrage 2015. Bekommen ist die Spaltung, das gegenseitige Nicht-Zuhören, der Gesellschaft nicht. Es wäre fahrlässig, die Fehler von damals zu wiederholen.