Für den Kommunalen Arbeitgeberverband (KAV) ist „das Maß voll“: Die Forderungen von Verdi in den Tarifverhandlungen für die kommunalen Busfahrer gehen dem Vertreter der Kommunen viel zu weit: Die Beschäftigten der kommunalen Nahverkehrsbetriebe profitierten ohnehin schon ab März von einer bis zu zwölfprozentigen Lohnsteigerung.
Nun fordere Verdi weitere Zuschläge mit einem Gesamtumfang von 30 Prozent. Macht mehr als 40 Prozent plus. „Zu bezahlen bitte vom Steuerzahler“, heißt es in der Pressemitteilung des KAV.
Allein für die Stadt Konstanz würde das analog der KAV-Rechnung laut Stadtwerke-Sprecher Christopher Pape im Bus- und Fährbetrieb jährlich rund sieben Millionen Euro Zusatzkosten verursachen, die auf die bisherigen rund 23 Millionen Euro Personalkosten obendrauf kämen.
Verdi kommt auf 20 Prozent Plus
Verdi bestreitet die Vorwürfe nur zum Teil. Die im vergangenen Jahr bundesweit verabredete Lohnhöhe greife eben jetzt. Dass der Manteltarifvertrag zeitgleich verhandelt wird, sei ein Zufall. Laut Verhandlungsführer Jan Bleckert belaufen sich die Forderungen nicht etwa auf 30 Prozent. „Das ist Augenwischerei“, sagt der Gewerkschaftsmann. Sie kämen auf 20 Prozent höhere Ausgaben.
Tatsächlich stellt die Gewerkschaft – eher unüblich für Manteltarifverhandlungen, bei denen es vorrangig um Arbeitsbedingungen geht – einige finanzielle Forderungen: Sie fordert eine monatliche Nahverkehrszulage von 450 Euro für alle Beschäftigten und ein 14. Monatsgehalt (aktuell sind es 13,2). Dazu wird unter anderem eine Reduzierung der Arbeitszeit von 39 auf 35 Wochenstunden angestrebt.
5200 Euro brutto – aber was zählt dazu?
Der KAV kommt bei seinen Berechnungen auf die Summe von 5200 Euro Brutto-Durchschnittsverdienst im Fahrdienst, würde Verdi alle Forderungen durchsetzen. Auch hier hält Bleckert allerdings dagegen: Der KAV richte seine Berechnung an der höchsten Verdienststufe für Busfahrer mit 18 Jahren Betriebszugehörigkeit aus, mit allen Zulagen für Nachts- und Sonntagsarbeit, allen Zuschlägen, Urlaubs- und Weihnachtsgeld.
„Erzählen Sie das mal den Leuten, die diese Schichten arbeiten“, sagt Bleckert dem SÜDKURIER. Dazu solle die 35-Stunden-Woche nicht von heute auf morgen, sondern in mehrjährigen Stufen eingeführt werden – schlage damit auch finanziell nicht gleich durch.
Auch die Arbeitgeber ärgern sich über die Kommunikation der Gegenseite: Verdi lege die massiven finanziellen Forderungen in der Öffentlichkeit gar nicht dar, heißt es.
In den Flugblättern und Medieninformationen nenne die Gewerkschaft als zentrale Forderungen eine volle Anrechnung der Arbeitszeiten bei Verspätungen oder bisher unbezahlten Wegezeiten. „In den Verhandlungen sind dies allenfalls Randaspekte“, so Sylvana Donath, Hauptgeschäftsführerin der KAV Baden-Württemberg.
Zweimal haben Arbeitgebervertreter und Gewerkschaft bereits verhandelt. Am 3. März steht die dritte Verhandlungsrunde an. Nichts deutet auf eine Versöhnung hin. Laut Verdi hat der KAV bislang keinerlei Angebot gemacht, der hingegen spricht davon mehrfach Verhandlungsbereitschaft signalisiert zu haben.
14 Stunden bei der Arbeit für acht Arbeitsstunden
Verdi argumentiert damit, dass bessere Arbeitsbedingungen und höhere Anerkennung für Busfahrer längst nötig seien: „Einen vollbesetzten Bus durch die Rushhour zu fahren, ist eine große Verantwortung, die nicht entsprechend honoriert werde“, sagt Andreas Henke, Pressesprecher des Verdi-Landesbezirks Baden-Württemberg. Die Nahverkehrszulage soll das beheben.
Attraktiver soll der Job aber auch dadurch werden, dass die oft langen erzwungenen Pausen in den Schichten kürzer werden: Bislang dürfen Busfahrer 14 Stunden am Tag von ihrem Arbeitgeber beansprucht werden, während sie nur acht Stunden arbeiten; künftig sollen es, geht es nach Verdi, nur noch elf Stunden sein.
All das ist laut Verdi nötig, um den Beruf attraktiver zu machen. Bereits heute würden Fahrpläne ausgedünnt, weil die Fahrer fehlten. Die Hälfte der Busfahrer aber gehe in den nächsten zehn Jahren in Rente, so Jan Bleckert. Wo soll dann das Personal für den geplanten Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs im Land herkommen?
Warum sind nur sieben Städte betroffen?
Stuttgart, Karlsruhe, Heilbronn, Freiburg, Baden-Baden, Esslingen und Konstanz – interessanterweise sind nur diese sieben Städte betroffen, obwohl es auch andernorts Busse gibt, die in städtischer Hand sind. Der Grund: In Baden-Württemberg sind nur in diesen sieben Städten die Busfahrer direkt bei der Stadt angestellt – bis 2016 zählte Pforzheim noch dazu, heute wird der Busverkehr eigenwirtschaftlich von Südwestbus, einer DB-Tochter betrieben.

Andere Kommunen haben zwar eigene Busse, aber kein eigenes Personal – wie zum Beispiel Friedrichshafen, deren Busfahrer und Lokführer per Dienstleistungsvertrag von der Regionalverkehr Alb-Bodensee GmbH (RAB) und Deutscher Bahn gestellt werden -, oder sie haben den gesamten Busbetrieb an private Busunternehmen ausgelagert.
In Konstanz aber sind die derzeit 163 Busfahrer direkt bei den Stadtwerken angestellt. Etwa 300 Mitarbeiter – inklusive der Fährbetriebe – sind betroffen.