Unvergessen sind die Fotos leerer, verwaister Straßen während des Lockdowns, ebenso wie die später folgenden Bilder von überfüllten Nord- und Ostseestränden. Auch der Bodensee wurde zum Touristenmagneten. Die Einwohner der touristischen Hotspots haben den Eindruck, es habe noch nie so viele Touristen wie in dieser Saison gegeben und sie hätten selten so viele unterschiedliche deutsche Dialekte gehört.

Manche Städte und Regionen leiden unter Tourismus-Mangel, während die typischen Hotspots, wie beispielsweise Konstanz (Foto) nach wie ...
Manche Städte und Regionen leiden unter Tourismus-Mangel, während die typischen Hotspots, wie beispielsweise Konstanz (Foto) nach wie vor Magnetwirkung haben. | Bild: Scherrer, Aurelia

Dass Deutsche während der Corona-Pandemie ihren Urlaub lieber im eigenen Land verbringen, das können die Tourismusverbände am Bodensee bestätigen, wenngleich ihnen noch nicht alle Zahlen, Daten und Fakten vorliegen.

46 Prozent weniger Übernachtungen

Laut Statistiken „sind die Ankünfte in der Vierländerregion Bodensee im ersten Halbjahr (Januar bis Juni 2020) um 52 Prozent und die Übernachtungen um 46 Prozent eingebrochen“, stellt Markus Böhm fest, Pressesprecher des Verbands Internationaler Bodensee Tourismus (IBT). Damit zitiert er Statistiken des IBT. „Während der Lockdown-Phase und den damit verbundenen Schließungen der Einrichtungen kam der Tourismus nahezu völlig zum Erliegen. Seit den Pfingstferien war beziehungsweise ist die Nachfrage wieder besser“, formuliert er vorsichtig.

Schiffe der Bodenseeschifffahrtsbetriebe (BSB) sind jedes Jahr bei Touristen aber auch Einheimischen sehr beliebt.
Schiffe der Bodenseeschifffahrtsbetriebe (BSB) sind jedes Jahr bei Touristen aber auch Einheimischen sehr beliebt. | Bild: Patrick Seeger

Ein pauschales Urteil kann er nicht fällen, denn die lokalen und regionalen Unterschiede in der Vierländerregion sind zu groß. Es gebe die touristischen Hotspots – Böhm nennt beispielhaft Konstanz, Meersburg und Lindau –, die immer sehr gut besucht seien. Andere Regionen und Städte, wie beispielsweise St. Gallen, wohin üblicherweise vor allem internationale Reisende kämen, hätten keine guten Zahlen vorzuweisen. „Es ist ein sehr komplexes Thema, das man differenziert betrachten muss“, wertet Böhm.

Mehr Touristen im August als im Vorjahr

Ein Blick vom Makro- in den Mikrokosmos und damit in die Region Bodensee-Hegau bestätigt den Eindruck der großen Nachfrage. Auch wenn noch keine genauen Zahlen vorliegen, bestätigt Lucia Kamp, Bereichsleiterin des Vereins Regio Konstanz-Bodensee-Hegau: „Die Nachfrage bei größeren Leistungsträgern in der Region hat ergeben, dass aktuell, im August, mehr Touristen am Bodensee als in den Vorjahren übernachten.“

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Die Zahl der Tagungsgäste und Geschäftsreisenden hingegen sei stark zurückgegangen, ebenso die Zahl der internationalen Gäste. „Auf das ganze Jahr gesehen sind bis dato aber insgesamt deutliche Rückgänge zu verzeichnen – hauptsächlich durch den Zeitraum Mitte März bis Ende Mai 2020“, so Kamp. Zu beobachten sei, dass die Gäste eher Outdoor-Aktivitäten bevorzugen. Das wird auch an der Belegung der Camping-Plätze offenkundig, die laut Kamp „seit der Öffnung gut ausgelastet“ seien. Auffallend sei, dass die Zahl der Wohnmobile zugenommen habe.

Cmapingplätze und Ferienwohnung sind die Gewinner

„Zu den Gewinnern zählen derzeit Campingplätze und Ferienwohnungen. Sie durften nach dem Lockdown bereits vor den Hotels wieder öffnen und sind seither sehr gut gebucht. Vor allem Camping liegt voll im Trend und mit der direkten Lage am Bodensee ist Konstanz hierfür prädestiniert, zum Beispiel mit dem idyllischen Campingplatz Klausenhorn“, wertet Tobias Stoiber, Bereichsleiter Tourismus der Marketing und Tourismus Konstanz GmbH (MTK), aus Konstanzer Sicht.

„Allerdings sind die durch den Lockdown verursachten Einbußen kaum aufzuholen, vor allem vor dem Hintergrund, dass die Campingsaison am See bereits Mitte Oktober endet“, schränkt Regio-Bereichsleiterin Lucia Kamp ein. Ähnliches gelte für die Hotellerie, die zwar mittlerweile gut gebucht sei, der jedoch aktuell noch Bankettveranstaltungen, Busgruppen und Geschäftstouristen fehlten.

Die meisten Urlauber sind Deutsche

„Laut Aussage vieler Leistungsträger profitiert der westliche Bodensee vom allgemeinen Trend in diesem Jahr, seinen Urlaub in Deutschland zu verbringen“, berichtet Lucia Kamp. „Die Gäste kommen überwiegend aus den südlichen und mittleren Bundesländern bis Nordrhein-Westfalen, teilweise auch aus Niedersachsen und Hamburg. Stellenweise ist festzustellen, dass vermehrt junge Familien und junge Paare kommen, die sonst nicht zu unserer Zielgruppe gehört haben.“

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Das kann Tobis Stoiber für Konstanz rundheraus bestätigen: „Durch die Pandemie machen viele Deutsche Urlaub im eigenen Land. Die Anzahl an deutschen Gästen ist in diesem Jahr daher voraussichtlich höher als in den Vorjahren – wir gehen aktuell von über 90 Prozent aus.“ Von den übrigen Gästen komme der Großteil aus Österreich und der Schweiz in die größte Stadt am Bodensee.

Mehr Tagestouristen auf Rad- und Wanderwegen

Auffällig sei auch, dass der Tagestourismus in den klassischen Ausflugsorten, auf Rad- und Wanderwegen und in Strandbädern zugenommen habe. „Dies ist auch darauf zurückzuführen, dass viele Einheimische ihren Urlaub zu Hause verbringen und ihre nähere und weitere Umgebung erkunden“, meint Lucia Kamp.

Sie vermutet, dass auch der Anteil an Besuchen von Freunden und Verwandten am Bodensee zugenommen habe. „Bei den Übernachtungen ist aktuell die Tendenz zur längeren Verweildauer erkennbar“, fügt sie an.

Indoor ist out, Outdoor ist in

„Die Besucherzahlen in Museen sowie die Passagierzahlen auf den Kursschiffen sind rückläufig“, stellt Lucia Kamp fest. „Gefühlt sind deutlich mehr Radtouristen unterwegs – auch viele Einheimische erkunden per Pedal ihre Region“, sagt sie. Hierbei seien E-Bikes sehr beliebt.

Die Schweizerische Schifffahrtsgesellschaft Untersee und Rhein (URh) „hat vergleichsweise erhöhte Fahrradtransporte auf den Schiffen festgestellt. Hier kann die Region Westlicher Bodensee mit gut aufbereiteten thematischen Tourenvorschlägen punkten, die gerne angenommen werden. Dadurch können die Radler auch auf weniger frequentierte Strecken im Hegau, auf dem Bodanrück, dem Schweizer Seerücken oder dem Schiener Berg gelenkt werden.“

Saisonverlängerung um Verluste aufzuholen

Die Einbußen durch den Lockdown können die Unternehmen nicht aufholen, sind sich die Fachleute einig. Strategien für eine Saisonverlängerung, um die Folgen der Krise etwas zu mindern, wurden von der IBT kurzfristig erarbeitet. Sie lanciert jetzt für das verbleibende Tourismusjahr die Einheimischen-Kampagne „Urlaub Zuhause“. „Bewohner der Bodenseeregion erhalten zum Sonderpreis zwei Nächte inklusive Frühstück in ausgewählten Hotels der gesamten Region, von Schaffhausen (Schweiz) bis Dornbirn (Österreich) und von Biberach (Deutschland) bis Malbun (Fürstentum Liechtenstein)“, skizziert Markus Böhm.

Für andere ist die Saisonverlängerung schon längst Gang und Gäbe. Die MTK setzt bereits seit Jahren den Fokus auf die Nebensaison von Mitte September bis Ostern. Denn: „Hier haben wir – anders als in der stets gut gebuchten Hauptsaison – noch ausreichend Kapazitäten und sehen deshalb genau dort das Potenzial“, erläutert Tobias Stoiber und nennt als Beispiele unter anderem herbstliche Schifffahrten und Stadtführungen, die Bodensee-Fischwochen und Adventsführungen.

Angebote vor Einheimische

Die Regio Konstanz-Bodensee-Hegau hat ebenfalls längst nicht nur die Saisonverlängerung im Blick, sondern bereits etablierte Angebote für Einheimische geschnürt, fernab von jedweden Krisenzeiten. Lucia Kamp weist auf einige Aktionen hin: „Das Garten-Rendezvous mit der Insel Mainau, dem Arenenberger Park und über 70 offenen Privat-, Künstler- und Schaugärten“ sei bis fast in den November hinein ein Anziehungspunkt für Einheimische und Gäste. Dies gelte auch für die Premiumwanderwege und das Insel- und Vulkanhopping sowie das Birdwatching, das in den Wintermonaten auf besonderes Interesse stoße.

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Vor allem die Einheimischen im Blick hat Lucia Kamp mit einem weiteren Projekt: „Mit dem Herbst-Hopping im Oktober und November bietet die Region eine spannende Kombination aus besonderen Schiffsrundkursen und Erlebnissen an Land.“