Drei Wochen nach der Geburt ihrer Tochter Lisa stand Diana Maier-Ketterer wieder in ihrem Hofladen in Moos. Nicht weil sie wollte, wie sie sagt, sondern weil sie kaum eine andere Wahl hatte. Trotz Kaiserschnitt und einer Empfehlung ihrer Frauenärztin, sich noch zu schonen. Doch Mutterschutz sieht anders aus oder fehlt sogar ganz, wenn man selbstständig ist. Das merkt auch Konditorin Anne Blatter-Miredin aus Gottmadingen: Sie hat jüngst ihren Nachwuchs auf die Welt gebracht und stellt sich darauf ein, schon in drei Monaten samt Baby in der Backstube zu stehen. Denn die Kosten für den Betrieb laufen weiter, doch ohne sie läuft das Geschäft nicht.

Deutschland erfüllt die Mindeststandards der Europäischen Union, was den Mutterschutz angeht: 14 Wochen Ruhezeit erhalten Frauen mit voller Lohnfortzahlung rund um die Geburt ihres Kindes. Sechs Wochen vor der Geburt und acht danach. Einige andere Länder bieten mehr und liegen im Mittelfeld bei 16 bis 18 Wochen. Doch für selbstständige Mütter gelten keine Mindeststandards: „Selbständige entscheiden selbst darüber, bis wann sie vor und oder nach der Geburt arbeiten“, erklärt das Bundesministerium für Landwirtschaft auf Nachfrage. Das gilt für alle selbstständigen Frauen und für Geschäftsführerinnen.

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Was nach ultimativer Freiheit klingen könnte, bedeutet finanzielle Unsicherheit: „Ich kann ja nicht nach 13 Jahren zumachen und dann nach zwei Jahren Elternzeit wieder bei null anfangen“, erklärt Diana Maier-Ketterer. Sie möchte ihre Tochter nicht missen, sagt aber auch: „Wenn man das als Unternehmerin ganz genau durchrechnet, würde man kein Kind bekommen.“

Beschäftigungsverbot kommt nicht in Frage

Während andere Schwangere, die viel stehen und körperlich arbeiten, von ihren Ärzten ins Beschäftigungsverbot geschickt werden, war das für die beiden Selbstständigen keine Option: „Mein Frauenarzt kam schon in der neunten Woche mit dem Thema, doch dann hätte ich meine Aufträge nicht erfüllen können“, sagt Anne Blatter-Miredin. Ihr Mann habe dann beispielsweise das Schleppen der 25-Kilo-Mehlsäcke übernommen, doch lange Arbeitstage blieben.

Auch Diana Maier-Ketterer konnte ihr Pensum nur bedingt reduzieren, schließlich würden viele Menschen von ihrer Arbeit im Betrieb leben. Daher habe sie Geld für die Zeit ihrer Schwangerschaft gespart und möglichst lange gearbeitet. Auch wenn das bedeutete, schon um 5 Uhr morgens im Gewächshaus zu stehen, bevor die Hitze zu anstrengend wurde.

Bild 1: Selbstständig und Mutter: Warum das ein Existenzrisiko bedeutet
Bild: Arndt, Isabelle

Erst wenige Wochen vor der Geburt habe sie den Arbeitsplan so angepasst, dass sie häufiger vorne im Laden stand. hne Team und Eltern wäre das nicht gegangen. Tochter Lisa kam dann Mitte September zur Welt – nur wenige Tage nach der letzten Schicht.

Zu Person und Betrieb

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Auch der Geburtstermin von Anne Blatter-Miredin liegt günstig: Das Weihnachtsgeschäft und Valentinstag konnte sie noch bestreiten. Dann ging sie in den Mutterschutz. Das geht nur, weil die Konditorin sich extra gesetzlich versichert und eine Krankentagegeld-Versicherung abgeschlossen hat. „Viele Kolleginnen von mir sind schwanger, privat versichert und bekommen kein Geld. Das muss man sich dann leisten können und das ist schade“, sagt sie.

Ihr gebe die gesetzliche Versicherung etwas Sicherheit und Ruhe, aber nicht komplett: „Mir wurden für die sechs Wochen Mutterschutz 1400 Euro ausgezahlt. Und die Kosten der Backstube zahlt mir keiner.“

Menschen stehen regelmäßig Schlange für ihre Törtchen: Anne Blatter-Miredin hat sich Ende 2021 komplett selbstständig gemacht und bringt ...
Menschen stehen regelmäßig Schlange für ihre Törtchen: Anne Blatter-Miredin hat sich Ende 2021 komplett selbstständig gemacht und bringt modernes Solo-Unternehmertum aufs Land nach Gottmadingen. | Bild: Arndt, Isabelle

Daher habe sie Rücklagen gebildet, größere Investionen verschoben und werde bald wieder arbeiten: Nach der Geburt Ende April bleiben ihr noch etwas mehr als drei Monate, bis sie am 1. August wieder starten und Hochzeitstorten backen will. Ihr Mann werde künftig Teilzeit arbeiten, die Großeltern sind auch parat und sie habe zum Glück eine Tagesmutter gefunden.

Betriebshelfer unterstützen in der Landwirtschaft

In der Landwirtschaft ist man einen Schritt weiter, denn Betriebshelfer sollen dafür sorgen, dass die Einkommensgrundlage erhalten bleibt. Diese gibt es seit 1964, wie die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) erklärt. Bei ihr sind alle Landwirte pflichtversichert. Grundsätzlich ist es während der gesamten Schwangerschaft sowie bis zu acht Wochen nach der Entbindung möglich, Leistungen der Betriebs- und Haushaltshilfe in Anspruch zu nehmen.

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Doch bei Diana Maier-Ketterer lief es anders: Erst habe es kein passendes Formular dafür gegeben, dass sie als Betriebsinhaberin schwanger ist, dann habe die SVLFG keinen Betriebshelfer stellen können. „Die SVLFG selbst hat rund 160 eigene Ersatzkräfte“, erklärt Frank Hassenpflug als Fachexperte der Behörde. Dazu kämen mehrere tausend Ersatzkräfte von Vertragspartnern. Wie viele es im Kreis Konstanz sind, kann er nicht sagen.

Aber: In der Praxis hat das nicht geklappt

Die 38-jährige Landwirtin von der Höri musste selbst jemanden finden, doch das sei nicht so einfach gewesen: Verwandte würden nicht bezahlt werden, auch ein aktuelles oder früheres Angestelltenverhältnis im Betrieb sei untersagt. Als eine Betriebshelferin gefunden war, habe sie nur fünf Tage pro Woche für jeweils sechs Stunden arbeiten dürfen.

Die SVLFG geht auf Nachfrage nicht auf diese Schilderung ein und weist sie als unzutreffend zurück. Die Behörde betont allgemein: Die Anforderungen an Frauen in der Landwirtschaft seien oftmals beträchtlich, daher biete die SVLFG frühzeitig eine umfassende Beratung.

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Diana Maier-Ketterer bleibt dabei, dass Theorie und Praxis in ihrem Fall leider anders aussahen. Als im Sommer der Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir auf der Höri zu Besuch war, schilderte sie ihm ihre Probleme. Seitdem habe es zwei Rückfragen eines Arbeitskreises gegeben, die letzte war im Oktober. „Seitdem habe ich nichts mehr gehört.“

Petition erreicht 111.794 Unterschriften

Dafür tut sich an anderer Stelle etwas, angestoßen von Johanna Röh aus Niedersachsen. Die Tischlermeisterin war während ihrer Schwangerschaft krankgeschrieben und tat sich sehr schwer, die laufenden Kosten ihrer Werkstatt zu bedienen. Sie hat mit der Forderung „Mutterschutz für alle“ eine Petition gestartet, 111.794 Unterschriften gesammelt, eine Initiative mit inzwischen 100 Mitgliedern gegründet und damit einen Wandel angestoßen.

Inzwischen beschäftigt sich das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend mit dem Thema und es läuft eine Bedarfsanalyse. Bundesfamilienministerin Lisa Paus versichert in einer Stellungnahme zur Petition, dass es wichtig sei, dass selbstständige Frauen vor und nach der Geburt abgesichert sind.

Und was ist mit Elternzeit?

Die Erfahrungen von Anne Blatter-Miredin und Diana Maier-Ketterer zeigen auch: Wenn Mutterschutz schon eingeschränkt ist, wird es auch bei der Elternzeit spannend. Maier-Ketterer hat nach eigenen Angaben ein Jahr Elterngeld beantragt, doch dabei würden die Mehrkosten im Betrieb nicht berücksichtigt und sie habe sich daher keine Elternzeit nehmen können. Anne Blatter-Miredin überlegt noch, geht aber davon aus: „Das wird kompliziert.“