Die einzige Konstante im Universum ist die Veränderung. Dies schrieb einst der griechische Philosoph Heraklit. Den haben die Gardisten vermutlich nicht gelesen, doch haben sie den diesjährigen Narrenspiegel der Narrizella Ratoldi irgendwie unter dieses Motto gestellt.
Wandel gab vor allem bei der Musik, die nicht mehr von der Seefunk-, sondern von der Seegrasgruppe kam. Diese besteht aus Tommi Reiser und Lutz Endres an den Gitarren, Felix Bromma am Akkordeon und Frederik Krekosch als Sänger. Die Feuertaufe gelang mit Bravour, die großen Fußstapfen der beim Publikum heiß geliebten Seefunkgruppe haben die vier Musiker gelungen umschifft, indem sie einfach immer wieder mal ein Ständchen brachten. Den großen Auftritt zum Schluss hatten die tanzenden Gardisten selbst.
Der Kappedeschle will keinen braunen Dreck
Veränderung forderte auch Lothar Rapp, der zum letzten Mal nach 39 Jahren als Kappedeschle auf der Bühne stand. In seiner finalen Narrenschelte knöpfte er sich nicht nur die lokalen Akteure vor, sondern blickte auch nach Berlin. Er kritisierte die Bauern-Demos und den „braunen Dreck“, den der Kappedeschle sicher nicht zurück haben wollte.

Zurück in Radolfzell mussten sich vor allem Stadträte warm anziehen. Demokratie lebt von Wandel, macht der Narr deutlich. Doch würden zu viele Stadträte ganz wie Klimakleber an ihren Stühlen kleben. Ob seine Worte Wirkung zeigen, wird die kommende Kommunalwahl zeigen.
Ist der Gemeinderat zu alt?
Überhaupt musste der Gemeinderat beim Narrenspiegel der Gardisten einiges aushalten. Sticheleien gegen eine Überalterung des Gremiums fanden sich in fast jeder Szene. Der Gemeinderat sei so alt, er habe sogar eine eigene Pflegekraft angestellt. Und manche Stadträte seien besonders alt, die hätte sogar der Bischof Radolt schon gekannt.
Doch die eigentliche Kritik war: Es verändert sich nichts. Und wenn, dann schließen Weinstuben, Krankenhäuser und Unternehmen und es kommen neue Verbote hinzu.

Das Regie-Team des Narrenspiegels, Tim Schwenke, Ole Schmal und Sebastian Möhrle, hatte einen kurzweiligen, unterhaltsamen und in Teilen sehr politischen Narrenspiegel kreiert. Die notwendigen Veränderungen durch den Wegfall der Seefunkgruppe und der Pausen fügten sich reibungslos in den Ablauf hinein. Statt einer großen Pause gab es zwischen den Szenen beste Unterhaltung durch die Narrenmusik. Nicht fehlen durfte der Auftritt des Fanfarenzuges und der Klepperlehoheiten.
Zwei Enten wollen die Seeherrschaft
Doch zurück an den See. Die Unterschutzstellung des Markelfinger Winkels arbeiteten zwei Enten auf dem Zeller See auf, dargestellt von Philipp Weidele und Axel Heinzelmann. Im Markelfinger Winkel sei es mittlerweile so voll, aber auch langweilig geworden. Warum nicht also auch den Rest des Sees für Menschen sperren?

Dass auf der Bühne des Narrenspiegels nur Männer stehen und diese auch Frauenrollen übernehmen, gehörte in der Vergangenheit bereits zur Komik des gesamten Konzeptes. Doch über die akkurate und anmutige Darstellung von Christoph Zeiser als Ina Müller und Christian Karrenbauer als Imperia von Konstanz galt es mehr zu staunen als zu lachen.

Die Radolfzeller Ausgabe von Inas Nacht war ein Höhepunkt des Abends. Bei Ina zu Gast waren keine geringeren Gäste als Bischof Radolt, die Imperia von Konstanz und der Singener Bär. Zur Überraschung aller kannten sich Radolt und Imperia bereits und schienen ihre alte Liaison wieder aufleben lassen zu wollen.
Wohin fahren bei Hirten-Burn-Out?
Vom See ging es hoch nach Liggeringen. Dort wünschte sich der Ziegen-Peter, dargestellt von Gardehuptmaa Daniel Hepfer, etwas Veränderung in seinem Leben. Denn er litt an Hirten-Burn-Out. Urlaub soll bei Überlastung helfen, nur wohin? Allzu weit möchte Peter nämlich nicht fahren und seine Moni soll mit, doch die möchte nur gehen, wenn es dort genauso schön wie auf ihrer Schaukel in Liggeringen ist.

Nachdem sämtliche Flyer mit den Vorzügen der benachbarten Ortsteile verlesen wurden – teure Halle (Markelfingen), 30er-Zone (Böhringen), viele Vögel (Möggingen), Luft nach oben (Stahringen und Güttingen) – kam Influencer und Oberbürgermeister Simon Gröger auf den Berg, um Werbung für die Kernstadt zu machen.
Wer wissen möchte, ob er erfolgreich war, hat Gelegenheit sich den Narrenspiegel live anzuschauen. Die Garde spielt noch einmal am Samstag, 27. Januar, um 19 Uhr im Milchwerk und am Sonntag, 28. Januar, um 13 und 19 Uhr. Karten gibt es an der Abendkasse.