Ob Henne, Stolz, Metz oder Stärk: Es gibt mehrere Namen, die im Kreis von Bürgermeistern in der Region öfter erklingen. Denn es ist nicht nur ein Mitglied dieser Familien Bürgermeister, sondern es sind mindestens zwei – und bald womöglich sogar drei. Denn nach Rainer Stolz in Stockach und seinem Sohn Christoph in Bodman-Ludwigshafen will nun auch Philipp Stolz Bürgermeister werden – von der Reichenau. Zufall?

„Es gibt tatsächlich Bürgermeister-Familien“, sagt Paul Witt. Der Steißlinger war jahrelang Rektor der Hochschule für öffentliche Verwaltung Kehl und hält dort bis heute Vorlesungen zur Kommunalpolitik. Witt zählt Beispiele auf: Familie Henne, wo Vater Alois für 37 Jahre als Bürgermeister in Sigmaringendorf wirkte und sein Sohn Johannes in Immenstaad und sein Sohn Matthias in Bad Waldsee gewählt wurden. Familie Stolz.

Und da wäre etwa Familie Metz, deren Vater Bruno seit 1995 in Ettenheim arbeitet und Sohn Tobias seit 2018 der Bürgermeister von Endingen ist. Im Hegau gibt es außerdem Familie Stärk: Patrick Stärk ist Bürgermeister von Mühlhausen-Ehingen, sein Bruder Manuel in Immendingen.

Familienvorbilder prägen Leidenschaft für Kommunalpolitik

Das könnte an positiven Vorbildern liegen: „Eine Leidenschaft für Kommunalpolitik muss vorhanden sein“, beschreibt es Paul Witt. In seinen Seminaren seien häufig Menschen, deren Vater oder Großvater sich bereits politisch engagiert habe, etwa im Gemeinderat. Ein solches Beispiel findet sich ebenfalls im Hegau: Der Vater des Hilzinger Bürgermeisters Holger Mayer, Reinhold Mayer, ist Ortsvorsteher des Engener Teilorts Biesendorf.

Paul Witt war viele Jahre Rektor der Hochschule für öffentliche Verwaltung Kehl. Er hat beobachtet: „Es gibt tatsächlich ...
Paul Witt war viele Jahre Rektor der Hochschule für öffentliche Verwaltung Kehl. Er hat beobachtet: „Es gibt tatsächlich Bürgermeister-Familien.“ | Bild: Renée Arnold

Bei den Brüdern Stolz war es ähnlich, wie sie auf Anfrage – und unabhängig voneinander – berichten. „Was mich schon als Jugendlicher an diesem Beruf gereizt hat, war das Engagement für die eigene Gemeinde und die Herausforderung, in einer komplexen Umwelt langfristige Entscheidungen treffen zu dürfen und dafür Verantwortung zu übernehmen. Das waren schließlich auch Punkte, die ich jeden Abend am Küchentisch mitnehmen durfte“, erklärt Philipp Stolz.

Familie Stolz im Wahljahr 1993 an der Nellenburg: Links Mutter Gudrun mit Zwilling Philipp, rechts Vater Rainer mit Zwilling Christoph, ...
Familie Stolz im Wahljahr 1993 an der Nellenburg: Links Mutter Gudrun mit Zwilling Philipp, rechts Vater Rainer mit Zwilling Christoph, vorne in der Mitte Lena und rechts vorne Maren. | Bild: SK-Archiv

Manche sagen: „Das tu ich mir nicht an“

Paul Witt erlebte in all den Jahren unter seinen Studenten beide Lager: Diejenigen, die dem Vorbild des Vaters folgen – weibliche Vorbilder gibt es bislang kaum, das Amt war sehr lange männlich -, und diejenigen, die das für sich ausschließen. „Das tu ich mir nicht an“, habe eine Studentin beispielsweise gesagt. Denn es mache einen Unterschied, ob man einen Wahlkampf führen und bezahlen muss oder vom Gemeinderat gewählt wird, wie es etwa bei Beigeordneten in größeren Städten wie Singen der Fall ist. Außerdem sei man als Bürgermeister oder Bürgermeisterin an vorderster Front, wie Witt es ausdrückt.

Familienfoto vom Wahlabend 2023, als Christoph Stolz (Mitte) zum Bürgermeister von Bodman-Ludwigshafen gewählt wurde. Neben Schwester ...
Familienfoto vom Wahlabend 2023, als Christoph Stolz (Mitte) zum Bürgermeister von Bodman-Ludwigshafen gewählt wurde. Neben Schwester Maren (von links) und Vater Rainer Stolz feiern das auch Mutter Gudrun und Bruder Philipp. | Bild: Christoph Stolz

Christoph Stolz schildert das in Teilen ähnlich: Als Familie hätten sie natürlich auch mitbekommen, wie unglaublich zehrend dieses Amt sein kann und was der Vater alles für diesen Beruf, für die Stadt und die Menschen geopfert habe. Er nennt Nebenbegleiterscheinungen wie wenig Zeit, wenig Privatsphäre, Stress, Druck, Bedrohungen oder Anfeindungen. Als Kind und Jugendlicher mit einem Bürgermeister-Vater sei es außerdem auch vorgekommen, dass er seinen Vater vermisst habe – oder ihn gegen unfaire Vorwürfe verteidigen musste oder vielmehr wollte. „Da gab es durchaus auch mal Raufereien in der Schule oder auf dem Heimweg.“

Doch in keiner anderen Position in der öffentlichen Verwaltung könne man so viel gestalten. „Und ich habe auch gespürt, dass sich gesellschaftlich langsam ein etwas modernerer Blick auf den Bürgermeister durchsetzt, der diesem auch zugesteht, mal bei seiner Familie sein zu wollen und zu dürfen.“ Das habe dazu beigetragen, dass er sich während den Jahren in Deizisau, wo er stellvertretender Hauptamtsleiter war, für den Beruf entschied.

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Gute Tipps vom Bürgermeister-Vater?

Besonders im Wahlkampf kann es laut Paul Witt von Vorteil sein, bereits einen Bürgermeister in der Familie zu haben und dessen Erfahrungen nutzen zu können. „Ich kann mir vorstellen dass ein Bürgermeister-Vater seinen Kindern gute Tipps gibt“, so Witt. „Aber Wahlkämpfe verändern sich auch, vor 30 bis 40 Jahren ist das anders abgelaufen.“ Und Kontakte könnten ein Vorteil sein, müssen aber nicht – denn spätestens wenn jemand im Amt sei, ergeben diese sich quasi von alleine.

„Die Bürger wollen keinen Kronprinzen“

Eine zu aktive Rolle eines Familienmitglieds mit Bürgermeister-Erfahrung könne aber sogar ein Nachteil sein: „Es würde nicht gut ankommen, wenn der Papa Wahlkampf für seinen Sohn machen würde. Aber das wissen die Väter auch.“ Und das wissen auch Brüder: Christoph Stolz legt Wert darauf, dass er sich als Privatperson zu dem Thema äußert und nicht in den Reichenauer Wahlkampf einwirken möchte, etwa wenn es um eine mögliche künftige Zusammenarbeit unter Bürgermeister-Brüdern geht. Philipp Stolz betont außerdem: „Aus meiner Perspektive sagt der Beruf meines Vaters nichts über meine Qualifikation für dieses Amt aus. Hier lasse ich lieber meine eigene Vita für sich sprechen.“

Entscheidend seien etwaige Vorteile ohnehin nicht, sagt auch Paul Witt, denn der Kandidat müsse mit seiner Person und seinen Zielen die Wähler überzeugen. „Die Bürger wollen keinen Kronprinzen.“ Und wie ein Bürgermeister oder eine Bürgermeisterin arbeite, hänge wiederum nicht von einer familiären Prägung ab, so der Experte: „Ich glaube nicht, dass es eine Kopie gibt.“ Da müsse jeder seinen eigenen Weg finden und wie der aussieht, hänge auch von den Umständen der jeweiligen Gemeinde ab.

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„Es gibt natürlich Familien, die politisch nahezu identische Haltungen aufweisen, und sicherlich denken mein Bruder und ich in einigen Fällen ähnlich“, sagt dazu Philipp Stolz. Doch jeder habe auch schon immer gewisse unterschiedliche Positionen – und das Schöne sei auch gewesen, dass man sich darüber verständigen konnte. Das ist etwas, was Christoph Stolz sich auch in der „großen Politik“ wünschen würde: „Wir alle haben dasselbe große Ziel vor Augen und setzen uns jeder auf seine Weise dafür ein.“

Offizielle Zahlen zu einem Bürgermeister-Gen seien Witt noch nicht untergekommen, sagt er – auch wenn es ein spannendes, allerdings aufwändiges Forschungsfeld wäre. Seine Beobachtung: „Das gibt es immer wieder, aber ich glaube nicht, dass es sich häuft oder rückläufig ist.“