Sommer, das bedeutet für viele Menschen Ferienzeit, Entspannung und Erholung. Im Radolfzeller Tierheim dagegen ist an Entspannung derzeit nicht zu denken, denn die Sommermonate bringen für Tiere und Mitarbeiter gleich mehrere Probleme mit sich.

Drohen mit der Aussetzung

„Wir haben viele Fundtiere und Abgabetiere“, erklärt Tierheimleiterin Julia Schuhwerk eines davon. Gemeint sind etwa Haustiere, die von ihren Besitzern abgegeben werden, weil diese sie nicht länger behalten möchten – und das geschehe zum Teil ziemlich rücksichtslos. So werde häufig auch damit gedroht, die Tiere auszusetzen, wenn sie vom Tierheim nicht sofort aufgenommen werden. „Aber das ist eine Straftat“, betont Julia Bierbach, Vorsitzende des Radolfzeller Tierschutzvereins, dem das Tierheim gehört.

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Tatsächlich komme auch bei Fundtieren, die gefunden und dann im Tierheim abgegeben werden, mitunter der Verdacht auf, dass diese ausgesetzt wurden: „Wir kriegen schon oft Fundtiere, von denen wir denken, die haben sicher nicht immer auf der Straße gelebt“, sagt Julia Schuhwerk – die also zum Beispiel sehr zutraulich oder gut gepflegt seien.

Die Kapazitäten sind erschöpft

Die Situation gehe den Tierheimmitarbeitern emotional sehr nahe, so Schuhwerk. Doch einfach lösen könne das Tierheim das Problem nicht. Denn der Platz sei begrenzt, die Tierheimkapazität erreicht. Mehr Tiere können derzeit schlichtweg nicht aufgenommen werden. „Es bringt den Tieren ja auch nichts, wenn wir sie hier übereinander stapeln und ihnen nicht gerecht werden“, betont Julia Schuhwerk.

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Dass der Platz so eng wird, liege auch an den vielen freilebenden Katzen, mit dem das Tierheim zu tun habe. Alleine 48 Babykatzen, trächtige Mutterkatzen oder Mütter und ihre Jungen habe das Tierheim in diesem Jahr schon aufgenommen. Und es werden immer mehr gemeldet, erzählt Julia Schuhwerk. Denn die Jungtiere seien nun in einem Alter, in dem sie aktiver werden und dadurch auch mehr auffallen, etwa weil sie Futter und Wasser in Gärten suchen.

Häufig werde das Tierheim darum gebeten, diese Katzen alle einzufangen. „Aber die können wir hier nicht alle unterbringen“, betont Julia Schuhwerk. Der Platz reicht dafür nicht aus und zudem gebe es auch nicht genug Geld, um sie alle zu kastrieren. Beim Tierheim gebe es daher nun schon eine Warteliste. Zwar sei für wilde Katzen, die nur eine Nacht im Tierheim bleiben, eine Holzhütte auf dem Gelände gebaut worden. Dabei handele es sich aber nur um eine Interimslösung, die Platzprobleme bestehen weiter, betont Julia Bierbach. Und überhaupt, der Bedarf sei so groß, dass er ohnehin nie abzudecken sei: „Wir könnten gar nicht groß genug bauen, um alle unterzubringen“, sagt Bierbach.

Zahlreiche junge Katzen leben derzeit im Tierheim Radolfzell – und die Vermittlung läuft derzeit schleppend.
Zahlreiche junge Katzen leben derzeit im Tierheim Radolfzell – und die Vermittlung läuft derzeit schleppend. | Bild: Tierschutzverein Radolfzell

Um das Problem in den Griff zu bekommen, fordert der Tierschutzverein Radolfzell schon lange eine Kastrationspflicht für Katzen. Denn die Lage werde sich nicht entspannen, schon im Herbst erwarten Julia Bierbach und Julia Schuhwerk die nächste Generation an jungen Katzen.

Viele Tiere sind krank

Ein weiteres Problem, das das Tierheim derzeit beschäftigt, ist der Zustand der aufgenommenen Katzen. Zwar habe man in diesem Jahr das große Glück gehabt, im Gegensatz zum Vorjahr keine Jungkatzen von Hand aufziehen zu müssen.

Allerdings nehme das Tierheim häufig kranke Jungkatzen auf – und das bedeutet für die Mitarbeiter noch mehr Arbeit. „Für uns ist das wirklich ein Zeitfaktor“, sagt Julia Schuhwerk. Denn die Tiere müssen ständig medizinisch versorgt werden. Hinzu kommt auch ein erhöhter Platzbedarf, denn die kranken Tiere müssen gesondert untergebracht werden. Und die medizinische Versorgung kostet natürlich auch ihren Preis.

Um Katzen, die nur für eine Nacht im Tierheim untergebracht werden, trotz Platzmangel aufnehmen zu können, wurde beim Tierheim kürzlich ...
Um Katzen, die nur für eine Nacht im Tierheim untergebracht werden, trotz Platzmangel aufnehmen zu können, wurde beim Tierheim kürzlich eine Holzhütte aufgebaut. | Bild: Marinovic, Laura

Schwierig sei auch, dass die Fälle von Katzenaids zunehmen, in diesem Jahr habe das Tierheim schon vier infizierte Katzen aufgenommen. Sie dürfen zwar vermittelt werden, allerdings nur als Hauskatzen, damit sie keine weiteren Tiere anstecken. Und sie müssen gesondert im Tierheim untergebracht werden. „Deswegen brauchen wir immer einen freien Platz für sie“, erklärt Julia Schuhwerk.

Die Vermittlung läuft schleppend

Weitere Probleme, die das Tierheim derzeit beschäftigen, sind direkt auf die aktuelle Sommerzeit zurückzuführen. Zum einen stehe natürlich auch für die Mitarbeiter die Urlaubszeit an, so Julia Schuhwerk. Man sei daher auch sehr froh über die Hilfe des Vorstands des Tierschutzvereins sowie ehrenamtlicher Helfer.

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Zum anderen laufe aber auch die Vermittlung derzeit schleppend, da viele potenzielle Tierbesitzer in den Urlaub fahren und sich daher erst einmal kein Tier zulegen möchten. „Jetzt aktuell ist es wirklich ruhig“, sagt Julia Schuhwerk. Schwierig sei, dass die Jungkatzen über die Sommerzeit ja auch immer älter werden. „Dann wird es auch wieder schwieriger, sie zu vermitteln.“

Warum kostet die Vermittlung Geld?

Dennoch: Auch wenn das Tierheim natürlich gerne mehr seiner Tiere vermitteln möchte, erfolgt das auch nicht unter allen Umständen. Stattdessen müssen potenzielle Besitzer sie erst einmal kennenlernen, auch macht das Tierheimpersonal eine Vorkontrolle und prüft unter anderem, ob im neuen Zuhause die Bedürfnisse eines Tieres erfüllt werden. „Wir wollen ja, dass es den Tieren gut geht“, erklärt Julia Bierbach den Hintergrund. „Das sind Lebewesen und keine Ware.“

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Zudem müssen Besitzer für die Tiere auch eine Gebühr zahlen. Für erwachsene Katzen seien das etwa 300 Euro, für zwei Jungkatzen, die nur zusammen vermittelt werden, um artgerecht aufzuwachsen, seien es insgesamt 520 Euro. Auch das habe einen Grund, denn damit werden die Kosten gedeckt, die beim Tierheim entstanden sind, um die Tiere zu chippen und zu registrieren, zu impfen und gegen Parasiten zu behandeln.

Erwachsene Katzen werden zudem kastriert, bei Katzen, die jünger sind als ein Jahr, sei in dem Preis eine Art Kastrationskaution enthalten. Wie Julia Bierbach erklärt, können die neuen Besitzer die jungen Katzen später über das Tierheim kastrieren lassen oder aber sie erhalten die Kaution zurück, um selbst einen Tierarzt aufzusuchen. „Das ist ein Selbstkostenpreis“, erklärt Julia Bierbach die Kosten. „Darunter legen wir drauf.“