Idyllisch im Grünen liegt Schloss Ebersberg. Das renovierte Gebäude in der Gemeinde Auenwald (Rems-Murr-Kreis) dient der Deutschen Pfadfinderschaft Sankt Georg (DPSG) seit Jahrzehnten als Ort der Bildung und Begegnung. Begegnet sind sich dort im Frühling auch Mitglieder der als rechtsextremistisch eingestuften Identitären Bewegung (IB) – unter tätiger Mithilfe aus Konstanz.
Denn organisiert wurde das Aktivisten-Treffen über den „Schwäbischen Kulturverein Konstanz„, den der Verfassungsschutz nun als Tarnung für die IB ausmacht.
IB-Aktivisten kapern eine Pfadfinder-Burg
Den Beleg dafür, dass kein Konstanzer Kulturverein, sondern Aktivisten der Regionalgruppe „IB Schwaben“ auf der Burg in Auenwald waren, brachte ein später im Internet veröffentlichtes Video. In diesem „ist deutlich zu erkennen, dass sich die Protagonisten auf Schloss Ebersberg befinden“, bestätigt ein Sprecher des Landesamtes für Verfassungsschutz auf Anfrage des SÜDKURIER.
Der mit martialischer Musik hinterlegte Clip liegt der Redaktion vor und lässt darauf schließen: Hier hat sich jemand mit hochwertiger Technik viel Mühe gemacht. Der Zusammenschnitt zeigt Nahkampf-Training, Vorträge, Gesangsszenen. Zum Abschluss präsentieren einige Leute stolz eine Flagge mit dem Symbol der IB.
Spuren für Täuschungsmanöver führen nach Konstanz
Nachdem die Pfadfinder darauf aufmerksam gemacht wurden, wer sich tatsächlich eingemietet hatte, distanzierte sich der Vorstand in einer Stellungnahme „aufs Allerschärfste von der Identitären Bewegung und ihren Zielen“. Die DPSG sei „über den tatsächlichen Zweck der Buchung unseres Diözesanzentrums getäuscht“ worden.
Laut Sven Kroll, Diözesanvorsitzender der DPSG Rottenburg Stuttgart, lief die Buchungsanfrage des Konstanzer Tarnvereins zunächst per E-Mail über einen Dritten. Erst für die schriftliche Vertragsunterzeichnung sei man an Dominik B. aus Konstanz verwiesen worden.
Dominik B. fiel schon einmal wegen seiner Nähe zur IB auf
Der im November 2017 eingetragene Schwäbische Kulturverein firmiert unter dessen Adresse und: Dominik B. fiel schon einmal wegen seiner Nähe zu den Rechtsextremisten auf. Er stand unter Verdacht, vor den Europa- und Kommunalwahlen 2019 im Namen der IB Plakate der Grünen gefälscht zu haben.
Ein Jurist der Partei hatte später Strafanzeige gestellt. Die Staatsanwaltschaft Konstanz bestätigt auf Anfrage, dass ein entsprechendes Verfahren „nach umfänglichen Ermittlungen“ Mitte März 2020 eingestellt wurde. Der Grad des Verdachts sei nicht hoch genug für eine Anklageerhebung gewesen. Nach SÜDKURIER-Infomationen soll es sich beim einst Beschuldigten um Dominik B. handeln. Lokale Antifa-Aktivisten hatten ihn zuvor mittels der umstrittenen bis strafbaren Methode des Doxxings als „Ortsgruppenleiter“ der IB in Konstanz identifiziert.
Warum beobachtet der Verfassungsschutz nun den Schwäbischen Kulturverein?
Der Zweck des „Schwäbischen Kulturvereins Konstanz„ ist laut Vereinsregister „die ideelle und finanzielle Förderung humanitärer Hilfsorganisationen, zivilgesellschaftlicher Organisationen sowie von politischen Gruppen innerhalb und außerhalb Deutschlands„. Der Landesverfassungsschutz geht laut seinem Sprecher „aufgrund personeller Überschneidungen“ davon aus, dass es sich dabei um „einen regionalen Tarnverein der IB handelt, der somit auch unter den Beobachtungsauftrag fällt“.
Was sagt Dominik B. zu der Angelegenheit?
Dominik B. selbst will sich auch auf mehrfache Nachfrage nicht äußern. Der Versuch, über seinen Arbeitgeber in Kontakt zu treten, scheitert diesmal. Bei den Vorwürfen rund um die mögliche Wahlplakat-Fälschung der Grünen trat das Unternehmen als Vermittler für die Kommunikation mit B. auf.
Ein Sprecher der Firma erklärt nun, dass diese „bisher keine Kenntnis“ davon hatte, dass ein Mitarbeiter „über einen unter seinem Namen geführten Verein eine Veranstaltung der Identitären Bewegung organisiert haben soll“. Aus datenschutzrechtlichen Gründen könnten keine weiteren Angaben zu Angestellten gemacht werden.
Arbeitgeber distanziert sich „ausdrücklich von Identitärer Bewegung„
Der Sprecher betont jedoch: „Als Unternehmen distanzieren wir uns ausdrücklich von der Identitären Bewegung.“ Die Firma unterstütze in Konstanz seit Jahren Vereine und Initiativen aus dem Bereich Integration und gesellschaftliche Vielfalt. Sie engagiere sich „aktiv für eine Gesellschaft ohne Rechtsextremismus und Rassismus“, so der Sprecher. Außerbetriebliche Aktivitäten von Mitarbeitern lägen jedoch „außerhalb der Einflusssphäre“ des Arbeitgebers.
Wie haben die Pfadfinder nach der Täuschung reagiert?
Und die katholischen Pfadfinder aus Auenwald? Die haben ihre Lehren aus der Täuschung gezogen: In den Mietbedingungen für Schloss Ebersberg muss laut Diözesanvorstand Sven Kroll nun schriftlich zugesichert werden, dass die Räume nicht für fremdenfeindliche oder rechtsextremistische Zwecke genutzt werden. Und: Aufnahmen per Drohnen-Überflug müssen vorab genehmigt werden – dann dürfte es auch schwierig werden mit Luftbildern von Flaggen hissenden IB-Aktivisten.