Für viele Radolfzeller ist sie so etwas wie der Inbegriff der eigenen Tradition. Die Radolfzeller Trachtenhaube ist immer zu den hohen Festen der Stadt zu sehen und somit ein echtes Identifikationsgut. Die meisten dieser radförmigen Trachtenhauben sind schon mehrere Jahrzehnte alt und werden gerne innerhalb der Familie weitergereicht.

Trägerinnen sind Mädchen und Frauen der Trachtengruppe Alt Radolfzell. Die traditionellen Radhauben werden nur höchst selten neu gefertigt. „Bis in die 90er Jahre hatten wir eine ältere Frau in Meersburg, die uns die Radhauben fertigen konnte“, erinnert sich Gabriele Weidele, Kassiererin der Trachtengruppe.

Eine neue Radhaube ist eine Seltenheit geworden

Nun endlich war es mal wieder soweit, dass eine Trägerin aus den Reihen des Vereins eine neue Radhaube für sich persönlich fertigen ließ. Dabei sollte es sich um ein Geschenk der Großmutter von Sarah Grünfelder handeln, die seit ihrem 4. Lebensjahr zusammen mit ihrer Mutter Sabine als Trachtenträgerin der Trachtengruppe aktiv ist.

Freudige Übergabe: Hutmacherin Carolin Engel (rechts) übergibt Sarah Grünfelder die neue Radhaube an die glückliche Besitzerin Sarah ...
Freudige Übergabe: Hutmacherin Carolin Engel (rechts) übergibt Sarah Grünfelder die neue Radhaube an die glückliche Besitzerin Sarah Grünfelder. | Bild: Jarausch, Gerald

Lange Jahre durfte die mittlerweile 24-jährige Lehramtsstudentin eine Radhaube aus dem Fundus der Trachtengruppe tragen. Doch nun sollte es eine eigene werden. Da lag es nah, die örtliche Hutmacherin Carolin Engel zu kontaktieren. Doch trotz ihrer Fähig- und Fertigkeiten stellte selbst die professionelle Hutmacherin die Radhaube zumindest vor etliche Aufgaben.

Es gibt keine Anleitung, wie man eine Haube herstellt

Denn leider hat niemand das Wissen um die Fertigung an mögliche Nachfolger weitergegeben, noch gibt es Aufzeichnungen davon. Anhand der Radhaube von Mutter Sabine galt es also, sämtliche Bauteile herauszufinden und diese fachgerecht zusammenzusetzen. „Das war gar nicht so leicht, ich durfte die Radhaube ja nicht auseinandernehmen“, berichtete Carolin Engel im Gespräch mit dem SÜDKURIER.

Andächtiger Moment: Erste Anprobe der neu gefertigen Radhaube von Sarah Grünfelder durch Hutmacherin Carolin Engel.
Andächtiger Moment: Erste Anprobe der neu gefertigen Radhaube von Sarah Grünfelder durch Hutmacherin Carolin Engel. | Bild: Jarausch, Gerald

Ganze 31 verschiedene Bauteile hat sie dabei ausgemacht. Das reicht von eingebauten Kartonelementen, über Samtstoff bis hin zu dem Drahtgestell und der geklöppelten Spitze, die darüber gespannt wird. Im Laufe des mehrwöchigen Entstehungsprozesses musste die Hutmacherin dabei auch erst Vieles ausprobieren, um so ein optimales Ergebnis zu erzielen.

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Für sie selbst war das nicht nur „sehr spannend“, wie sie sagt, sondern auch eine Auseinandersetzung mit den Traditionen. Fasziniert von der Handwerkskunst, die es bereits von über 100 Jahren gegeben hat, hat Carolin Engel während ihrer Arbeit über den Sinn und Zweck solcher traditionellen Kleidungsstücke nachgedacht. „Solche Dinge stiften ein Zusammengehörigkeitsgefühl. Ein Gefühl von Heimat. Deshalb sind sie wichtig“, fasst sie ihre Gedanken zusammen.

Ein Traum geht in Erfüllung

Für Sarah Grünfelder geht mit der neuen Trachtenhaube ein kleiner Traum in Erfüllung. „Die Haube ist wunderschön. Ich freue mich so auf das Hausherrenfest. Das erste Mal mit einer eigenen Trachtenhaube!“, stellte sie freudig bei der ersten Anprobe im Atelier von Carolin Engel fest. Der Umgang mit der Tracht ist ihr bereits seit zwei Jahrzehnten bekannt. „Man geht automatisch etwas aufrechter. Denn die Haube zieht den Kopf ein wenig nach hinten“, weiß sie aus der Erfahrung zu berichten. Und noch etwas ist ihr durchaus bewusst. „Man darf den Leuten damit nicht zu nah kommen, sonst berührt man sich schnell“, sagt sie.

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Der wohl schönste Aspekt der neu gefertigten Trachtenhaube ist aber wohl die innerfamiliäre Verbundenheit, die damit zum Ausdruck kommt. Selbst wenn die Großmutter einmal nicht mehr Leben wird, wird die von ihr finanzierte Trachtenhaube ihrer Enkelin ein ganz persönliches Erinnerungsstück an sie sein, dass durch die Straßen Radolfzells getragen wird. Insofern ist die neue Trachtenhaube nicht nur eine Anschaffung für das Leben, sondern auch ein generationenübergreifendes Stück Geschichte, dass die Tradition und Heimatverbundenheit der Radolfzeller mit ihrer Stadt zum Ausdruck bringt.