Die Zukunft der Geburtshilfe am Radolfzeller Krankenhaus ist weiter sehr ungewiss. Zwar wurde in den vergangenen Monaten politisch alles in Bewegung gesetzt, sodass mit Hilfe der Stadt Radolfzell der Betrieb zumindest für eine Übergangsfrist aufrecht erhalten werden kann. Allerdings gestaltet sich die Suche nach einem Nachfolger für einen der drei Belegärzte als sehr schwierig. Bei Matthias Groß schwindet langsam der Optimismus, noch einen neuen Kollegen zu finden, wie er auf Nachfrage des SÜDKURIER erläutert. "Es ist zu befürchten, dass wir die Geburtshilfe nicht mehr über den März hinaus anbieten können", sagt Groß.

"Wir hatten drei hochqualifizierte Interessenten. Alle drei sind aber angesichts der öffentlichen Diskussion und der weiter unsicheren Zukunftsperspektive wieder abgesprungen." Mehrere Stellenanzeigen und der Einsatz eines Headhunters hätten nicht den erhofften Erfolg gezeigt. Das Interesse für die gynäkologische Praxis sei zwar da, aber die Bereitschaft, die Geburtshilfe unter diesen unklaren Zukunftsaussichten zu übernehmen, oftmals nicht. Die Stadt und der Gemeinderat als zukünftige Besteller der Geburtshilfe wüssten über die düsteren Aussichten Bescheid.

Seit Februar zahlen die Belegärzte monatlich über 9000 Euro für die Haftpflichtversicherung. "Das können wir aber nicht lange schultern, zumal es ja auch noch keine politisch klare Lösung gibt", sagt Matthias Groß. Jeweils zur Monatsmitte können die Ärzte die Versicherung kündigen. Bewerbungen seien schon noch möglich, die Stellenanzeigen noch online. "Die deutlichen Reaktionen aller Bewerber bezüglich der Zukunft der Geburtsstation stimmen mich aber pessimistisch." Ohne Bewerber keine Lösung – Mitte März wollen die Ärzte entscheiden, wie es weitergeht. "Diese hohen Haftpflichtprämien arbeiten wir kaum wieder rein", erklärt Matthias Groß. Ende März könnte also Schluss sein mit Geburten in Radolfzell. "Das wäre wirklich tragisch. Jetzt wo so viel in Bewegung gesetzt wurde." Aktuell laufen die Geburtshilfe und das stationäre Operieren für die Patientinnen ganz regulär. Seit Jahresbeginn habe es nur sechs Geburten weniger gegeben als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. "Ich bin erstaunt, wie viele Frauen trotz der Nachrichtenlage hier geblieben sind", erzählt der Frauenarzt.

Der Nachrichtenlage kommt auch eine weitere hinzu: Die Stadt Radolfzell hat ein so genanntes Notifizierungsverfahren eingeleitet, um sich rechtlich abzusichern. Darauf bestehe der Gesundheitsverbund Landkreis Konstanz. Etwa drei Monate soll es dauern, bis ein Ergebnis vorliegt. In dieser Zeit ruht auch der Antrag auf Genehmigung des Bestellervertrages beim Regierungspräsidium. "Ganz ehrlich: Ich verstehe gar nicht, was das alles bedeutet", gibt Matthias Groß zu. "Ich verstehe aber, dass es weiterhin keine klare politische Lösung gibt."

 

Die Vorgeschichte

Die gestiegenen Haftpflichtprämien der Belegärzte waren der Auslöser für die Diskussion um die Zukunft der Geburtenstation des Krankenhauses. Die Stadt Radolfzell hat zugesagt, für fünf Jahre als sogenannter Besteller der Leistungen aufzutreten und die Kosten zu tragen. Der Landkreis springt ein, falls das für die Stadt Radolfzell rechtlich nicht möglich ist und beteiligt sich jährlich mit 100 000 Euro an den Kosten. Die drohende Schließung des Kreißsaals hatte zu Kritik und Bürgerprotesten weit über Radolfzell hinaus geführt. Eine Initiative für den Erhalt der Geburtshilfe sammelte rund 10 000 Unterschriften. (aa)


Notifizierung soll Rechtssicherheit bringen – aber erst in drei Monaten

  • Gutachten reicht nicht: Um in Sachen Geburtshilfe am Radolfzeller Krankenhaus Rechtssicherheit zu erhalten, muss die Stadt Radolfzell ein so genanntes Notifizierungsverfahren einleiten. Darauf besteht der Gesundheitsverbund Landkreis Konstanz (GLKN) als Betreiber des Hegau-Bodensee Klinikums, so die Information in einer Pressemitteilung der Stadt. Dem GLKN reiche ein Rechtsgutachten nicht aus. Das Notifizierungsverfahren müsse sicherstellen, dass die Leistungen der Stadt nicht eventuell wegen Verstoßes gegen EU-Beihilferecht zurückzufordern sind. Eine solche Rückforderung würde dem GLKN großen wirtschaftlichen Schaden zufügen, so die Begründung des GLKN. Die Beteiligten, nämlich das Regierungspräsidium Freiburg, der Landkreis Konstanz, die Stadt Radolfzell und der GLKN haben sich auf die Einleitung des Notifizierungsverfahrens verständigt.
  • Das bringt das Verfahren: Das Ergebnis dieses Notfizierungsverfahrens ist entweder, dass keine Beihilfe vorliegt, oder dass diese im Rahmen eines Betrauungsaktes der Stadt Radolfzell gegenüber der gemeinnützigen Krankenhausbetriebsgesellschaft Hegau-Bodensee-Klinikum mbH zulässig ist. Stadt und Landkreis teilen sich die Kosten des Verfahrens.
  • Das ist eine Notifizierung: Der Begriff der Notifizierung beschreibt ein Verfahren, in dem die EU-Mitgliedstaaten die Europäische Kommission und in einigen Fällen auch die anderen Mitgliedstaaten über einen Rechtsakt in Kenntnis setzen müssen, bevor dieser als nationale Rechtsvorschrift Geltung entfalten kann. Landrat Frank Hämmerle und OB Martin Staab haben sich auf einen Anwalt verständigt, der das Verfahren auf den Weg bringt. Dieser hat die Arbeit aufgenommen.
  • So lange dauert es: Das Verfahren soll voraussichtlich nach ungefähr drei Monaten abgeschlossen sein, so die Information an die Presse. Sollte das Notifizierungsverfahren negativ ausgehen, stehe der Landkreis weiter als Besteller der geburtshilflichen Leistung zur Verfügung, sichert der Landrat zu. Solange das Verfahren nicht abgeschlossen ist, ruht der Antrag auf Genehmigung des Bestellervertrages beim Regierungspräsidium.