Die Arbeiterwohlfahrt (AWO) schlägt mit ihrem Pflegeheim Jungerhalde im Konstanzer Quartier Allmannsdorf ein neues Kapitel in der Betreuung pflegebedürftiger Senioren auf. Mit der Fertigstellung des Gebäudes ist zum Monatsende zu rechnen, aufgenommen werden soll der Betrieb Mitte Februar. Die Idee: Im Zentrum stehen nicht die Pflegebedürftigkeit, sondern die Fähigkeiten der Bewohner.
Emil-Sräga-Haus als Vorbild
AWO-Geschäftsbereichsleiter Reinhard Zedler und Heimleiter Jürgen Stötzer können dabei auf Erfahrungen im ebenfalls von der AWO betriebenen Emil-Sräga-Haus in Singen zurückgreifen, in dem bereits seit 2008 mit einem Konzept aus Pflegegruppen gearbeitet wird. Die beiden sprechen von Familien, in denen bis zu maximal zwölf Menschen in einem Verband den Alltag so weit wie möglich gemeinsam gestalten. Dazu zählt zum Beispiel die Zubereitung von Mahlzeiten, das Können und Wollen der Bewohner soll auch in anderen Bereichen der Alltagsgestaltung so weit wie möglich eingebracht werden.
Entsprechend ist der Radius der Selbstbestimmung größer als bei herkömmlichen Pflegeeinrichtungen. Die Wohnräume können durch persönliche Einrichtungsgegenstände ergänzt werden und die Bewohner dürfen beispielsweise unter Voraussetzungen Haustiere halten. Bei der Verortung lässt sich das Pflegeheim Jungerhalde damit im Bereich zwischen betreutem Wohnen und den herkömmlichen Formen des Pflegeheims ansiedeln.
Architektur sorgt für gute Orientierung
Erleichtert wird die Umsetzung des Konzepts durch die Architektur. Dazu zählt die Ausstattung der Familien-Verbände mit Küchen und Gemeinschaftsräumen sowie die Strukturierung der Wohnbereiche und eines Gartens, die eine leichte Orientierung insbesondere für demente Bewohner ermöglicht. Bedeutsam für das Gelingen des gesellschaftlichen Miteinanders ist für Jürgen Stötzer und Reinhard Zedler ferner die Einbettung in das soziale Umfeld. Damit Einrichtungen wie Kindergärten oder etwa örtliche Bürgerinitiativen das Pflegeheim Jungerhalde als offenes Haus wahrnehmen und die Beziehung zu den Bewohnern mitgestalten können, gehört eine entsprechende Kontaktpflege mit zum Programm.
Die Anlehnung an den Charakter einer Familie erfordert ferner feste Bezugspersonen bei der Pflege und Betreuung. Bei maximal 60 Bewohnern wird mit einem Personalbedarf von 37 Stellen gerechnet, bei Berücksichtigung der Arbeitsverhältnisse in Teilzeit dürfte die Zahl der Beschäftigten am Ende bei 60 liegen. Das hat seinen Preis, gleichwohl geht AWO-Chef Reinhard Zedler lediglich von einem Niveau im „gehobenen Mittelfeld“ aus.
Über den Preis muss langfristig unter anderem die Investition in Höhe von 9 Millionen Euro finanziert werden, hinter der die städtische Wohnbaugesellschaft Wobak steckt. Laut Wobak-Geschäftsführer Jens-Uwe Götsch und Architekt Ulrich Eppler will man mit dem Bau mehreren Erfordernissen gerecht werden. Die Holz-Hybrid-Bauweise mag dabei als äußeres Zeichen für die ökologischen Ansprüche eines energetisch effizienten Innenlebens mit einem Blockheizkraftwerk, einem Belüftungssystem mit Wärmerückgewinnung und Photovoltaik- Nutzung gesehen werden, wobei man eng mit den Stadtwerken zusammenarbeitet.
Wohnfläche von 3352 Quadratmetern
Jens-Uwe Götsch geht ferner von einer Entlastung des Wohnungsmarktes aus. Die in Allmannsdorf entstehende Wohnfläche beläuft sich auf 3352 Quadratmeter, die mit der Einweihung des Hauses frei werdende Wohnfläche dürfte darüber liegen. Bei den Bewohnern der Jungerhalde 6 wird es sich weitgehend um Senioren handeln, die aufgrund einer Demenz-Erkrankung oder wegen körperlicher Einschränkungen ihren Haushalt nicht mehr selbstständig führen können, jedoch nicht in ein Pflegeheim herkömmlicher Art ziehen wollen.