Ein Leser berichtet dem SÜDKURIER von seiner Furcht vor jugendlichen Gruppen auf den Konstanzer Straßen. „Es mag zwar absurd klingen, aber es gibt Gründe, warum ich öfters beim Spazieren ein Messer bei mir trage“, schreibt er – und schildert einen Überall auf ihn an der Bushaltestelle vor dem Wollmatinger Rathaus.

Der Mann, der im Schreiben an die Lokalredaktion seinen Namen nicht nannte, glaubt, Konstanz habe ein Problem mit Kriminellen. Die Stadt sei unsicher, und die Polizei unternehme nichts dagegen. Deshalb gehe er in Wollmatingen nur ungern auf die Straße. Sind diese Ängste berechtigt? Wie sicher sind die Straßen in Konstanz? Und was sagen Polizei und Stadtverwaltung dazu?

Straftaten gehen zurück

Andreas Breuning, Leiter des Polizeireviers Konstanz, teilt mit: „In den vergangenen fünf Jahren ist die Zahl der registrierten Straftaten in Konstanz stetig zurückgegangen.“ Wurden 2016 noch 7645 Straftaten in Konstanz begangen, waren es 2020 lediglich 5133.

Andreas Breuning, Leiter des Polizeireviers Konstanz.
Andreas Breuning, Leiter des Polizeireviers Konstanz. | Bild: Timm Lechler/SK-Archv

Nur im Jahr 2019 haben es zahlenmäßig wieder einen Anstieg der Straftaten gegeben. Dies lasse sich aber durch ein großes Betrugsverfahren mit etwa 800 Fällen erklären. „Rechnet man das heraus, setzt sich der positive Trend auch 2019 fort“, so Breuninger.

Auch wenn das vergangene Jahr durch die Corona-Pandemie gesondert betrachtet werden müsse, sei der Trend eindeutig. Innerhalb des Landkreises liege Konstanz auch deutlich hinter Singen, was die Zahl der Delikte pro Einwohner angehe. Im nationalen Vergleich findet sich Konstanz ebenfalls nicht unter den gefährlichsten Städten Deutschlands – eher unter den sichersten.

Nur wenige Körperverletzungen

Doch wie sieht es auf den Konstanzer Straßen aus – lauern hier gefährliche Jugendbanden? Es stimme, dass der öffentliche Raum ein wesentlicher Faktor für Kriminalität sei, sagt Breuning. „Das hat der Lockdown im vergangenen Jahr gezeigt.“

Denn die meist alkoholbedingten Straftaten durch größere Zusammenkünfte bei Veranstaltungen sowie im Umfeld von Clubs und Diskotheken hätten 2020 kaum stattgefunden. Soll heißen: Sie verlagerten sich mehr in den öffentlichen Raum. Gefahr für Leib und Leben bestand offensichtlich aber auch zuvor nicht.

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„Bei etwa zwei Dritteln der Fälle handelt es sich um Diebstähle sowie Vermögens- und Fälschungsdelikte“, sagt der Leiter des Reviers. Körperverletzungen würden mit 480 Fällen im Jahr – also etwa 1,3 pro Tag – nur eine geringe Rolle spielen. Zudem sei hier die Aufklärungsquote besonders hoch – sie liege bei über 90 Prozent, drei Prozentpunkte mehr als 2019. Über alle Straftaten hinweg lag die Quote im vergangenen Jahr durchschnittlich bei knapp 60 Prozent.

Keine Kriminalitäts-Hotspots

Aber stimmt der Eindruck des anonymen Absenders, dass es vor allem in Wollmatingen gefährlicher ist? Die Statistik zeigt etwas anderes: Laut Andreas Breuning passierten etwa 40 Prozent der registrierten Straftaten in der Altstadt oder in Petershausen – deutlich mehr als in Wollmatingen oder im benachbarten Industriegebiet.

Zudem zeige die Polizei in Schwerpunktgegenden ohnehin eine stärkere Präsenz und leiste dort mehr Ermittlungsarbeit. Insbesondere in Gegenden wie dem Herosé-Park oder am Bahnhof, wo es zu größeren Zusammenkünften komme, führe die Polizei häufiger Kontrollen durch und arbeite eng mit der Stadt Konstanz zusammen.

Dem stimmt Walter Rügert, Pressereferent der Stadtverwaltung, zu: „Sicherlich gibt es bestimmte Plätze, die insbesondere am Ufer von See und Seerhein liegen, an denen mehr Leute zusammenkommen.“

Walter Rügert, Pressereferent der Konstanzer Stadtverwaltung.
Walter Rügert, Pressereferent der Konstanzer Stadtverwaltung. | Bild: Larissa Hamann/SK-Archiv

An Treffpunkten wie dem Herosé-Park, am Schänzle oder in der Seestraße komme es dann vermehrt zu Konflikten und Lärmbeschwerden. „Straftaten passieren aber nach unserer Kenntnis nur in Einzelfällen, sodass wir in Konstanz keinen Bereich als Kriminalitätsschwerpunkt bezeichnen würden“, ergänzt Rügert.

Der Absender ders anonymen Schreibens zeigt sich besonders besorgt über kriminelle Jugendliche. Doch auch hier gibt Andreas Breuning Entwarnung: „Der Anteil der unter 21-Jährigen nimmt in den letzten Jahren stetig ab, 2020 waren es nur 513 von 2437 ermittelten Tatverdächtigen.“ Auch der Anteil nichtdeutscher Verdächtiger gehe stark zurück.

Vor allem in den stark frequentierten Bereichen würden das Sozial- und Jugendamt, die Polizei und das Bürgeramt mit dem Präventionsrat und dem Kommunalen Ordnungsdienst eng zusammenarbeiten, sagt Rügert. „Auch zur Prävention bestehen interdisziplinäre Arbeitsgruppen und Kooperationen zwischen Jugendarbeit, Polizei, Bewährungshilfe und Bürgeramt.“

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Zudem seien die Mitarbeiterinnen der Mobilen Jugendarbeit als Streetworker in den verschiedenen Stadtteilen, vor allem in Wollmatingen, Petershausen und dem Industriegebiet, unterwegs, um Zugang zur Zielgruppe zu bekommen und bestehende Kontakte zu pflegen, berichtet Mandy Krüger, Pressesprecherin der Stadtverwaltung.

„Hotspots, an denen explizit kriminell agiert wird, sind der Mobilen Jugendarbeit nicht bekannt“, versichert Krüger. Es gebe zwar Orte mit höherem Aufkommen an jungen Menschen, beispielsweise rund um den Zähringerplatz oder am Herosé-Park. „Doch ein Trend bezüglich Kriminalität ist dort nicht zu beobachten“, sagt sie.

Kriminalität verlagert sich ins Netz

Doch nicht immer stimmen objektive Gefahr und subjektives Sicherheitsempfinden Einzelner überein – das weiß auch Polizeidirektor Andreas Breuning: „Der Notruf wird häufiger als früher missbräuchlich gewählt – beziehungsweise in Fällen, in denen ein Notruf nicht zwingend erforderlich wäre.“

Durch neue Kriminalitätsformen im Internet habe sich zudem das Verhalten der Bevölkerung geändert. Durch die Möglichkeit, Anzeigen bei der Polizei auch über das Internet zu erstatten, sei die Hemmschwelle zu diesem Schritt deutlich geringer geworden. „Der Anteil der online erstatteten Anzeigen nimmt Jahr für Jahr zu“, berichtet Breuning.

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Gleichzeitig zeigt die Statistik: Im Durchschnitt haben die Konstanzer keine Furcht vor kriminellen Übergriffen. Zumindest war das vor drei Jahren der Fall. Einer deutschlandweiten Umfrage des Urban Audit von 2018 zufolge, fühlten sich 78 Prozent der Befragten in der Stadt sicher oder eher sicher. Damit liegt Konstanz im nationalen Vergleich auf Platz eins – gemeinsam mit Würzburg.

In der eigenen Wohngegend steigt der Anteil sogar auf 86 Prozent – Platz zwei hinter Würzburg. Zudem sei die empfundene Angst in jenen Bevölkerungsgruppen höher, die seltener Opfer einer Straftat werden, verrät der Konstanzer Polizeidirektor Andreas Breuning. „Zum Beispiel haben junge Männer weniger Angst, Opfer von Gewaltkriminalität zu werden, als ältere Frauen – obwohl sie [die jungen Männer, Anm. d. Red.] häufiger betroffen sind.“

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