Mal eben in Engen im Seehas Platz nehmen und ohne umzusteigen nach etwa anderthalb Stunden in St. Gallen wieder aussteigen, dieses Zukunftsszenario wird sinngemäß von der Initiative Bodensee-S-Bahn beschrieben. Sie nimmt Stellung zu einer Studie des Büros sma zur Schaffung eines grenzüberschreitenden S-Bahn-Netzes und einer besseren Anbindung der Bodenseeregion ans überregionale Eisenbahnnetz. Ihren Ursprung hat die Studie in der Schweiz und trägt den Namen Agglo-S-Bahn, abgeleitet vom Begriff Agglomeration. Auf der deutschen Seite könnte man ihn Region nennen.
Am Zuschnitt dieses Regionenbegriffs wird deutlich, dass die Schweizer in Sachen öffentlichem Personennahverkehr nicht an der Grenze Halt machen wollen, denn für Kreuzlingen und Konstanz gibt es ein eigenes Programm. An den Überlegungen zur Schaffung einer grenzüberschreitenden Bodensee-S-Bahn sind auch deutsche Stellen beteiligt. Und beide Seiten können schon jetzt eine Infrastruktur vorweisen, die einen schnellen ersten Schritt zu einem Ziel ermöglichen könnte, das noch in ferner Zukunft liegt.
Erster Schritt: Seehas und S-Schnellzug zusammenlegen
Die Initiative Bodensee-S-Bahn greift die Ergebnisse der Studie auf und drängt auf Maßnahmen, die kurzfristig und ohne Baumaßnahmen zu erreichen sind. Bestes Beispiel wäre die Zusammenlegung von zwei Verbindungen: zum einen der Seehas auf deutscher Seite, zum anderen der S-Schnellzug auf Schweizer Seite. Die Initiative schreibt dazu in einer Stellungnahme zu der Studie: „Der Seehas hat eine einmalig günstige Fahrplan-Konstellation in Bezug auf die stündlich verkehrende Schnellverbindung Konstanz – St. Gallen – Herisau. Zudem treffen die beiden Züge auf demselben Bahnsteig ein respektive fahren dort ab.“ Besagter Bahnsteig befindet sich auf dem Konstanzer Hauptbahnhof.
Für die Initiative ist es naheliegend, dass diese beiden Linien problemlos zusammengehängt werden könnten. Man müsste nur durchgehend die auf der Seehaslinie verwendeten Züge verwenden. Besonders attraktiv wäre dies nach Ansicht der Initiative, weil der grenzüberschreitende Verkehr derzeit noch fast vollständig auf der Straße abgewickelt wird. Mit höherem Aufwand bei der Abstimmung der Fahrpläne wäre eine Alternative verbunden: die Verlängerung des im Stundentakt fahrenden Regionalexpresses St. Gallen – Konstanz.
Die Alte Rheinbrücke ist das Nadelöhr
Weitere Optimierungen der grenzüberschreitenden Bahnverbindungen stoßen dann aber doch noch an Grenzen. Allerdings beim doppelgleisigen Ausbau der Bahnstrecken. Ausgerechnet kurz vor dem Konstanzer Bahnhof wird die Strecke eingleisig und führt dann auch noch über die Alte Rheinbrücke. Hier ein zweites Gleis zu schaffen wäre nach Ansicht der Initiative Bodensee-S-Bahn räumlich machbar, da es für Autos etwa anderthalb Kilometer westlich die in Richtung Schweiz führende Brücke über den Seerhein gebe. Daher könnte eine der fünf Straßen-Fahrspuren entfallen.
Fachbüro macht Vorschläge für zwei Spuren
In diesem Zusammenhang erwähnt die Initiative einen Neubau der Straßenbrücke, der bald erfolgen müsse. Die Stadt Konstanz ist in die Überlegungen eingebunden und es gibt auch eine Machbarkeitsstudie zur Doppelspurigkeit zwischen dem Bahnhof Petershausen und dem Hauptbahnhof. Ein Vorschlag des Planungsbüros Ramboll sieht auf der Ostseite der Alten Rheinbrücke den Rückbau der Fußgängerbrücke und den Neubau eines zweiten Gleises auf einer Stahlkonstruktion vor. In diese könnte den Planern zufolge der seeseitig gelegene Gehweg integriert werden. Über konkrete Pläne für einen Neubau könne man laut Pressesprecher Walter Rügert seitens der Stadt aber nichts sagen, dies sei Sache der Bahn.
Die folgenden Engpässe in Richtung Hauptbahnhof hält die Initiative ebenfalls für lösbar, indem das heutige Gleis zur Seite verschoben wird, um Platz für ein zweites zu machen.
Kompliment an die Schweizer aus dem Kreistag
Die Machbarkeitsstudie war auch Thema in der jüngsten Sitzung des Technischen und Umweltausschusses des Kreistags. Frank Dombrowski, stellvertretender Leiter des Amts für Nahverkehr und Straßen, zollte dem Nachbarland Respekt: „Am Agglomerations-Programm erkennt man, wie weit in der Schweiz gedacht wird.“ Denn hier geht es nicht um eine Planung für die nächsten fünf Jahre, sondern darum, den Menschen nach dem Jahr 2040 bessere Verkehrsverbindungen zu ermöglichen. Auch wenn laut der Studie heute noch niemand wissen kann, wie sich das Mobilitätsverhalten bis dahin entwickelt. Die Studie geht aber davon aus, dass regionale S-Bahn-Linien weiterhin das Rückgrat des Verkehrssystems darstellten und den Hauptanteil der Verkehrsnachfrage abdeckten.

Dombrowski schränkte aber ein, dass vor einer weiteren Planung die Zweigleisigkeit auf der Alten Rheinbrücke geklärt sein müsse. Zu diesem Aspekt merkte FDP-Kreisrat Georg Geiger an, dass die Deutsche Bahn und die Schweizerischen Bundesbahnen zu den Ideen in der Studie noch nicht gehört worden seien. Grundsätzlich äußerte er sich aber positiv: „Das Agglomerations-Programm enthält viele gute Ideen. Wir sollten es in den beantragten Schienengipfel einbinden.“
Im Viertelstundentakt von Radolfzell nach Konstanz
Auch eine weitere Überlegung des Büros sma findet allseits Gefallen: Eine S-Bahn-Verbindung des Seehas mit der Wirkung eines Viertelstundentakts von Radolfzell bis Konstanz und dort eine Aufspaltung in die Richtungen Romanshorn und Weinfelden.
Was die Initiative außerdem vorschlägt
Die Überlegungen der Initiative Bodensee-S-Bahn befassen sich nicht nur mit der Seehas-Strecke, sondern auch mit mehreren anderen Verbindungen.
- Schwarzwald-Express: Die Verlängerung des von Karlsruhe kommenden Schwarzwald-Express könnte eine Verbindung bis nach Graubünden ermöglichen. Von Stuttgart kommend, müssten die Fahrgäste nur einmal in Singen umsteigen. Die Initiative betont: „Die Touristengebiete Schwarzwald, Bodensee, Vorarlberg, St. Gallen und Graubünden brauchen für eine nachhaltige Entwicklung attraktivere Bahnverbindungen.“
- Frauenfeld – Kreuzlingen: In Konstanz und Kreuzlingen leben insgesamt über 106 000 Menschen. Sie verdienen nach Ansicht der Initiative eine ebenso gute Erschließung wie andere vergleichbar große Regionen. Auf einer Neubaustrecke könnte man in zwölf Minuten von Kreuzlingen nach Frauenfeld kommen.
- Basel – Chur: Diese 300 Kilometer lange Strecke über Singen und Konstanz ist laut der Initiative auf 100 Kilometern noch einspurig. Hier sollte eine durchgehende Doppelspurigkeit geschaffen werden. Die geplanten Ausbauten im Raum Konstanz-Kreuzlingen seien ein wichtiger Teil davon. Durch Optimierungen verspricht sich die Initiative eine Entlastung der innerschweizerischen Hauptverkehrsachse Basel – Olten – Zürich – Chur.