Elektromobilität, Wärmepumpen, Solaranlagen, Balkonkraftwerke: Diese Technologien sind gerade in aller Munde. Denn der Klimawandel und die von vom russischen Angriffskrieg in der Ukraine verursachte Energiekrise zwingen zum Umdenken – und zwar eher früher als später.
Doch der Ausbau der regenerativen Energien sowie der erhöhte Strombedarf privater Haushalte stellt das Stromnetz vor Herausforderungen. Auch in und um Konstanz könnte das zukünftig zum Problem werden.
Nicht auf heutige Auslastung ausgelegt
„Alle Stromnetze – nicht nur in Konstanz – wurden zu der Zeit, als sie gebaut wurden, für eine Energieflussrichtung vom Kraftwerk zum Kunden ausgelegt und von den Querschnitten gemäß den bis dahin üblichen Belastungen dimensioniert“, teilt Josef Siebler, Pressesprecher Stadtwerke Konstanz, auf SÜDKURIER-Nachfrage zu dem Thema mit. Außerdem: „Wann Strom verbraucht wurde, bestimmte ausschließlich der Kunde am Netz.“
Doch nun treten vermehrt andere Phänomene auf: Zum einen kommen zusätzliche, neue Lasten auf die Netze zu, beispielsweise durch die bereits angesprochenen Wärmepumpen oder Ladesäulen für die E-Mobilität. Zum anderen gibt es immer mehr unregelmäßige Einspeisungen durch Solaranlagen und Balkonkraftwerke. „Für diese Anforderungen sind die Netze weder dimensioniert, noch sind die Niederspannungsnetze bislang mit entsprechender Messtechnik ausgerüstet, um die Netze durch Lastmanagement sauber steuern zu können“, so Siebler.
Eine intelligente Steuerung muss her
Zwar gibt es Lösungen, beispielsweise nach dem Motto: Viel hilft viel. So könnte man die Netze verstärken, um die Schwierigkeiten unter Kontrolle bekommen. Das Problem: Dieses Vorgehen wäre extrem teuer und in kurzer Zeit nicht machbar. Ein anderer Ansatz wären intelligente Steuerungen und Softwaretools, um beispielsweise Ladesäulen freizugeben oder zu sperren – je nachdem wie die Auslastung und Einspeisung im Netz gerade ist. In einem ersten Schritt bedürfe es dabei laut Angaben der Stadtwerke sehr viel mehr Messtechnik im Netz.
Die Lösung für diese Probleme könnte künstliche Intelligenz (KI) sein. Laut Josef Siebler von den Stadtwerken sei KI erforderlich, um die Netze eben nicht überdimensionieren zu müssen – was, wie bereits erwähnt, sehr teuer wäre und lange dauern würde. Ebenfalls kann sie davor sorgen, das Stromnetz bis zu einer Erneuerung von Anlagen nicht zu überlasten. „Damit kann eine Erneuerung und Ertüchtigung also gestreckt werden, wodurch eine geringere Umweltbelastung und ein wirtschaftlicherer Betrieb möglich wird“, so Siebler.
Wissenschaftler auf der Lösungssuche
Und genau hier kommen Wissenschaftler der Konstanzer Hochschule für Technik, Wirtschaft und Gestaltung (HTWG) ins Spiel. So beschäftigt sich das Forschungsprojekt „AI4Grids“, bei dem unter anderem das Stadtwerk am See und die Stadtwerke Konstanz Kooperationspartner sind, mit einer entsprechenden Lösung für die mannigfaltigen Probleme.
Die Forscher um Gunnar Schubert sind sich sicher: „Flexible Verbraucher, wie Elektroladesäulen und Wärmepumpen, können im Zusammenspiel mit den schwankenden regenerativen Erzeugern zur Lösung für die Energiewende werden – durch eine intelligente Netzsteuerung.“

Gunnar Schubert selbst ist der Vizepräsident Forschung, Transfer und Nachhaltigkeit der HTWG Konstanz sowie Leiter des Forschungsprojekts „AI4Grids“. Ziel des Projekts sei es „die für die Energiewende benötigten Erzeuger und Verbraucher in Zukunft mittels intelligenter Netzbetriebsführung effizient in das Mittel- und Niederspannungsnetz zu integrieren“. Das bestehende Netz könne damit optimal ausgelastet werden und mögliche Kosten für einen andernfalls notwendigen Netzausbau könnten verringert oder gar vermieden werden.
Dazu werden Algorithmen entwickelt, die auf künstlicher Intelligenz (KI) basieren und die Planung von Stromnetzen unterstützen. Hinter den Verteilnetzen stünden laut Gunnar Schubert eine große Menge Anschlusspunkte und Verästelungen, und somit auch riesige Datenmengen. „Das Ziel muss immer sein: Wie kriegen wir das Verteilnetz optimal geregelt“, erklärt Schubert.
Mittlerweile betreiben die Forscher mehrere Modellquartiere, unter anderem in Allensbach und Friedrichshafen, aus dem sie konstant Daten abgreifen. Der Algorithmus lerne damit ständig weiter. Das besondere sei laut Manuela Linke, akademische Mitarbeiterin in dem Projekt, dass man sich bei den Überlegungen vor allem auf lokale Quartiere beschränke, um auf kleinster Ebene und vor Ort ein Problem anzugehen, das ganz Deutschland beschäftige.