In fünf Jahren kann viel passieren – und es ist politisch auch viel passiert in Radolfzell, wie sich beim Blick auf die Zeit seit der Gemeinderatswahl 2019 zeigt. Blickt Siegfried Lehmann als Fraktionsvorsitzender stellvertretend für die Freie Grüne Liste zurück, so fällt sein Fazit „in der Summe positiv aus“, wie er berichtet. Schließlich sei aus Sicht seiner Fraktion so einiges bewegt worden.

Angefangen bei einem der großen Aufregerthemen der jüngeren Vergangenheit: die gescheiterte Seetorquerung. Lange war im Gemeinderat von einer neuen, breiten und schöneren Unterführung unter den Gleisen hindurch an den See geträumt worden. Doch schlussendlich wurde das auf zuletzt 25 bis über 30 Millionen Euro geschätzte Projekt beerdigt. Auf Antrag seiner Fraktion waren Anfang 2020 das Geld für die Entwurfsplanung und in der Finanzplanung alle weiteren Ausgaben gestrichen worden. Dreizehn Stadträte folgten damals dem Antrag. Und im Mai 2020 wurde dann schließlich auch der Grundsatzbeschluss zur Seetorquerung von 2018 aufgehoben – auch auf Antrag der FGL. Das Projekt wurde also auch formal beerdigt. Während andere Räte das bis heute bedauern, sagt Siegfried Lehmann über das Ende der Seetorquerung im Rückblick: „Das war einer der größten Erfolge, den wir gehabt haben.“ Das Vorhaben sei einfach zu teuer geworden, so Lehmann weiter.

Ende auch für die Streuhau-Bebauung

Ein weiteres Ende fand die Diskussion um eine Bebauung im Streuhau – im März 2022 beschloss der Gemeinderat mit überwiegender Mehrheit, das Streuhau als Landschaftsschutzgebiet auszuweisen. Zuvor war lange darüber diskutiert worden, was mit dem Areal zwischen Naturschutzgebiet Radolfzeller Aachried und dem Herzen passieren soll. Auch diesen Beschluss sieht Siegfried Lehmann positiv. Die Fraktion hatte damals den erfolgreichen Antrag gestellt, auch ein Änderungsverfahren des Flächennutzungsplans einzuleiten, um das Gebiet auch langfristig zu schützen. Mit der Bora-Sauna und dem bestehenden Hotel sollte die Grenze der Bebauung erreicht sein, sagt Lehmann heute. Das sei vom neuen Oberbürgermeister Simon Gröger gestützt worden, „und das war wirklich der Durchbruch“, so der FGL-Fraktionsvorsitzende.

Überhaupt wertet Siegfried Lehmann den Wechsel an der Rathausspitze als Erfolg seiner Fraktion – und auch der CDU und der SPD. Gemeinsam hätten sie sich vor der Wahl für einen Wechsel eingesetzt, dazu auch wesentlich beigetragen und nun könnten sich den Wechsel „alle drei Fraktionen auf die Fahne schreiben“.

Betreuungsgebühren, Wohnen, Klima

Und auch sonst nennt Siegfried Lehmann mehrere Projekte, für die sich die FGL eingesetzt habe. So habe die Fraktion während der Corona-Pandemie von der Stadt eine komplette Übernahme der Betreuungsgebühren für die Zeit gefordert, in der Betreuungseinrichtungen geschlossen blieben. Die kam tatsächlich, einige Wochen später beschloss der Gemeinderat den Erlass der Gebühren für die Kinderbetreuung in städtischen Einrichtungen für April und Mai 2020.

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Weitere Punkte, für die sich die FGL seit 2019 eingesetzt habe, seien unter anderem auch das Thema Wohnen und der Kampf gegen Wohnungsmangel gewesen. Hier beschloss der Gemeinderat kürzlich eine Zwecksentfremdungssatzung für Wohnungen, zudem wird es noch um eine kommunale Wohnungsbaugesellschaft, die die FGL schon in der Vergangenheit forderte, und Zweitwohnungssteuer gehen. Und auch das Klima sei für die FGL ein wichtiges Thema gewesen. Allerdings scheint dieses Thema Siegfried Lehmann zu langsam voranzukommen. Schon 2011 sei das integrierte Klimaschutzkonzept vom Gemeinderat beschlossen worden, 2019 sei festgelegt worden, dass Radolfzell die Klimaschutzziele bis 2035 erreichen will.

„Wir sind auf einem guten Weg“

Jedoch folgen erst in diesem Jahr die ersten Beschlüsse zum integrierten Klima- und Mobilitätskonzept, beklagt Lehmann. Und auch bei der geplanten energetischen Sanierung städtischer Gebäude sei die Stadt immer noch in der Durchführung. Hier sehe sich die FGL in der Pflicht, die angestrebten und beschlossenen Maßnahmen einzufordern. „Es reicht nicht aus, ein Konzept nur zu beschließen“, betont er – sagt aber auch: „Wir sind da auf einem guten Weg.“

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Weitere Punkte, die sich positiv in Radolfzell entwickelt hätten, waren laut Siegfried Lehmann unter anderem die Digitalisierung der Schulen, die Linderung des Kita-Notstands durch den Einsatz des Malteser Hilfsdienstes nach dem Offenburger Modell in zwei Betreuungseinrichtungen und die Ausweitung der Angebote der Zeller Karte. Und auch bei den schon länger angedachten neuen Bahnhaltepunkten beim Libellenweg und im Altbohl tat sich zuletzt etwas. Zu dem Thema soll die Leiterin des Amtes für Nahverkehr und Schülerbeförderung des Landkreises in den Rat eingeladen werden. Und Siegfried Lehmann hatte den Antrag gestellt, dieses Vorhaben zu einem Leuchtturmprojekt des Klima- und Mobilitätskonzepts zu machen.

Manche Wünsche blieben unerfüllt

Dennoch gibt es aus Sicht von Siegfried Lehmann auch Entwicklungen, die nicht im Sinne der FGL waren – zum Beispiel die Entstehung des neuen Kunstrasenplatzes auf der Mettnau. Das Projekt, dessen Kosten zuletzt mit vier Millionen Euro angegeben wurden, sei zu teuer und passe nicht in diese Landschaft, auch aus verkehrstechnischer Sicht. Er hätte sich stattdessen eher gewünscht, dass ein alter Platz saniert und vielleicht zum Kunstrasenplatz umgewandelt werden würde.

Und auch ein vorausschauender Ausbau der Kita-Plätze in Radolfzell sei nicht gelungen, beklagt Lehmann. „Seit Jahren hinken wir hinterher“, befindet er. Dabei gehe es nicht auch um das Thema Ganztagesplätze. „Wir müssen ganz schnell aus er Notlage rauskommen.“ Weiter bemängelt er die Finanzpolitik der Stadt. Es werde zu viel Geld ausgegeben in Bereichen, die keine Priorität haben, findet Lehmann – oder dann nicht umgesetzt werden. „Die Stadt muss sparsam werden und wirklich Schwerpunkte setzen und sich darauf konzentrieren“, sagt er, auch mit Blick auf die angespannte Haushaltssituation. Wichtig seien zum Beispiel Themen wie Schulsanierung, Betreuung und ÖPNV.