Die Zahl der Männer und Frauen in Deutschland ist eigentlich ziemlich gleichmäßig verteilt: Laut der Bundeszentrale für politische Bildung setzte sich die Bevölkerung im Jahr 2018 zu 50,7 Prozent aus Frauen und 49,3 Prozent aus Männern zusammen. Ganz anders sieht es jedoch in der Politik aus: Wie es in einer Studie der Organisation EAF Berlin heißt, haben Männer rund 70 Prozent der Mandate in Bund, Ländern und Kommunen inne. Bei den Kreistagswahlen 2019 gingen laut dem Statistischen Landesamt Baden-Württemberg rund 22,6 Prozent der Kreistagsmandate an Frauen, bei der Gemeinderatswahl rund 26,8 Prozent.
Wie der Anteil nach den diesjährigen Kommunalwahlen ausfällt, wird sich erst noch zeigen. Fest steht allerdings, dass auch der Anteil der weiblichen Kandidaten in Radolfzell und auf der Höri deutlich unter dem der männlichen Kandidaten liegt. In Radolfzell und Öhningen belegen so über alle Fraktionen hinweg Frauen nur rund 37,7 Prozent der Listenplätze, in Moos sind es rund 28,6 Prozent, in Gaienhofen 36 Prozent.
„Frauen haben ihre eigenen Lebenswelten“
Dabei ist es wichtig, dass auch Frauen sich in der Politik, auch in der Lokalpolitik engagieren, erklärt Monika Laule. Sie kennt sich mit dem Thema aus, schließlich ist sie seit 2012 Bürgermeisterin von Radolfzell und arbeitet auch regelmäßig mit dem Gemeinderat zusammen.
Da Frauen mehr als die Hälfte der Bevölkerung ausmachen, sei es wichtig, dass Frauen auch annähernd gleich in der Politik vertreten sind, sagt sie. Nur so können Themen in aller Vielfalt bearbeitet und entschieden werden. Denn: „Frauen haben ihre eigenen Lebenswelten“, erklärt Monika Laule. Sie haben ihre eigenen Erfahrungen gemacht, ihre eigenen Perspektiven, ihre eigenen Belange, ihre eigenen Kontakte. Zudem würden sie sich tendenziell mehr für Themen wie etwa Bildung einsetzen als Männer. „So etwas muss auch in einem Gremium mit vertreten sein“, betont die Bürgermeisterin. „Es ist richtig und wichtig, dass die Hälfte der Gesellschaft nicht außen vor ist.“
Monika Laule erlebt viele Frauen in ehrenamtlichen Positionen. Allerdings müssten sie um Geld für ihre Belange betteln, schildert sie. „Sie werden nicht so gehört, wie wenn sie am Ratstisch sitzen und ihre Stimme erheben“, sagt Laule. Denn dort wird etwa über Gelder für Vorhaben in der Stadt entschieden.
Frauen gehen Aufgaben anders an
Auch Eva Straub und Christine Schäfer, betonen: „Durch die Vielseitigkeit der Aufgaben, die Frauen täglich zu bewältigen haben, Beruf, Familie, Haushalt, Ehrenamt et cetera, verfügen Frauen über einen sehr reichhaltigen Erfahrungsschatz.“ Sie würden über Lösungsstrategien zur Bewältigung unterschiedlichster Herausforderungen verfügen und seien „Organisations- und Kommunikationstalente mit großem Wissen“. Straub und Schäfer haben in diesem Jahr in Öhningen die „Neue Liste“ ins Leben gerufen haben, auf der nur Frauen stehen. Sie sind überzeugt: „Frauen gehen Probleme meist lösungsorientierter und konsensfähiger an, finden leichter Kompromisse und vermeiden damit Spaltung in der Gemeinde.“
Für Frauen sei ein klärendes Gespräch mit allen Beteiligten bereits im Vorfeld einer zu lösenden Aufgabe wichtig, so Straub und Schäfer. „Leider kommt das bislang im Gemeinderat unserer Gemeinde zu kurz, was zu sehr langen Findungsprozessen führt“, schreiben sie. Ihr Ziel sei es nun, „den Frauenanteil im Öhninger Gemeinderat deutlich zu erhöhen, um den weiblichen Blick auf Politik und gesellschaftliches Leben zu stärken“.
Was Parteien und Kommunen tun können
Warum aber stehen insgesamt nicht so viele Frauen auf den Kandidatenlisten? „Ich habe das Gefühl, dass Frauen sich das eher nicht so zutrauen“, sagt Monika Laule. „Und sie vertrauen weniger darauf, dass sie die Stärken haben.“ Das hänge sicher auch mit der Erziehung zusammen.
Allerdings sieht Monika Laule unter anderem auch Parteien und Kommunen in der Pflicht, etwas zu tun, um Frauen ein politisches Engagement zu erleichtern. So sei es Aufgabe von Parteien, Frauen zu fördern und auf den Listen für die Wahlen paritätisch zu arbeiten. „Die Parteien haben es in der Hand, viel zu bewegen“, ist sich Laule sicher.
Und Kommunen könnten auch etwas tun – wie Monika Laule berichtet, erhalten Gemeinderatsmitglieder so etwa eine Vergütung, wenn sie während ihrer Mandatsausübung Unterstützung bei der Betreuung erhalten. Auch könnten Sitzungszeiten so gelegt werden, dass sie familienfreundlich sind, so die Bürgermeisterin. Und während das in Radolfzell aktuell rechtlich nicht möglich sei, könnten auch hybride Gemeinderatssitzungen durchgeführt werden, an denen Räte mit Kindern von zuhause aus digital teilnehmen können. Zudem brauche es die Unterstützung der Familie.
Und: „Es ist wichtig, Vorbilder zu haben, um Nachwuchs zu gewinnen“, sagt die Radolfzeller Bürgermeister. So könnten zum Beispiel Politikerinnen potenzielle Kandidatinnen an die Hand nehmen. Und auch der Jugendgemeinderat, den es in Radolfzell bereits seit vielen Jahren gibt, sowie Schulen können das Interesse für Politik wecken und Lust am Gestalten der Kommune machen, so Laule. Ebenso die Lokale Partnerschaft für Demokratie, die verschiedene Aktionen in Radolfzell organisiert.
Es braucht auch Respekt
Monika Laule appelliert jedenfalls an Frauen, sich politisch zu engagieren. „Kommunalpolitik macht Spaß“, sagt sie – denn dort könne zum Geschehen im Ort mitgeredet und mitgestaltet werden, man habe mit Menschen zu tun und wisse im Gespräch mit ihnen, „wo der Schuh drückt“. Und: „Man lernt auch viel dabei.“ Mit der Zeit wachse man in die Aufgabe hinein und werde mutiger.
Allerdings hat die Radolfzeller Bürgermeisterin auch eine Aufforderung an die Gemeinderäte. „Wünschenswert wäre es, wenn man nicht mehr sagt, das ist Frauenpolitik, das Männerpolitik“, sagt sie – sondern dass einfach gemeinsam gestaltet werde. Aber: „Dazu gehört auch ein respektvoller Umgang im politischen Alltag.“