So viele Bürger wie selten kommen zur Sitzung des Gemeinderats. Ihr Anliegen ist ihnen wichtig: Sie wollen Mitsprache. Die CDU hatte bereits vor der Kommunalwahl einen entsprechenden Antrag gestellt, dass Wollmatingen die Möglichkeit der Mitbestimmung bekommen soll.
Das Thema steht auf der Tagesordnung, doch Oberbürgermeister Uli Burchardt setzt ihn ab und verweist ihn zur Vorberatung in den Haupt-, Finanz- und Klimaausschuss (HFK). Vom Tisch ist es damit trotzdem nicht, denn in der Bürgerfragestunde melden sich Wollmatinger zu Wort.
„Mehr Mitsprache und Mitbestimmung für Wollmatingen“ lautet die Forderung, macht Horst Oehri vor dem Gemeinderat deutlich. Innerhalb von zwölf Tagen hatten die Initianten 814 Unterschriften gesammelt. „Eine ordentliche Menge“, wertet Oehri, der dem OB die Listen überreicht.

OB geht es um Gleichbehandlung
„Ein eindrucksvoller Vortrag“, stellt Burchardt fest. Der Wunsch sei angekommen, aber als Verwaltung gelte der Grundsatz der Gleichbehandlung. Andere Stadtteile müssten ebenso berücksichtigt werden; in Allmannsdorf wünsche man sich das auch.
In seinem ersten OB-Wahlkampf sei Burchardt auch dafür eingetreten. „Das war damals aber rechtlich nicht möglich“, so Burchardt. Allerdings habe er sich dafür eingesetzt, dass die Landesregierung die Gemeindeordnung dementsprechend ändere und es jetzt die Möglichkeit der Bezirksbeiräte gebe.
„Wir müssen auf die ganze Stadt schauen“, so der OB. Es handle sich also um ein großes Thema, das ordentlich beraten werden müsse. Dies werde zunächst am 14. November in öffentlicher Sitzung des HFK getan, bevor der Gemeinderat debattiere.
Es geht um Mitspracherecht
„Ich habe den Antrag verbrochen“, stellt sich der vormalige CDU-Stadtrat Daniel Groß vor den Gemeinderat. Es sei kein faules Ei, das er lege, vielmehr habe sich ein kleines Gremium der Wollmatinger dezidiert mit der möglichen Umsetzung beschäftigt.
Die Wollmatinger wollen mehr Mitsprache, denn es gebe viele Aufgaben zu bewältigen, die den Stadtteil betreffen, unter anderem der Hafner. Einen Bezirksbeirat wollten die Wollmatinger nicht, sondern einen eigenen Ortschaftsrat, wie in Karslruhe-Durchlach bereits durchgesetzt worden sei.
Zwangseingemeindung anno 1934
Wollmatingen wurde – wie Durchlach auch – während des Dritten Reiches zwangseingemeindet, stellt Daniel Groß fest. Durlach habe als Wiedergutmachung der Zwangseingemeindung erreicht, dass eine eigene Ortsverfassung und ein Ortschaftsrat zugestanden wurden. Das wollen die Wollmatinger jetzt auch.
Groß verweist zudem auf den Eingemeindungsvertrag zwischen Konstanz und Wollmatingen, wo ein Gemeindesekretariat nebst Zahlstelle in Wollmatingen vorgesehen war. „Das war quasi eine Ortsverwaltung“, so Groß. Auch Standesamt, polizeiliche Meldestelle und einiges mehr sollten in der vormalig selbständigen Gemeinde belassen werden, berichtet er weiter aus dem Vertrag. Die Wollmatinger applaudieren dem Redner laut und lang, bevor sie wieder den Ratssaal verlassen und vor der Türe weiterdiskutieren.
Wollmatinger verschaffen sich Gehör
„Seitdem Litzelstetten, Dingelsdorf und Dettingen eingemeindet wurden und eine eigene Ortsverwaltung und einen Ortschaftsrat bekommen haben, ärgere ich mich, dass Wollmatingen all das nicht hat“, sagt Ruth Trempa. „Ein altes Kümmernis. Ich fand das immer ungerecht“, so die gebürtige Wollmatingerin.

Mitsprache, und zwar so schnell wie möglich, will auch Jasmin Oehri. Der Grund: „Weil vieles geschieht und wir es erst hinterher erfahren.“ Sie nimmt die Dorfmitte als Beispiel, wo alte, prägende Häuser abgerissen und modernen Wohnkomplexen weichen sollen. „Da blutet mein Herz“, so Oehri.

Die Ortsmitte beschäftigt auch Klara Trummer. „Keiner will, dass sie zerstört wird. Kirche, Gasthaus, Rathaus: Eine selbständige Gemeinde käme nie auf die Idee, ein solches Ensemble zu zerstören.“ Sie hofft, dass der Abbruch der erhaltenswerten Bausubstanz noch verhindert werden kann, zumal auch Sinn und Zweck einer Ortsmitte konterkariert würde, wenn es „mehr Wohnen als anderes gibt“.
Dass der Antrag nun erst im HFK behandelt wird, das findet Klara Trummer „bescheiden“, denn der Antrag sei Ende April gestellt worden. „Dass es ein halbes Jahr braucht und dann vertagt wird: da hätte schon Vorarbeit geleistet werden können“, findet sie.

„Prinzipiell ist es wichtig, dass die Bürgerschaft beteiligt wird“, betont Eva Eisenbarth. Dass „der Dorfkern mit Linde und Löwen plattgemacht wird“, ärgert sie. Gerade im Hinblick auf den Hafner sei es dringend notwendig, dass die Wollmatinger mitreden und mitentscheiden könnten.

„Was will ich mit einem Beirat, der nichts zu sagen hat? Wir wollen einen Ortschaftsrat“, sagt Kilian Stadelhofer und fügt an: „Die haben doch nur Angst, dass Allmannsdorf auch einen Ortschaftsrat will, was ihnen eigentlich auch zustehen würde.“
Worum es ihm im Grundsatz geht: „Wir wollen auch mal gefragt werden. Wir wurden ja auch nicht gefragt, ob der Hafner Nord gemacht werden darf.“ Doch nicht nur das: „Auf linksrheinischer Seite wird investiert, rechtsrheinisch passiert nichts und in Wollmatingen schon gar nichts. Das ärgert, wenn man sieht, wie sonst das Geld versemmelt wird.“

„Wir fühlen uns absolut angehängt und fremdbestimmt“, ergänzt Elisabeth Stadelhofer. „Für alles Unnötige hat man Geld. Unsinniger Fahrradbunker, Bahnhofvorplatz, das ist Geldvernichtung. Und in Wollmatingen hat man nicht mal Geld, um das Gras am Straßenrand zu entfernen“, macht sie ihrem Ärger Luft.

„Ganz wichtig ist eine eigene Vertretung, weil wir uns nirgends bemerkbar machen können und nicht gehört werden“, formuliert Peter Franzl. „Die Stadtratsfraktionen interessieren sich nicht für Wollmatingen; die meisten wohnen woanders. Deshalb wollen wir einen Ortschaftsrat, der sich um unsere Belange kümmert.“