Gerald Jarasch

Die letzten Tage der Radolfzeller Kultkneipe Tanke sind gezählt: Bereits diese Woche soll der Abrissbagger anrücken und die Tanke dem Erdboden gleichmachen. Betreiber Christoph Manz hat zusammen mit Freunden und Bekannten bereits arbeitsame Tage hinter sich, denn schließlich galt es das Domizil in der Brühlstraße für den Abriss leer zu räumen.

Nun steht Christoph Manz etwas verloren in dem kahlen Raum, der rund 26 Jahre seinen Lebensmittelpunkt darstellte. Seit Februar 1991 betrieb Christoph Manz die Tanke, die für viele Radolfzeller über lange Zeit ein echter Anziehungspunkt war. Dass es einmal so enden wird, war bereits länger absehbar. Das gesamte Areal samt ehemaligem Schützenhof ist nach langen Verhandlungen an einen Investor veräußert worden, der es mit Wohnhäusern überbauen will. Aus dem Gestaltungsbeirat der Stadt erging zuletzt die Auflage, die Planungen noch einmal zu verändern, damit sich die Gebäude besser in die Umgebung einfügen.

Aus Sicht von Christoph Manz geht mit der Überbauung eine einmalige Chance verloren, zentrumsnah Kulturveranstaltungen und Gastronomie anzubieten. Daher ist er weiterhin enttäuscht davon, wie wenig die Stadt ihre Möglichkeiten genutzt habe, um einen dieser wenigen Identifikation stiftenden Orte zu erhalten. „In Radolfzell merkt man so etwas immer erst, wenn es zu spät ist“, sagt er. Immerhin ist es Christoph Manz gewohnt, gut laufende Treffpunkte wieder aufgeben zu müssen, weshalb er positiv in die Zukunft schaut. Mit dem Tempel, dem Scheffelhof und der Tanke hat er der Stadt nicht nur drei überregional bekannte Subkultur-Treffpunkte beschert, sondern im Laufe der Jahre auch rund 1800 Veranstaltungen organisiert. Alle Einrichtungen fielen einer Neuausrichtung der Areale zum Opfer.

Statt Radolfzell enttäuscht den Rücken zu kehren und zum Beispiel in Konstanz eine Kneipe zu eröffnen (was als Angebot vorgelegen habe), will er weiterhin hier aktiv bleiben. Das liegt nicht zuletzt daran, dass der gebürtige Berliner hier längst seinen Lebensmittelpunkt gefunden hat. Und dazu gehörte ein Vierteljahrhundert auch die Tanke, in der der Betreiber viele seiner Freunde und Bekannten regelmäßig treffen konnte. „Das ist auch für mich jetzt eine Zäsur“, sagt er. Um diese gewachsenen Kontakte nicht völlig abreißen zu lassen, veranstaltet Christoph Manz regelmäßig am Dienstag mit Freunden und bisherigen Tanke-Besuchern einen Stammtisch im Restaurant Basilikum.

Seine Pläne reichen aber selbstverständlich viel weiter. Derzeit zeichnet sich eine Lösung für einen neuen Treffpunkt im Herzenareal ab. Auf dem ehemaligen Grundstück des Motorsportclubs sieht Manz „jede Menge Möglichkeiten“, wie er sagt. Das Gebäude unweit der Skateranlage bietet in etwa die gleichen räumlichen Verhältnisse und eine deutlich größere Außenterrasse. Einen Namen hätte der Betreiber ebenfalls schon parat. „Tanke-Haus am See“ soll das künftige Domizil heißen, das, wenn nun alles mit den Eigentümern geregelt ist, möglichst ab Ostern als neuer Anlaufpunkt in den Betrieb geht. Die genaue Ausrichtung ist noch nicht klar. „Vieles wird wie in der Tanke weiter stattfinden, andere Dinge werden hinzukommen. Das muss aber alles wachsen. Ich lasse es langsam angehen“, gibt er sich gelassen.

Zum Abschied von der Tanke haben sich in der letzten Veranstaltungswoche noch einmal besonders viele Gäste und Besucher in der Kneipe getroffen. Bei den sogenannten „Good bye-days“ versicherten sich mehrere hundert Radolfzeller gegenseitig, dass mit der Tanke ein einmaliger Kulturtreff der Vergangenheit angehört. Ein letztes optisches Aufbäumen der Subkultur zeigt sich seit dem Wochenende auf den Außenwänden der Tanke. Mit Farbe und skurrilen Sprüchen verzierten langjährige Besucher die Wände. Ein an Kindertage erinnernder Spruch drückt vielleicht am besten aus, wie sich die Beteiligten fühlen: „Wer das abreisst, ist doof“, heißt es da. Wer konkret damit gemeint ist, bleibt offen.

Die Institution

Die Tanke wurde seit 1991 von Christoph Manz in der Brühlstraße betrieben. Der Name leitete sich vom Gebäude ab – es handelt sich um eine ehemalige Tankstelle aus den 50er Jahren. Ursprünglich hatte der Vermieter dem Betreiber eine Kündigung zum Jahresende 2013 erteilt. Anschließend erhielt Manz einen modifizierten Vertrag, der sich jeweils um drei Monate verlängerte. Das Landesdenkmalamt stufte das Gebäude zwar als erhaltenswert ein, sprach jedoch keine Abrissstopp aus. Christoph Manz hat sich auch mit anderen Lokalitäten über die Stadtgrenzen hinaus einen Namen gemacht. Der legendäre Tempel in der der ehemaligen Kaserne genoss einen überaus guten Ruf in der Technoszene der 90er Jahre. Damals zählte der Club zu den zehn Besten seiner Art weltweit. Entsprechend groß war die Anziehungskraft. (ja)