Wie bald nach dem Abschied von Lothar Rapp als Kappedeschle der Abschied von Lothar Rapp selbst folgen sollte, damit hätte in Radolfzell niemand gerechnet. Völlig überraschend ist Lothar Rapp am Montag, 19. Februar, im Alter von 75 Jahren gestorben. Erst kurz zuvor hatte er verkündet, nach Jahrzehnten künftig nicht mehr in seine Paraderolle als Kappedeschle auf der Bühne des Narrenspiegels zu schlüpfen und auch die Produktion der gleichnamigen Narrenzeitung aus der Hand zu geben. Um ihn trauern seine Ehefrau Karin, seine Familie und Freunde und die Radolfzeller Narrenwelt.
Es sind tiefe Spuren, die Lothar Rapp in Radolfzell hinterlässt – nicht nur bei der Narrizella Ratoldi, der er nach einem Wechsel von der Froschenzunft seit 1976 angehörte und in der er sich vielseitig engagierte, bei der er im Narrenrat saß und lange Zeit als Präsident wirkte. Zuletzt durfte er sich Ehrenpräsident der Narrizella nennen. Auch politisch setzte Rapp Akzente bei den Freien Wählern, deren Vorsitz er 2017 bis 2022 übernahm und für die er einige Jahre lang auch im Gemeinderat saß. Seine soziale Adler lebte er bei der Bürgerstiftung aus, für die er sich ebenfalls stark machte. Lothar Rapp war vielseitig engagiert.
„Ein Radolfzeller Original“, nennt ihn Peter Blum, Vorsitzender der Freien Wähler. „Eine Institution in Radolfzell“, sagt Oliver Preiser, stellvertretender Vorsitzender der Bürgerstiftung, der Lothar Rapp laut eigener Aussage für seinen Verein angeworben hatte.
Rapps Liebe für das gedruckte Produkt
Geboren am 8. November 1948 in Radolfzell als zweitältestes von vier Kindern, machte Lothar Rapp zunächst seine Ausbildung als Schriftsetzer beim „Schwarzwälder Boten“, ehe es ihn zu anderen Verlagshäusern verschlug. Eine Weile war er fort aus seinem Radolfzell, wie er selbst kürzlich berichtete. Bis ihn ein Brief erreichte: 1973 bat ihn Ernst Uhl von der gleichnamigen Druckerei, zurück nach Radolfzell zu kommen.
Lothar Rapp folgte dem Ruf, fand aber seine langjährige berufliche Heimat beim SÜDKURIER Medienhaus in Konstanz, wo er unter anderem viele Jahre als Abteilungsleiter der Anzeigenmontage arbeitete. 2014 ging er schließlich offiziell in Rente, bis 2017 arbeitete er noch in Teilzeit weiter. Insgesamt kam er so auf über 40 Jahre Betriebszugehörigkeit.
Dabei sei er immer ein bisschen ein Künstler in der Produktion gewesen, Typografie und Gestaltung seien seine Domäne gewesen, erinnert sich Michael Schäfer, technischer Leiter der SÜDKURIER-Druckerei, und Rapps Vorgesetzter für viele Jahre. Er habe sich besonders wohlgefühlt, wenn er den Freiraum gehabt habe, diese Stärken auszuleben. „Seine Expertise in diesem Feld war hochgeschätzt, er war immer bereit, neue Aufgaben zu übernehmen und die technischen Veränderungen in seinem Berufsfeld als Chance zu nutzen“, so Schäfer.
Seine Stärken stellte er anderen zur Verfügung
Sein berufliches Wissen brachte er auch in andere Bereiche seines Engagements ein. Schon bevor er den Freien Wählern beitrat, fertigte er Wahlbroschüren für sie an, berichtet Peter Blum. Und auch um die Presseberichte und die Internetseite habe er sich gekümmert. Wenn er sich Texte angeschaut habe, habe man sich darauf verlassen können, dass sie gut sind. „Er hatte ein Feingefühl in der Formulierung“, sagt Peter Blum.
Auch für die Bürgerstiftung, der er vor ein paar Jahren beitrat, übernahm Lothar Rapp Pressearbeit und die Internetseite, kümmerte sich zudem unter anderem um Prospekte, Visitenkarten, Plakate und Eintrittskarten für den Auftritt der Bundeswehr Big Band am Konzertsegel und bastelte Anhänger für die Christbaumaktionen. „Man konnte sich immer zu 100 Prozent auf ihn verlassen“, betont Oliver Preiser.
Der Kappedeschle als Herzensangelegenheit
Besonders in Erinnerung bleiben werden auch die zahlreichen Narrenzeitungen, die Lothar Rapp 50 Jahre lang gestaltete. Erst vor wenigen Wochen wurde die letzte von ihm erstellte Ausgabe gedruckt. Das sei für ihn eine große Angelegenheit gewesen, sagt Peter Zabel, Seniorchef der gleichnamigen Radolfzeller Druckerei.

Mit Zabel verband Rapp nicht nur die gemeinsame Arbeit an der Narrenzeitung und anderen Druckaufträgen für die Zunft, sondern auch eine gemeinsame Kindheit. Als Nachbarskinder wuchsen Zabel und Rapp zusammen auf, spielten Fußball und waren später Teil des Fanfarenzugs der Narrizella. Dieser gründete sich erst auf Lothar Rapps Initiative 1976. „Er war belesen, wusste viel Lokalkolorit“, erinnert sich Peter Zabel an seinen Jugendfreund.
Rapp wollte immer ein Original sein
Aber nicht nur mit gedruckten Worten konnte Lothar Rapp gut umgehen. Die Kunst der Büttenrede und die noch höhere Kunst der Narrenschelte hatte Rapp auf seine Art zur Perfektion gebracht. Seine erste Narrenschelte hielt er 1985, nachdem er die Rolle von Bruno Epple übernommen hatte. Seine Texte schrieb er dabei stets selbst – es kam für ihn unter keinen Umständen in Frage, fremde Worte vorzutragen.
Dabei sei es ihm wichtig gewesen, Politikern den Spiegel vorzuhalten, erinnert sich Narrizella-Präsident Martin Schäuble. Auch habe er Wert auf ein gewisses Niveau bei Wortbeiträgen und Büttenreden gelegt und dabei gerne auch anderen Tipps gegeben – wenn diese denn seine Hilfe wollten. „Es war ihm wichtig, dass die Fasnacht nicht nur Musik und Party ist“, so Schäuble. Das Männer-Frühschoppen etwa habe er sicherlich auf das aktuelle Niveau gehoben und habe es in einer Zeit, in der es wenige Büttenredner gegeben habe, sogar „am Leben gehalten“.

Rapps Talent in der Bütt war nicht nur während der Fasnacht gefragt. Mit seinem Freund Wolfgang Drobig, den er seit frühester Kindheit kannte, stand er auch außerhalb der närrischen Zeit auf der Bühne. Zunächst seien sie mit der Gruppe „Zeller Komedi“ aufgetreten, nach deren Auflösung dann ab 2006 als Duo. Dabei begeisterten sie unter anderem beim Zunfthaussommer das Publikum. Sie hätten „brutal gut harmoniert“, so Drobig, mussten nicht einmal groß proben, so gut klappte es zu zweit.

Lothar Rapp sei ein „ganz außergewöhnlicher Mensch“ gewesen, „rhetorisch und sprachlich sehr bewandert“, zudem charakterstark, kritisch und jemand, dem man vertrauen konnte. „Da verliert Radolfzell einen großen Mann“, ist sich Wolfgang Drobig sicher.
Eine feste Größe der Narrizella
Die Radolfzeller Fasnacht und die Narrizella Ratoldi habe Lothar Rapp „wahnsinnig geprägt durch seine Wortkunst, seine Reimkunst, sein Gefühl für die Gesellschaft“, betont Martin Schäuble. Lothar Rapp sei seriös, stark und zuverlässig gewesen: „Wenn man etwas hatte, dann ist man zu Lothar gegangen.“
Er habe viele Bereiche abgedeckt, viele Aufgaben übernommen und viel gewusst, das er auf Nachfrage geteilt habe. Auch sei er gewissermaßen das Bindeglied zwischen den Junkern von Hohenfriedingen, der Narrizella und dem Förderverein, sei immer in den Sitzungen anwesend gewesen. „Er war eine feste Größe. Und gerne gesehen.“ Dabei sei Lothar Rapps Einsatz selbstlos gewesen: „Er war einer, der sich nie groß in den Vordergrund gespielt hat“, beschreibt der Narrizella-Präsident.
Eine letzte, schöne Fasnacht
Es sei immerhin ein kleiner Trost, dass Lothar Rapp, der seine Frau Karin, vier Kinder, fünf Enkelkinder und einen Urenkel hinterlässt, noch eine schöne Fasnacht erlebt habe, findet Martin Schäuble. Und es sind seine vielen Spuren in der Stadt, die an ihn erinnern werden.
Ein Termin für die Beerdigung Lothar Rapps stand zunächst noch nicht fest.