Heidenspaß statt Trauer. Am Karfreitag, 18. April, geht in der Konstanzer Kantine im Neuwerk ab 21 Uhr eine Party über die Bühne. Die Stadt Konstanz erlaubt dies. Doch warum? Christen tragen an Karfreitag Trauer. Sie gedenken des Leidens und Sterbens Jesu. Der Karfreitag gilt deshalb in Baden-Württemberg als einer der stillen Tage. An diesen sind Tanzveranstaltungen verboten, außer es gibt eine Befreiung davon. Die Giordano-Bruno-Stiftung Bodensee mit Sitz in Konstanz hat diese erreicht. Sie sieht es als völlig überholt an, dass alle Bürger in ihren Freiheitsrechten beschnitten werden, weil etliche Christen Trauer tragen.
„Religionsfreiheit bedeutet auch Freiheit von Religion“, sagt Sprecher Ben Papke. Es könne doch nicht Aufgabe des Staates sein, den Menschen vorzuschreiben, wie sie ihre Freizeit zu verbringen haben. „Es ist wichtig, dass wir eine gesellschaftliche Debatte führen.“ Warum sollte sich ein gläubiger Christ an einer Tanzveranstaltung im geschlossenen Raum stoßen? „Es wird niemand gestört.“
Die Legislative habe die Aufgabe, mit dem gesellschaftlichen Wandel Schritt zu halten. Es sei kein Platz mehr für religiös begründete Moralvorstellungen, die in früheren Gesetzen noch ihren Niederschlag fanden. Heute habe der Staat die Aufgabe, Rechtsgüter wie die Freiheit der Meinung oder der sexuellen Orientierung zu schützen. Papke verdeutlicht: „Es geht nicht um Kirchenkritik.“ Es gehe vielmehr um Menschenrechte und Anerkennung der Wissenschaft, die sich auf Beweise stützt.
Die rechtliche Lage ist verzwickt
Schon im Jahr 2016 hatte das Bundesverfassungsgericht geurteilt, dass der Karfreitag als stiller Tag zwar besonders geschützt werden dürfe, es aber unverhältnismäßig sei, Ausnahmen komplett auszuschließen. Dies sei nicht vereinbar mit der Weltanschauungs- und Versammlungsfreiheit. Wichtig sei es, dass es bei der Veranstaltung nicht ausschließlich um Spaß und kommerzielles Interesse geht.
Genau da setzt die Giordano-Bruno-Stiftung an. Sie gestaltet den Abend in der Kantine als Protestaktion. So gibt es zum Auftakt einen Vortrag mit Diskussion. Sie fragt, ob es in einer zunehmend säkularen Gesellschaft noch zeitgemäß ist, aus religiösen Gründen allen Bürgern ein Tanzverbot zu verordnen.
Mehr als nur Religion
Markus Weimer, Dekan des evangelischen Kirchenbezirks in Konstanz, hält es für die Gesellschaft wichtig, dass diese an den wenigen stillen Tagen innehält und über grundlegende Fragen des Lebens und Sterbens nachdenkt: „Karfreitag ist viel mehr als ein überholtes christliches Ritual der Kirchen! In einer Welt, die von ständiger Hektik und Lärm durchdrungen ist, bietet der Feiertag eine seltene Gelegenheit zur Ruhe und Besinnung.“ Er sei eine „wohltuende Unterbrechung“.
Auch wenn Karfreitag ein sperriger Feiertag sei, er erinnere daran, „dass das Leben nicht nur aus Vergnügen oder Konsum besteht, sondern eben auch aus Momenten des Leids und des Sterbens. Die Reflexion über die eigene Endlichkeit und Verantwortung halte ich für unverzichtbar. Der gesetzliche Schutz dieses Tages bewahrt einen Raum für Stille.“
Weimer geht noch weiter: „Dieser Feiertag ist Gottes Kampfansage gegen illegitime und willkürliche Gewaltausübung. In einer säkularen Gesellschaft ist so ein Gedenken nicht verpflichtend, doch es bietet einen wertvollen Impuls, um über die gemeinschaftlichen Werte unserer Gesellschaft nachzudenken, die ja durchaus christliche Wurzeln haben.“
Der Dekan spricht davon, wie er selbst Karfreitag erlebt: „Besonders bewegend war für mich in den letzten Jahren die Tenebrae-Feier (lateinisch Finsternis) am Karfreitag, die dazu einlädt, den Weg Jesu nachzuempfinden. Man verlässt nach einigen Lesungen die Kirche in Dunkelheit und Schweigen. Am Ostermorgen versammelt sich die Gemeinde erneut in der Dunkelheit.“ Durch diese leuchtet dann die Flamme der Osterkerze, sie wird weitergereicht, bis im ganzen Kirchenraum Kerzen strahlen. Die Botschaft: Gottes Liebe ist stärker als der Tod.
Rücksicht und Verständnis als Basis des Miteinander
Der Dekan der katholischen Kirche in Konstanz, Michael Teipel, findet, „dass im Trubel der Zeit ein stiller Tag unserer Gesellschaft guttun würde. Es liegt mir fern, Andersgläubigen etwas aufzwängen zu wollen. Der Karfreitag muss ja auch kein staatlicher Feiertag sein.“ Er sei dies in vielen christlich geprägten Ländern, aber in anderen nicht, wie in Österreich oder Italien.
„Für mich selbst ist der Karfreitag eingebettet in das Triduum, das an Gründonnerstag-Abend beginnt und mit dem Ostersonntag endet. Ich faste und bete, und es ist für mich ein stiller Tag. Ich freue mich über die Menschen, die mit mir diesen Tag begehen, aber erwarte nicht, dass alle anderen meinen Zugang teilen.“ Für den Dekan hat Karfreitag für die gesamte Gesellschaft eine Bedeutung: „Es geht um den grausamen Tod eines unschuldig Verurteilten. Auch wenn man nicht an den christlichen Gott glaubt, könnte man also diesem Gedanken nachgehen.“
Zum Antrag der Giordano-Bruno-Stiftung stellt er fest, er könne diesem nichts abgewinnen. „Denn es scheint hier vielmehr um eine Provokation als um ein Tanzbedürfnis zu gehen. Das halte ich für eine tolerante Gesellschaft für nicht förderlich.“ Denn diese nehme Rücksicht. „In diesem Sinne kann die Stiftung auch gerne für die Rechte von Konfessionslosen eintreten, aber vielleicht ist dafür doch ein anderer Tag passender.“