Die Stadtwerke Konstanz erwägen erstmals in ihrer 100-jährigen Unternehmensgeschichte einen Partner an Bord zu holen. Geschäftsführer Norbert Reuter bestätigte in einem SÜDKURIER-Interview, dass ein Einstieg des kommunal getragenen Thüga-Verbundes konkret geprüft wird.

Allerdings geht es dabei, wie es aus Aufsichtsratskreisen heißt, nicht um eine teilweise Übernahme der Stadtwerke als Ganzes. Vielmehr besteht die Überlegung, den gesamten Energiebereich in eine Tochterfirma auszugliedern, an der die Thüga dann zu weniger als 50 Prozent beteiligt wäre. Thüga-Sprecher Detlef Hug bestätigte, sein Unternehmen habe „Gespräche über mögliche gemeinsame Kooperationsfelder geführt“.

„Wir sind uns ganz sicher, dass wir alleine die Ziele nicht so schnell und erfolgreich erreichen wie in einem Kooperationsmodell ...
„Wir sind uns ganz sicher, dass wir alleine die Ziele nicht so schnell und erfolgreich erreichen wie in einem Kooperationsmodell in einem Netzwerk, in dem wir voneinander lernen.“ Stadtwerke-Geschäftsführer Norbert Reuter spricht im SÜDKURIER-Interview erstmals über einen möglichen Einstieg eines anderen Unternehmens bei den Stadtwerken. | Bild: Hanser, Oliver

Kommt das Geschäft zustande, hätten die Stadtwerke einen kapitalstarken Gesellschafter für genau jenen Bereich, der in den nächsten Jahren die höchsten Investitionen erfordert. Benötigt wird nach verschiedenen Schätzungen bis zu einer halben Milliarde Euro innerhalb von maximal 20 Jahren. Reuter selbst sagte, allein der Aufbau von klimaneutralen Nahwärmenetzen erforderte rund 400 Millionen Euro. Hinzu kommen Kosten für den Ausbau des Strom- und später auch den Rückbau des Gasnetzes.

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Können die Stadtwerke die Zukunft allein gestalten?

Ob die Stadtwerke allein eine solche Investition überhaupt stemmen können, gilt als ungewiss. Das Unternehmen ist durch die jüngsten Krisen mehrfach getroffen: Laut Norbert Reuter hängt allein ein Drittel des Umsatzes vom Gasverkauf ab, der in einer Stadt auf dem Weg in die Klimaneutralität kaum eine Zukunft hat. Home-Office und Lockdowns durch Corona sowie Konsumzurückhaltung treffen auch den Bus- und Fährbetrieb sowie die touristische Schifffahrt.

Ein möglicher Einstieg der Thüga oder eines anderen Partners ist dennoch nicht unumstritten, auch wenn es nur eine Minderheitsbeteiligung in einem Tochterunternehmen wäre. Unter anderem müssten die Stadtwerke ihr komplettes Leitungsnetz dort einbringen. Infrastruktur, die über viele Generationen von Konstanzern mit Konstanzer Geld geschaffen wurde, wäre damit dem vollen Zugriff der Stadt entzogen. Auch der mehrheitlich politisch dominierte Aufsichtsrat verlöre als Kontrollgremium an Einfluss. Auf der anderen Seite käme Kompetenz durch den Blick von außen dazu, sagte dazu Norbert Reuter.

Thüga-Sprecher sagt: Ein Stadtwerk schafft das kaum allein

Thüga-Sprecher Detlef Hug erklärte dazu auf Nachfrage des SÜDKURIER in fast wörtlicher Entsprechung zu den Aussagen von Stadtwerke-Chef Reuter im Interview: „Die Stadtwerke Konstanz haben das klare Ziel, wesentlicher Akteur und Gestalter bei der Umsetzung der ambitionierten Zielsetzungen der Klimaschutzstrategie der Stadt Konstanz zu sein.“

Die Herausforderungen seien groß, und „ein Kooperationsnetzwerk, das Stadtwerke – unterschiedlichster Größe und Aufstellung, mit ähnlichen Herausforderungen – vereint“, könne „auf Grund seiner Erfahrungen maßgeblich unterstützen“. Und weiter erklärt die Thüga: „Unsere tiefste Überzeugung ist, dass diese gewaltigen Herausforderungen von einzelnen Stadtwerken allein kaum zu bewältigen sind.“

Wer hat künftig die Kontrolle über die strategisch bedeutsamen Konstanzer Leitungsnetze? In Singen ist es die Thüga Energienetze, hier ...
Wer hat künftig die Kontrolle über die strategisch bedeutsamen Konstanzer Leitungsnetze? In Singen ist es die Thüga Energienetze, hier ein Blick in die Leitstelle. | Bild: Sascha J. Hauk / Thüga

Die Gespräche sind offenbar schon ziemlich weit fortgeschritten. Auch wenn die Thüga dies auf eine entsprechende Anfrage des SÜDKURIER zunächst so nicht bestätigen wollte, ist ein „Letter of Intent“, also eine durchaus verbindliche Absichtsbekundung, schon weit gediehen.

Schon im Mai sollen der Haupt- und Finanzausschuss des Gemeinderats sowie der Aufsichtsrat der Stadtwerke wichtige Weichen stellen. Bis Ende des Jahres 2023 könnte die größte und folgenschwerste Veränderung bei den Stadtwerken seit Jahrzehnten bereits über die Bühne gegangen sein.

In der Kommunalpolitik sind die Gefühle gemischt

In der Kommunalpolitik wird der Flirt mit der Thüga mit gemischten Gefühlen betrachtet, wie Gespräche mit Stadträten zeigen. So gibt es einerseits die Befürchtung, dass Konstanz vor allem in Form der Leitungsnetze sein Tafelsilber abgibt und dass die örtliche politische Kontrolle über die Energie- und Wärmewende verloren geht. Andererseits gibt es auch Stadträte, die glauben, dass die Stadtwerke allein die Mammutaufgabe nicht im gebotenen Tempo stemmen können, da es an Geld, Kompetenz und Kapazitäten fehle. Hier bringe die Thüga vieles von dem mit, was den Stadtwerken aktuell fehle, und zudem sei die Thüga letztlich auch ein kommunales Unternehmen.

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Der Kritik, dass die Thüga tief im fossilen Zeitalter verhaftet sei, entgegnet Sprecher Detlef Hug so: „Die Energiewirtschaft ist mit dem Wandel vertraut, der an Dynamik zugenommen hat. Deshalb wandelt und entwickelt sich das Thüga-Netzwerk mit seinen über 100 Partnerunternehmen vor Ort in ganz Deutschland stetig weiter.“ Dafür gebe es viele Beispiele rund um das Thema erneuerbare Energien und intelligente Stromnutzung.