Gerald Jarausch

Kaum eine Freizeitbeschäftigung hat in den vergangenen Jahren eine derartige Renaissance erlebt wie das Radfahren. Insbesondere Pedelecs (im Volksmund gerne E-Bikes genannt) erfreuen sich einer großen Beliebtheit.

Die Räder, die das Treten durch Unterstützung eines Elektromotors deutlich erleichtern, ermöglichen es auch untrainierten Menschen, zügig mit dem Rad voranzukommen. Der steigende Bedarf an solchen Pedelecs hat die Radbranche im wahrsten Sinne des Wortes „elektrisiert“ und sie zu einem Wachstumsmotor werden lassen. Die Verkaufszahlen sprechen eine eindeutige Sprache.

Die Pedelec-Branche boomt

Schon 2019 war ein Rekordjahr in Bezug auf die verkauften Stückzahlen und Zuwachsraten: Mit 4,3 Millionen Rädern und E-Bikes verkaufte die Branche 3,1 Prozent mehr Fahrräder als im Vorjahr. Der Gesamtumsatz stieg um satte 33,9 Prozent auf rund sieben Milliarden Euro. Das liegt unter anderem an den hohen Einzelpreisen der Pedelecs, die in der Spitze mit mehr als 10 000 Euro zu Buche schlagen können.

Das hat auch Hanspeter Bürgel, Sprecher des Allgemeinen Deutschen Fahrrad Clubs (ADFC) im Kreis Konstanz, beobachtet: „Seit 2017, als es die ersten vernünftigen Pedelecs gab, hat es einen richtigen Boom gegeben“, sagt er. Besonders die kaufkräftige Generation zwischen 45 und 70 Jahren hat Gefallen an den unterstützenden Fahrrädern gefunden. „Während sonst nur Versorgungsfahrten mit dem Rad vorgenommen wurden, finden jetzt deutlich längere Radtouren statt“, stellt Bürgel fest.

Mit der Corona-Pandemie hat sich die Anzahl der Nutzer gefühlt noch einmal erhöht. Urlaub im eigenen Land und in Regionen wie dem Bodensee sind prädestiniert dazu, mit dem Rad die Umgebung zu erkunden. Das spürt man in Städten und Gemeinden am See deutlich.

Gefahren nicht unterschätzen

Doch mit der Zunahme der Pedelecs häufen sich auch die Probleme. Immer wieder hört man von Menschen auf E-Bikes, die ohne erkennbare Einwirkung von außen stürzen. Und auch die sonstigen Unfälle mit anderen Verkehrsteilnehmern nehmen zu.

Für den erfahrenen Pedelec-Fahrer Bürgel liegt das an der fehlenden Übung vieler Radkäufer: „Es fehlt die Sicherheit. Die Leute müssen lernen, schneller zu beschleunigen und entsprechend zu bremsen“, sagt er. Genau solche Inhalte vermitteln er und andere Anbieter in speziellen Kursen für E-Bikes (siehe Infokasten).

Vor allem Menschen, die lange nicht mehr Rad gefahren sind, sind solche Kurse zu empfehlen. Nach Hanspeter Bürgels Erfahrung sind dies mindestens die Hälfte der Pedelec-Käufer. Daher sieht er ein stückweit auch die Händler in der Pflicht, auf derartige Angebote hinzuweisen.

Während Männer eher dazu neigen übermütig zu sein, sind weibliche Radfahrer oftmals zu ängstlich unterwegs. Beides sorgt für Unfallgefahren im Straßenverkehr. Mit entsprechenden Folgen. Fast jeder Radfahrer, der in einen Unfall verwickelt ist, verletzt sich auch. Der alte Spruch, dass man das Radfahren nicht mehr verlernt, hat damit also nur noch bedingte Aussagekraft.

Auch die Infrastruktur muss angepasst werden

Aber auch die Infrastruktur muss sich den geänderten Anforderungen anpassen. Nur wenn Radwege ausgebaut werden, können sie die steigende Zahl der Radfahrer aufnehmen und sicher zum Zielort geleiten. Städte und Kommunen nehmen sich dieser Aufgabe mehr oder weniger erfolgreich an.

Doch vieles, was auf dem Papier steht, ist in der Praxis nicht unbedingt tauglich. Folgediskussionen, wie sie zum Beispiel in Radolfzell in der Konstanzer Straße geführt werden, wo die Neuordnung der Straße für Kritik gesorgt hat, zeigen dies.

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