Konstanzerinnen und Konstanzer gedenken der NS-Opfer: Hierfür sind am Sonntag, 19. Mai, verschiedene Aktionen geplant. In diesem Rahmen wird auch erstmals an Zwangssterilisierte erinnert. Für sie wird um 15.10 Uhr auf der Unteren Laube 12, wo im Dritten Reich das Gericht für Erbgesundheit seinen Sitz hatte (heute Amtsgericht), eine Schwelle verlegt. Der Kölner Künstler Gunter Demnig begleitet die Aktionen. Neben der Schwelle verlegt er 17 Stolpersteine für weitere Opfer.
- 10 Uhr, Fürstenbergstraße 72: Der Wollmatinger Franz Greis war überzeugter Kommunist. Er schmuggelte politische Schriften, hielt Kontakt zu emigrierten Kommunisten in der Schweiz, vermittelte Schulungen für Konstanzer Kommunisten in Zürich und Winterthur. Verfolgten Genossen von der KPD und SPD verhalf er zur Flucht in die Schweiz. Dorthin musste Franz Greis am 2. September 1939 selbst fliehen und wurde dort in verschiedene Arbeitslager interniert. Im Juni 1945 kehrte er nach Konstanz zurück.
- 10.25 Uhr, Friedrichstraße 11: Die gebürtige Konstanzerin Anna Mayer wurde am 29. März 1939 wegen „Ausspähung“ der Gestapo verhaftet. Die Köchin wurde vor dem Volksgerichtshof Berlin des Landesverrats angeklagt. Sie wurde zu drei Jahren Haft verurteilt, weil sie im September 1939 für einen Freund, der für Frankreich spionierte, einen Brief von Kreuzlingen nach Konstanz brachte. Von der französischen Besatzungsmacht erhielt sie 1945 den „Ehrenpass antifaschistischer Kämpfer“.
- 10.45 Uhr, Beyerlestraße 10: Sigmund Weil aus Ellwangen wurde katholisch getauft, galt aber als Jude. Drei seiner Geschwister wurden im Holocaust ermordet. 1927 kam er nach Konstanz, wo er heiratete. Im August 1940 musste er in ein „Judenhaus“ in der Bodanstraße 25 ziehen. Im September 1941 war er im jüdischen Gemeindehaus in der Sigismundstraße 41 gemeldet und wurde wieder zum Umzug gezwungen. Am 1. Februar 1945, im Alter von 82 Jahren, setzte Weil seinem Leben mit Leuchtgas ein Ende.
- 11.05 Uhr, Inselgasse 15: Die Konstanzerin Berta Glückler war gehörlos. Sie besuchte die Taubstummen-Anstalt in Meersburg. Danach erlernte sie im Kloster Zoffingen das Schneidern und arbeitete als Zuschneiderin in der Taschentuchfabrik Kleinberger und Co. in Konstanz. 1935 wurde sie im Rahmen des Vollzugs des „Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ beim Konstanzer Gesundheitsamt wegen „erblicher Taubheit“ angezeigt, aber noch kein Verfahren gegen sie eingeleitet. Dies war erst der Fall, als der Präsident der schweizerischen Gemeinde Egnach Ämter in Konstanz darauf aufmerksam machte, dass sich Berta Glückler mit einem dort lebenden, ebenso gehörlosen jungen Schneider traf. Das Erbgesundheitsgericht verfügte 1936, sie unfruchtbar zu machen.
- 11.25 Uhr, Stephansplatz 9: Anna Schmid wurde in Kreuzlingen in der Schweiz geboren. Die Familie wohnte in Konstanz am Stephansplatz 9, wo ihr Vater eine Bäckerei betrieb. Dort waren auch Anna und ihre beiden jüngeren Schwestern beschäftigt. 1933 wurde sie Patientin in der Heil- und Pflegeanstalt bei Konstanz. Sie wurde erst zwangssterilisiert, kam dann laut Akte nach Zwiefalten. In Wahrheit wurde sie 1940 in die Tötungsanstalt Grafeneck vergast.
- 11.45 Uhr, Marktstätte 17: Berta Weil, geborene Casewitz, war Jüdin. Sie kam durch Heirat nach Konstanz. Zusammen mit dem Mann führte sie das Textilgeschäft ihres 1917 verstorbenen Vaters an der Marktstätte 17 weiter. Nach dem Tod ihres Mannes 1932 führte ihr Sohn Josef das Geschäft. Antisemitische Propaganda und der wirtschaftliche Boykott des NS-Regimes zwangen Josef Weil, sein Geschäft im Dezember 1936 zu verkaufen und 1938 mit seiner Familie in die USA zu emigrieren. Berta Weil blieb in Konstanz. Sie wurde zuerst in ein „Judenhaus“ in der Bodanstraße 25 umquartiert, 1940 dann nach Gurs deportiert. Sie starb im Lager an den unmenschlichen Lebensbedingungen. Es werden auch Stolpersteine für Josef Weil und seine Frau Gitta Weil sowie die Kinder Jakob und Klara verlegt.
- 12.10 Uhr, Rosgartenstraße 31: Der Kaufmann Salomon Rosenthal kam vor 1914 nach Konstanz. Ende der 1930er-Jahre musste er in ein „Judenhaus“ in der Bodanstraße 31 umziehen. 1940 wurde Rosenthal nach Gurs deportiert. Der 74-Jährige starb infolge der schlechten Lebensbedingungen im Lager.
- 14 Uhr, Bodanstraße 27: Die Konstanzerin Erna Freistetter war wie ihre Schwester Hildegard gehörlos. 1936 zeigte der Arzt Hermann Sauter Erna Freistetter beim Konstanzer Gesundheitsamt an. Für ihn, der sie wegen einer Atemwegserkrankung behandelt hatte, stand fest, dass Erna an „angeborenem Schwachsinn“ litt. Das Erbgesundheitsgericht Konstanz verfügte 1936, dass sie und ihre Schwester unfruchtbar gemacht wurden. Für beide werden Stolpersteine verlegt.
- 14.20 Uhr, Gottlieber Straße 10: Die unverheiratete Konstanzer Krankenschwester Fanny Haymann wurde als Jüdin 1940 ins Lager Gurs deportiert. Trotz katastrophaler Lebensbedingungen engagierte sie sich in der Krankenpflege. Dank ihrer Beziehungen zum Schweizer Roten Kreuz durfte sie 1941 das Lager verlassen und in die Schweiz einreisen. Bis zu ihrem Tod wohnte sie in Zürich im „Schwesternhaus vom Roten Kreuz“.
Einen Gedenkstein bekommt auch die Schwester Mina Ohlenschläger, geborene Haymann. Seit 1908 war sie mit dem Alt-Katholiken Ernst Ohlenschläger verheiratet. Mina Ohlenschläger war verwitwet und 75 Jahre alt, als sie 1940 nach Gurs deportiert wurde. Das Mobiliar ihrer Wohnung wurde 1941 im Konzil versteigert und ihr Sparguthaben vom Staat konfisziert. Mina Ohlenschläger erkrankte im Lager so schwer, dass sie 1942 starb.
- 14.35 Uhr, Leinerstraße 1: Regina Levi, geborene Wolf, betrieb mit ihrem Mann Isidor Levi in Konstanz einen Großhandel mit Stoffen. Nach dem Tod ihres Mannes musste Regina Levi 1939 in ein „Judenhaus“ in der Bruderturmgasse 6 umziehen. 1940 war sie in Karlsruhe zu Besuch. Von dort wurde sie nach Gurs transportiert, wo sie schwer erkrankte. 1942 wurde Levi mit einem Eisenbahntransport ins Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau gebracht, wo sie starb.
- 14.50 Uhr, Mangoldstraße 21: Rosa Moerschner, geborene Oplat, stammte aus einer jüdischen Familie in Wien. Sie kam Anfang August 1935 von Frankfurt nach Konstanz, wo sie als Schauspielerin tätig war. 1940 wurde sie nach Gurs deportiert und nach mehreren Zwischenstationen 1942 ins Todeslager nach Auschwitz deportiert.
- 15.10 Uhr, Untere Laube 12: Stolperschwelle für 291 Zwangssterilisierte.