Fragen nach einer geplanten Schwangerschaft im Bewerbungsgespräch, Kündigungen nach dem Ende der Elternzeit, ein geringeres Gehalt oder eine schlechtere Position beim Wiedereinstieg sowie negative Bemerkungen bei Fehlzeiten durch ein krankes Kind – all dies sind Beispiele für die tagtägliche Diskriminierung von Frauen beziehungsweise Eltern im Berufsleben. Diese Diskriminierung und was dagegen getan werden könnte, nahm die Landtagsabgeordnete Dorothea Wehinger als Thema für ein Fachgespräch, zu dem sie in den Treffpunkt Horizont nach Singen einlud.
Isabelle Büren-Brauch, Rechtsanwältin für Familien- und Arbeitsrecht, erklärte zu Beginn des Abends die rechtlichen Grundlagen. Ob Mutterschutzgesetz, allgemeines Gleichstellungsgesetz oder das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz, viele werdende Eltern würden ihre Rechte nicht kennen. So sei zum Beispiel oftmals die Möglichkeit der Teilzeit in Elternzeit nicht bekannt. Zwischen 15 und 32 Wochenstunden können bei dieser Beschäftigung gearbeitet werden. Es müssen dringende betriebliche Gründe vorliegen, damit der Arbeitgeber den Anspruch darauf verwehren kann.
Die Weichen frühzeitig stellen
Der große Vorteil dieser Beschäftigungsform besteht im besonderen Kündigungsschutz, der während der Elternzeit weiter besteht. Grundsätzlich, empfahl Büren-Brauch, sich schon vor der Geburt über seine Rechte zu informieren und das Gespräch mit dem Arbeitgeber über die Zeit nach der Geburt zu suchen. Wichtig sei es auch, die Elternzeit rechtzeitig zu beantragen. Dies müsse spätestens sieben Wochen vor Beginn der Elternzeit geschehen. Auch empfehle sie, gleichzeitig bereits den Antrag auf Teilzeitarbeit zu stellen, so dies gewünscht sei.

Ein Beispiel, wie Frauen die Rückkehr in den Beruf leichter gemacht werden kann, präsentierte die Pflegedirektorin des Hegau-Bodensee-Klinikums (HBK) Claudia Keller. In ihrem Flexpool-Modell, das Keller bereits erfolgreich an ihrer früheren Wirkungsstätte in Ravensburg eingeführt hatte, können Wiedereinsteigerinnen ihre Arbeitszeit selbst bestimmen. 16 Pflegekräfte nützten aktuell dieses Modell im HBK. Auch für den Klinikalltag eher ungewöhnliche Arbeitszeiten, die jedoch dem Alltag junger Eltern entgegenkämen, seien dabei möglich. Beliebte Arbeitszeiten seien von 18 bis 1 Uhr, wenn der Partner sich um die Versorgung der Kinder kümmern könne, oder von 7 bis 12 Uhr, wenn die Kinder in Kita oder Schule seien. Eine betriebseigene Kindertagestätte werde übrigens beim Neubau des Klinikums mit geplant.
Umdenken auf vielen Ebenen erforderlich
Einig waren sich die überwiegend weiblichen Teilnehmerinnen der Gesprächsrunde darin, dass noch viel Umdenken erforderlich sei. Nach wie vor sähen manche Arbeitgeber Teilzeit als kritisch an. Hier sei Mut, Flexibilität und der Bereitschaft zur Innovation gefragt, um neue Wege zu gehen. So sei es durchaus möglich, Führungspositionen im Tandem zu besetzen. Schon während der Schwangerschaft der Arbeitnehmerin könnten Arbeitgeber einiges tun, damit diese gerne wiederkäme. Und auch während der Elternzeit könne der Kontakt durch Einladungen zu Seminaren oder Firmenveranstaltungen gehalten werden.
Eine Verbesserung der Situation junger Eltern auf rechtlicher Ebene fordert aktuell die Initiative ‚#proparents‘. Sie hat es sich zum Ziel gesetzt, dass das Merkmal „Elternschaft“ zusätzlich zu den bestehenden Diskriminierungsmerkmalen in das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz aufgenommen wird. Dies ist im Nachbarland Österreich bereits der Fall. Es bleibt die Hoffnung, dass der zunehmende Fachkräftemangel und der anstehende Renteneintritt der Babyboomer-Generation für ein schnelleres Umdenken in den Chefetagen sorgen.