Das Szenario ist schon zig-fach erprobt: Wenn sich am Bodensee in der Sommersaison Stechmücken auf die Jagd nach Menschenblut machen, leert sich am frühen Abend auch die schönste Ausflugsterrasse. Der Aufenthalt an einem solchen Ort oder anderswo in der freien Natur kann ohne entsprechende Vorsichtsmaßnahmen zu bestimmten Tageszeiten unangenehm bis quälend werden. So stellt sich in jedem Frühsommer die Frage neu: Wie steht es diesmal um die Entwicklungsmöglichkeiten der Blutsauger? Ist mit einem starken Schnakensommer zu rechnen?
Mehr Stechmücken zu erwarten
Karl-Otto Rothhaupt, langjähriger Leiter des Limnologischen Instituts der Universität Konstanz, hat am Mittwoch zu dieser Frage eine Prognose abgegeben. „Ich rechne damit, dass wir in den nächsten Wochen mehr Stechmücken bekommen“, sagte Rothhaupt. Der Biologe und Hochschulprofessor sieht sich selbst nicht als ausgewiesenen Experten für Stechmücken an, Schnaken sind an der Konstanzer Universität nicht Gegenstand der Forschung.
Dennoch fällt es Rothhaupt nicht schwer, seine Einschätzung zu begründen: Das Ansteigen des Seepegels auf über vier Meter schaffe nämlich günstige Bedingung für die Entwicklung der dominierenden Stechmückenart Aedes vexans. Steige der Wasserstand über die Vier-Meter-Marke (Pegel Konstanz am Mittwoch: 4,14 Meter), dann würden jene Uferzonen überflutet, wo Stechmücken ihre Eier ablegen.
Sieben Tage von der Larve zur Mücke
Wenn Wasser die Eiablageplätze überschwemmen, bieten sich erst die notwendigen Entwicklungsmöglichkeiten für die Schnaken. Ideale Bedingungen bestehen beispielsweise im humusreichen Bodensubstrat in den Schilfgebieten. Kommt dann noch die Wärme hinzu, geht es sehr schnell. Nur sieben Tage dauere es unter günstigen Bedingungen, bis aus der Larve eine Mücke werde, wie der Gewässerbiologe Rainer Bretthauer bei anderer Gelegenheit einmal erläutert hat.

Am Bodensee ist es Konsens, dass Stechmücken, auch wenn sie zur Plage werden, nicht im großen Stil mit einem biologischen Wirkstoff (BTI) bekämpft werden, wie dies zum Beispiel am Oberrhein von der Kommunalen Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage (KABS) praktiziert wird. Der Grund: Wissenschaftler gehen davon aus, dass dieser Wirkstoff, der die Entwicklung der Stechmücken verhindern soll, nicht nur den Hauptfeind Aedes vexans träfe, sondern auch andere Arten, die zum Beispiel für die Ernährung von Fischen wichtig sind. Am Ende wäre der ökologische Kreislauf am großen Binnengewässer Bodensee gestört oder sogar zerstört.
Auswirkungen auf andere Arten noch unerforscht
In diesem Zusammenhang hält der Wissenschaftler Karl-Otto Rothhaupt zumindest ein kleines Forschungsprojekt am Limnologischen Institut der Uni Konstanz für denkbar. In einigen vorhandenen Versuchsbecken könne man günstige Lebensbedingungen für verschiedene Schnakenarten schaffen und auch testen, ob der am Oberrhein zur Bekämpfung der Hauptstechmückenart eingesetzte Stoff hier weitere Arten träfe. „Wir hätten ein Testsystem, ohne den See beeinträchtigen zu müssen“, erläutert Rothhaupt. Es wäre ein Projekt mit Nähe zur Lebenswirklichkeit der Menschen. Vielleicht fände sich in der Ferienregion sogar ein Finanzier.
Nur keine Panik
Wie geht die Tourismuswirtschaft mit dem Thema Stechmücken um? „Entspannt“, versichert Jürgen Ammann, Geschäftsführer der Internationale Bodensee Tourismus GmbH. „Wer Natur sucht, ist am Bodensee genau richtig“, stellt er fest. Von Seiten der Tourismusorganisationen werde eine mögliche Belästigung von Feriengästen durch Schnaken nicht auffällig thematisiert. Ammann: „Wir empfehlen generell dieselben Maßnahmen wie auch in anderen Regionen dieser Welt.“ Sich auf die Gegebenheiten einzustellen, sei Teil persönlicher Reisevorbereitung. (fdo)