Die Resonanz ließ sich zwar nicht annähernd mit den jüngsten Aktionen gegen Rechtsextremismus in Konstanz vergleichen, doch etwas Besonderes war die Demonstration am Freitag, 1. März, trotzdem. Denn es handelte sich um eine von bundesweit mehr als 100 Veranstaltungen zweier Partner, deren Beziehung noch relativ frisch ist: Mitarbeiter des öffentlichen Nahverkehrs und Aktivisten von Fridays for Future (FFF).
Rund 250 Menschen waren unter dem Motto „Wir fahren zusammen“ in Konstanz dabei, etwa je zur Hälfte Verdi-Mitglieder und Klimaschützer sowie sonstige Sympathisanten, zum Beispiel von der Ortsgruppe des Naturschutzbundes. Hier alles Wichtige zu der Veranstaltung:

Wie lief die Demonstration?
Los ging es am Herosé-Park, wo Carina Winkels von Fridays for Future erst einmal ein paar Sprechchöre mit den Teilnehmern einzuüben versuchte. Die 21-Jährige erwies sich dann auch während des Umzugs zur Marktstätte als einfallsreich im Kreieren mehr oder weniger heftig gereimter Parolen. Am einprägsamsten wohl die Abwandlung eines bekannten FFF-Rufs: „Wir sind hier, wir sind laut, weil die Zukunft Busse braucht.“ Auch lautstark vorgetragen bei der Abschlusskundgebung: „Keine Busse, keine Bahnen ohne Menschen, die sie fahren.“
Einige Verdi-Kollegen aus dem Einzelhandel – selbst seit längerem im Arbeitskampf – unterstützten die Kollegen auf dem Weg über die Fahrradstraße und den Münsterplatz zur Marktstätte. Dagegen hatte sich anfangs eine Gruppe an den Zug gehängt, die mit dem eigentlichen Anliegen nichts zu tun hatte. Die etwa zehn bis 15 mutmaßlichen Verschwörungstheoretiker bemängelten auf den mitgeführten Schildern unter anderem das angebliche Versprühen von Aluminiumsalzen in der Luft – Versammlungsleiter Thorben Kleeh von FFF versuchte sie der Demonstration zu verweisen, was dann aber erst mit Hilfe der Polizei gelang.

Worum ging und geht es?
Busfahrer und Fähremitarbeiter streikten am Donnerstag und Freitag nicht allgemein für höhere Löhne, sondern für mehr Entlastung und bessere Arbeitsbedingungen – was mittelbar dann teilweise doch zu einer höheren Vergütung führt, wie Gabriele Fieback vom Verdi-Bezirk Südbaden/Schwarzwald erklärt. Denn auch die zweite Verhandlungsrunde mit dem Kommunalen Arbeitgeberverband nach ersten Streiks Anfang Februar hatte nichts gebracht. „Bisher kommt kein Angebot, alle jammern nur, dass das zu teuer sei.“ Aber, so Fieback, gute Arbeit koste nun einmal Geld.
Zu den Forderungen gehören unter anderem eine Schicht- und Wechselschichtzulage für den Fahrdienst, eine Nahverkehrszulage für die Kollegen in diesem besonders stressigen Umfeld, eine Überstundenvergütung von Verspätungszeiten ab der ersten Minute und eine Verkürzung der Arbeitszeit mit vollem Lohnausgleich.

Was sind die Probleme in Konstanz?
Alexander Boos ist für die Kollegen des Fahr- und des Fährdienstes der Stadtwerke Konstanz Mitglied der Tarifkommission, also bei den Verhandlungen in Stuttgart mit dabei. Er selbst arbeitet als Maschinist auf der Autofähre Konstanz–Meersburg, wobei Maschinist gleichzeitig auch Einweiser und Kassierer heißt. Es gibt halt nicht mehr Personal.
Seine Rede auf der Kundgebung hält der 33-Jährige kurz und knackig, nicht nur, weil er das kann und frei spricht, sondern auch, weil er eilig auf die Toilette muss. Und es zu verdrücken, sei bekanntlich unangenehm, das wüssten die Busfahrer am besten, sagt er unter allgemeinem Nicken in die Runde. Denn die haben nach eigener Darstellung viel zu wenig Pausen und Erholungszeiten, um mit dem wachsenden Verkehrsstress in Konstanz zurechtzukommen.
Alexander Boos hat ein Beispiel zur Verdeutlichung: „In Konstanz gibt es immer mehr 30er-Zonen. Trotzdem wurden die vorgegebenen Zeiten zwischen den Haltestellen nicht geändert. Um das zu schaffen, geht bei vielen die Pause drauf.“ Den Frust von Fahrgästen bekämen sie auch noch ab. Kollege Achim Schütte ergänzt: „Derjenige, der fährt, steht zudem mit einem Bein im Knast, wenn was passiert.“
„Wir lieben eigentlich unseren Job und sind gerne für euch da. Aber wenn wir nicht mehr können, suchen wir uns einen anderen“, sagt Boos. Die psychischen Belastungen nähmen zu, immer mehr Kollegen seien ausgebrannt. Die Folge, wenn nichts zur Verbesserung getan wird: Personalmangel, weniger Nahverkehrsangebote, noch mehr Autoverkehr, Rückschritte im Klimaschutz.

Schrecken die Streiks Fahrgäste nicht ab?
Ein Tag ohne Busse und Fähre Anfang Februar, jetzt der Streik am 29. Februar und 1. März – droht da nicht die Gefahr, dass sich genervte Fahrgäste vom Nahverkehr abwenden und aufs Auto umsteigen, wenn sie es sich leisten können? Thorben Kleeh von FFF kennt diese Argumentation. „Sie zeigt aber auch, dass der Streik weh tut – und damit ist er letztlich erfolgreich.“ Er erhöhe den Handlungsdruck.
Dass alle Menschen künftig Autos nutzen, würde nach Meinung des Klimaschützers, der als Mitarbeiter des Konstanzer Krankenhauses selbst auch Verdi-Mitglied ist, gar nicht funktionieren. „Dann hätten wir noch mehr Staus.“ Die Notwendigkeit von Bus und Bahn würde nur deutlicher werden. „Besser wäre es, solche Bedingungen zu schaffen, dass Streiks künftig unnötig sind“, betont der 30-Jährige. Die Politik müsse dafür sorgen, dass sich das finanzieren lässt.
Wie geht es jetzt weiter?
Busse und Fähre in Konstanz fahren ab dem frühen Samstagmorgen, 2. März, wieder. Am 5. und 6. März findet die dritte Verhandlungsrunde in Stuttgart statt. Und wie stehen dort die Chancen für einen Kompromiss? Wer immer nur das Argument „Wir haben kein Geld“ bringe, der habe auch irgendwann keine Busfahrer mehr, sagt Gabriele Fieback von Verdi in Richtung Arbeitgeber, die zuletzt die Forderungen der Gewerkschaft als überzogen zurückgewiesen hatten und dabei teilweise mit anderen Zahlen als Verdi arbeiteten.

Auch Thorben Kleeh von FFF hofft, dass die Verantwortlichen die Zeichen der Zeit erkannt haben: „Wir brauchen den öffentlichen Nahverkehr. Doch ohne bessere Bedingungen werden uns die dort Beschäftigten wegrennen. Dann fährt – wie während des Streiks – auch kein Bus mehr.“ Nur eben dauerhaft.