Die olympischen Spiele in Paris sind jüngst mit viel Getöse zu Ende gegangen. Hollywood-Star Tom Cruise hat sich vom Dach des Stade de France abgeseilt und so auf Olympia 2028 in Los Angeles eingestimmt. In Radolfzell bereitet sich die 24-jährige Maike Adel auf einen ganz anderen, aber für sie nicht weniger wichtigen Wettkampf vor: den World Skills 2024, die ebenfalls in Frankreich, in Lyon, ausgetragen werden.
Die World Skills, das ist die Weltmeisterschaft der Berufe, die mittlerweile zum 47. Mal ausgetragen wird. Teilnehmen können nur Auszubildende oder Berufseinsteiger, die nicht älter als 25 Jahre sind, in manchen Berufsgruppen liegt die Altersgrenze bei 22 Jahren. Maike Adle aus Konstanz ist im zweiten Lehrjahr ihrer Ausbildung zur Fachkraft für Abwassertechnik, die sie in der Radolfzeller Kläranlage absolviert. Sie tritt vom 10. bis 15. September in der Kategorie „Water-Technology“ gegen andere Abwassertechniker aus aller Welt an.
Die Erwartungen sind groß
„Ich werde mein Bestes geben und versuchen, mich nicht zu nervös zu machen“, sagt Maike Adel. Ihr Ausbilder Dominik Löhle, Betriebsleiter der Kläranlage, geht da weit selbstbewusster in den Wettbewerb: „Maike holt Gold“, ist er sich sicher. Für ihn ist die Auszubildende ein Ausnahmetalent und dazu auch noch sehr ehrgeizig, wie er verrät.
Für Löhle als Ausbilder hat die Teilnahme noch einen anderen Vorteil: Da Maike Adel für die Wettbewerbe trainiert, stehen ihr für das Erreichen ihres Ausbildungsziels ganz andere Ressourcen zur Verfügung. „Sie kann regelmäßig mit Modellen und Geräten üben, zu denen andere keinen Zugang haben“, so Löhle.
Training in der Nationalmannschaft
Seit über einem Jahr trainiert die 24-Jährige im Bundeskader für die Teilnahme an den Wold Skills und anderen Berufswettbewerben. Die Struktur ist dem im Profisport nicht unähnlich. Es gibt Teams, Trainer und Trainingslager. Entdeckt wurde sie direkt vom Bundestrainer Hilmar Tetsch, der wegen einer Sicherheitsschulung in der Radolfzeller Kläranlage war. Nach der Corona-Pandemie war die Nachwuchs-Rekrutierung im Bereich der Abwasserfachkräfte für die Wold Skills etwas ins Stocken geraten. Er suchte nach neuen Kandidaten und die Auszubildende Maike Adel sei ihm direkt mit klugen Fragen und viel Engagement aufgefallen, erzählt Löhle.
Zu den Wettbewerbsdisziplinen gehört so ziemlich alles, was für den Beruf der Fachkraft für Abwassertechnik wichtig ist: der Aufbau von Pumpen und anderen Anlagen, Labor-Aufgaben, Prozessüberwachung und die Absicherung beim Einsteigen in Schächte. „Bei den Wold Skills sind einige Aufgaben bekannt, andere sind eine Überraschung“, erklärt Maike Adel.
Erste Erfahrungen hat die 24-Jährige schon mit der Teilnahme an den German Water Skills gesammelt, einem bundesweiten Wettbewerb ausgerichtet von der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall speziell für Auszubildende. Dort holte sie mit ihrem Teampartner Elias Sichler aus Sigmaringen den Gesamtsieg.
Erster Platz im Wettbewerb mit Profis
Und in einem internationalen Team mit Singapur bekam sie auch die Möglichkeit, mit den Profis bei den World Water Skills teilzunehmen. Einem Wettbewerb, der eigentlich nur für ausgelernte Teilnehmer ist und bei dem das Bewerberfeld international ist. Zur Überraschung der deutlich älteren und erfahreneren Mitbewerber aus den Vereinigten Staaten schafften Maike Adel mit ihrem Teamkollegen Jonathan Teo Jun Yang den Gesamtsieg.
In dem nun anstehenden Wettbewerb mit den sechs anderen Nationen China, Japan, Südkorea, Singapur, Brasilien, Indien geht Maike Adel also durchaus als Favoritin. Auch wenn die World Skills in asiatischen Ländern einen ganz anderen Stellenwert hat als in Europa, wie sie erläutert. „In China trainieren sie manchmal Stunden jeden Tag für diesen Wettbewerb“, so die 24-Jährige. Woher sie das weiß? Durch ihre Mitgliedschaft im Nationalkader hatte sie mehrmals schon die Gelegenheit, in den asiatischen Raum, nach China und Japan, zu reisen und dort mit anderen Teilnehmern in den Austausch zu kommen.
Eine Zukunft in der Radolfzeller Kläranlage
Ihrem Ausbilder Dominik Löhle sei sie dankbar, dass all dies manchmal auch spontan möglich sei. Der Betriebsleiter der Kläranlage hofft, dass der Beruf des Umwelttechnologen für Abwasserbewirtschaftung – so soll die Ausbildung von Maike Adel künftig genannt werden – so einen besseren Ruf erhält. Die Arbeit in der Kläranlage habe ein Image-Problem, obwohl der Beruf sehr vielseitig und anspruchsvoll sein.
Maike selbst hatte sich ganz bewusst für diesen Arbeitsplatz entschieden, nachdem sie ein Biologie-Studium abgebrochen hatte. „Ich wollte nicht den ganzen Tag im Büro sitzen, sondern einen aktiven Job haben. Laborarbeit macht mir auch Spaß, außerdem wollte ich etwas für den Umweltschutz tun, einen sinnvollen Beitrag für die Gesellschaft leisten und etwas machen, das zukunftssicher ist“, fasst sie die Kriterien zusammen, nach denen sie sich eine Ausbildung gesucht hatte. Löhle hofft Maike auch nach dem Ende ihrer Ausbildung im nächsten Jahr in der Radolfzeller Kläranlage halten zu können. Ob mit oder ohne Goldmedaille, das wäre egal.