Flugbetrieb, das bedeutet häufig große Passagiermaschinen, Gepäckkontrollen, Radar und lange Landebahnen. Doch es geht auch wesentlich kleiner: Am Flugplatz Stahringen erwarten Flugzeugfans idyllische Wiesen statt einer betonierten Lande- und Startbahn, ein unkomplizierter Ablauf statt einer genau durchgetakteten Planung und jede Menge Eigeninitiative der Flugsportvereinigung (FSV) Radolfzell, die den Platz betreibt.
Einer, der sich genau mit den Vorgängen auf dem Boden und im Luftraum abseits des Radolfzeller Stadtteils auskennt, ist Markus Wassmer. Er ist nicht nur Teil der FSV, sondern auch Fluglehrer – und er weiß, was große Flughäfen wie in Zürich oder Stuttgart von Plätzen wie jenem in Stahringen unterscheidet. Denn Wassmer war Fluglotse bei der Deutschen Flugsicherung, die den Luftverkehr im deutschen Luftraum kontrolliert. Er hat also selbst schon im Kontrollraum gearbeitet.
Gleiche Sprache, weniger Aufwand
Zwischen großen kommerziellen Flughäfen und dem Stahringer Flugplatz kann er kaum Parallelen finden. Sicher, bestimmte Regeln gebe es auch in Stahringen zu beachten und es werde zum Beispiel zur Kommunikation das international gültige Alphabet der International Civil Aviation Organization genutzt. Auch gebe es Checklisten für Piloten und gewisse Vorschriften, etwa was die Flughöhe angeht. Aber generell komme der Flugplatz Stahringen ohne viele Vorschriften aus. „Es ist ein bisschen ein Gefühl von Freiheit und ursprünglicher Fliegerei“, sagt Markus Wassmer.
„In Flughäfen geht nichts ohne Freigaben, nicht einmal zum Rollen“, erklärt der Fluglehrer. In Stahringen sei dagegen keine konkrete Starterlaubnis nötig. Stattdessen achten die Piloten darauf, dass sie keinen anderen Flugzeugen in die Quere kommen oder sonst jemanden gefährden könnten.

Geflogen wird nur bei guter Sicht
Dafür informiere er vor dem Start über Funk darüber, was er vorhat, ebenso vor der Landung. „So können wir unter uns aufpassen, wir erzählen uns einfach alles, was wir so machen“, sagt Markus Wassmer. „Das ist grundlegend anders als bei einem großen Flughafen.“ Allerdings sei dieser Ablauf nur unter bestimmten Umständen möglich: Das Wetter muss stimmen. „Wir können das nur machen, wenn wir gute Sicht haben.“

Außerdem sei dieser Ablauf auch nur möglich, weil es sich um den Flugplatz in Stahringen um einen kleinen Platz handele. Bei viel Betrieb und am Wochenende gebe es auch in Stahringen durchaus eine Flugleitung, die Informationen darüber geben kann, ob die Landebahn frei oder bereits ein anderes Flugzeug im Landeanflug ist. Und zur Sicherheit sei generell immer eine fachkundige Person am Platz: „Sollte ein Unfall passieren, muss jemand den Rettungsdienst informieren“, sagt Wassmer.
Kaum Beschränkungen im Flugraum
Ein wenig mehr zu beachten ist auf dem Flugplatz, wenn ortsfremde Piloten landen wollen. Das ist nur möglich, wenn ihr Flugzeug maximal zwei Tonnen wiegt und sie sich vorab angemeldet haben, wie Markus Wassmer und Tanja Adamski, die ebenfalls zum FSV gehört und beruflich Leiterin des Milchwerks in Radolfzell ist, erklären. Wer sich vor Ort nicht auskenne, dem stehe außerdem eine Unterstützung durch die Flugleitung zur Verfügung. Auch im Internet könne man sich über die Beschaffenheit des Flugplatzes, also etwa die Länge der Landebahn, informieren.
Auch gebe es einen festgelegten Flugweg, der zu den Landebahnen führt, so Wassmer. Dieser müsse von Piloten eingehalten werden, unter anderem damit sie nicht direkt über der Ortschaft Stahringen fliegen und dort für Fluglärm sorgen.
Generell haben die Piloten im Bereich um Stahringen aber große Freiheiten. „Wir haben keinen Flugraum, der irgendwie Beschränkungen unterliegt“, sagt Markus Wassmer erfreut. In dem Bereich kann also ohne vorherige Freigabe geflogen werden, erst ab 10.000 Fuß (etwa 3000 Meter) beginne der geschützte Flugraum, für den eine Erlaubnis nötig ist.
Das sei beispielsweise dann nötig, wenn Fallschirmsprünge geplant sind, denn die Springer werden oberhalb 10.000 Fuß abgesetzt. Anderswo sehe das anders aus, in der Nähe von Flughäfen dürfe so hoch beispielsweise nicht ohne Freigabe geflogen werden.
Bei gutem Wetter ist ganz schön viel los
Ursprünglich habe es sich bei dem Flugplatz in Stahringen um ein Segelfluggelände gehandelt. Nach wie vor besitze der FSV Radolfzell auch eigene Segelflugzeuge. Doch auch Motorflugzeuge und Motorsegler – also Segeflugzeuge, die auch über einen Motor verfügen – gebe es hier. Untergestellt sind außerdem Flugzeuge von Privatpersonen.
Zudem verfügt der FSV über mehrere ehrenamtliche Fluglehrer – dadurch kann dort sogar der Flugschein gemacht werden. „Jeden Samstag und Sonntag muss ein Segel- und ein Motorfluglehrer da sein“, schildert Wassmer – der Verein stecke also viel Zeit in die Ausbildung. Zusammen mit weiteren Flügen, die ab und bis Stahringen stattfinden, komme man bei gutem Wetter so auf etwa 100 Starts und Landungen pro Tag.

Fliegen sei „billiger als Skifahren“
Um den Flugbetrieb am Laufen zu halten, packen die Mitglieder des FSV tatkräftig mit an. „Wir machen fast alles selbst“, erklärt Tanja Adamski. Dazu zählt etwa die Überprüfung und Instandhaltung des Flugplatzes sowie der Flugzeuge. Zu diesem Zweck gebe es auf dem Gelände sogar eine eigene Werkstatt, eine Werkstattleiterin und einen Technikleiter.
Außerdem habe der FSV das große Glück, über ein Vereinsmitglied zu verfügen, das als Prüfer arbeitet und dadurch an den Flugzeugen in Stahringen die regelmäßig vorgeschriebenen Prüfungen erledigen kann. Generell gelinge es dem FSV durch den großen Einsatz der Mitglieder, auch die Kosten so gering wie möglich zu halten.
Überhaupt seien die Kosten fürs Fliegen nicht so teuer, wie manche befürchten. Laut Tanja Adamski und Markus Wassmer zahlen Neumitglieder bei der Flugsportvereinigung eine Aufnahmegebühr, danach werde ein Mitgliedsbeitrag von etwa 350 Euro pro Jahr fällig. Außerdem gebe es eine Gebühr, die für das Fliegen anfällt und an der Länge der Flüge gemessen wird. Dafür können die Vereinsflugzeuge mitgenutzt werden. „Es ist billiger als Skifahren“, ist sich Tanja Adamski sicher.
Dass Mitglieder und Verein eng verbunden sind, zeigt neben dem großen Engagement auch ein weiterer Umstand: Laut Markus Wassmer bleiben Mitglieder der Gemeinschaft und dem Platz oft ein Leben lang verbunden. Sie geben diese Leidenschaft auch weiter: „Es gibt oft Fliegerdynastien“, erklärt Tanja Adamski, also Familien, in denen mehrere Mitglieder das Fliegen für sich entdeckt haben.