Am 8. November 1939 hat der in Konstanz lebende Tischler Georg Elser einen Bombenanschlag auf Adolf Hitler verübt. Rund 86 Jahre später vergibt die in Konstanz ansässige Crescere-Stiftung-Bodensee zum ersten Mal einen nach dem Widerstandskämpfer benannten Preis – um damit Menschen auszuzeichnen, die sich leidenschaftlich für demokratische Werte und Vielfalt einsetzen, wie sie in einer Pressemitteilung informiert.
Erste Preisträgerin ist die Fernsehjournalistin Dunja Hayali. Sie wird am Freitag, 14. März, ab 18 Uhr im Festsaal des Inselhotels die mit 15.000 Euro dotierte Georg-Elser-Auszeichnung überreicht bekommen. Bereits im Vorfeld hat die „heute-journal“-Moderatorin angekündigt, diesen Betrag an den Berliner Verein „Gesicht zeigen! – Für ein weltoffenes Deutschland!“ zu spenden. Die Preisübergabe ist öffentlich. SÜDKURIER-Chefredakteur Stefan Lutz übernimmt die Laudatio.
Die Crescere-Stiftung-Bodensee geht auf den unbekanntesten Wohltäter der Stadt zurück: Thomas Seger. Der verstarb 2022 und gründete ein Jahr zuvor die Stiftung, die heute von den beiden Vorständen Wolfgang Münst und Stephan Tögel, zwei Rechtsanwlten, geleitet wird. Mit der neuen Auszeichnung positioniert sich die Stiftung eindeutig: Weltweit scheint das Zeitalter der liberalen Moderne seinem Ende entgegenzugehen, Rechtspopulisten und Autokraten gelangen in immer mehr Ländern an die Macht. Dem gelte es, entgegenzusteuern. Und Menschen, die dabei in erster Reihe stehen, gehöre der Rücken gestärkt und ihre Vorbildfunktion hervorgehoben.
Sie zeigte Zivilcourage
Laut Jury habe sich Dunja Hayali in beispielhafter Art und Weise wiederholt und unerschrocken für demokratische Werte starkgemacht und dabei Zivilcourage gezeigt. „Sie ist als queere Frau mit – wie sie selbst formuliert – Migrationshintergrund sehr starken Anfeindungen und Hassreden ausgesetzt, lässt sich dabei in ihrem beruflichen Handeln aber nicht beeinflussen. Sie geht auch unerschrocken für ihren Sender auf rechte Demonstrationen und setzt sich hier auch ganz persönlich Gefahren aus.“ Mit diesen Worten würdigt Wolfgang Münst die Journalistin.
SÜDKURIER-Chefredakteur Stefan Lutz wird bei der Preisübergabe die Festansprache auf Dunja Hayali halten: „Sie könnte es sich einfach machen und sich der schieren Übermacht von Hass und Wut im Netz ergeben. Aber sie bleibt stehen und kämpft voller Überzeugung für ein besseres Miteinander.“ Dafür genieße sie nicht nur Respekt, sie verdiene Unterstützung und Mitstreiter. „Deshalb bin ich der Jury sehr dankbar, dass sie Dunya Hajali als erste Preisträgerin dieser neu geschaffenen Auszeichnung ausgewählt hat.“

Georg Elser als Namenspate für einen Demokratie-Preis zu nehmen, liegt für Wolfgang Münst nahe: „Georg Elser war Konstanz verbunden, weil er hier neben der Arbeit auch seine Liebe gefunden hat. Elser war als einfacher Tischler so weitsichtig, dass er mit seiner Tat die führenden Vertreter eines Unrechtsregimes treffen wollte, um den Krieg verhindern.“ Zudem sei die Stiftung direkt mit Georg Elser verbunden, da dieser in einer heutigen Wohnung der Stiftung in der Niederburg zeitweise gelebt habe.
Dunja Hayali erhält als Auszeichnung eine Bronzeskulptur des St. Gallener Künstlers Hans Thomann. Sie zeigt einen Menschen, der, egal, wie sehr man ihn dreht, immer aufrecht stehen bleibt und so einen klaren Kopf bewahrt. Ein Sinnbild, das eine schöne Verbindung zum Widerstandskämpfer Georg Elser aufzeigt, der Namensgeber der Auszeichnung ist und in Konstanz eine Zeit lang in einem Haus lebte, das heute der Crescere-Stiftung gehört. Die Bronzeskulptur wurde extra für den Preis angefertigt und wird fortan jährlich verliehen.

Was Sie (vielleicht) noch nicht gewusst haben
Und wer eigentlich war Stiftungsgründer Thomas Seger? Zunächst: Dass sein Name nicht in dem seiner Stiftung auftaucht, macht schon deutlich, dass es sich um einen Menschen handelte, für den Bescheidenheit eine Zier war. Und genau so beschrieben ihn Wolfgang Münst und Stephan Tögel auch, als sie die Stiftung im Juli 2022 der Öffentlichkeit vorstellten.
Seger habe sehr zurückgezogen in Konstanz gelebt und sei öffentlich nicht in Erscheinung getreten. Der Ingenieur habe gut verdient, bescheiden gelebt und ein hohes Interesse am Börsenhandel gehabt – und sei so zu einem zweistelligen Millionenvermögen gekommen, das in Wertpapieren und Immobilien angelegt sei. Da er selbst keine Familie hatte, habe er den Entschluss gefasst, mit seinem Geld Gutes zu tun. Und zwar in seinem Sinne. Im Sinne der Demokratie.