Die Jahre der Enthaltsamkeit sind vorbei, die Stadt Radolfzell feiert nach zwei Jahren Pandemie am dritten Juliwochenende wieder ihr Hausherrenfest in altem Glanz mit Hochamt, Prozession und Fest am See. Über 300 Besucher besuchten am Sonntagmorgen den Gottesdienst auf dem Marktplatz, dessen Altar auf der Bühne zwischen Kaufhaus Kratt und Stadtbibliothek aufgebaut war. Der Kirchenchor sang aus dem Schatten des ehemaligen Kaufhaus Moriell heraus, das Schlagzeugensemble von Yu Fujiwara erweiterte mit seinen jazzigen Marimbophonklängen das Hörerlebnis.

Die katholische Pfarrgemeinde hat sich nicht hinter alten Zeremonien versteckt, sondern mit der Wahl des Festpredigers Monsignore Professor Obiora Francis Ike aus Nigeria und mit der Wahl des Marktplatzes für das Hausherrenamt ein Bekenntnis für ein weltoffenes Hausherrenfest gesetzt. Denn, so bemerkte Stadtpfarrer Heinz Vogel in seiner Begrüßung, zwei der drei Heiligen Hausherren, Senesius und Zeno, hätten afrikanische Wurzeln, Theopont kam der Legende nach aus Kleinasien.
Europäer wollen Mittagessen
Prälat Ike griff in seiner Festpredigt diesen Faden auf und beschrieb mit lutherischer Wortgewalt, woran es der modernen Gesellschaft fehlt: „Europa will nicht das Wort Gottes hören, die wollen Mittagessen!“ Mit seiner klaren und direkten Ansprache zielte er in die Herzen seiner Zuhörer. Es sei dämmrig in vielen Teilen der Erde. Despoten und Kriege brächten Dunkelheit in diese Welt. Doch es gebe nicht nur den Krieg in Ländern wie der der Ukraine, Iran und Irak, die Dunkelheit befalle auch Einzelne, Gemeinschaften und Ehen, sagte Ike: „Man findet alles in Radolfzell.“ Wenn der Mann, Angst habe, heimzukommen, „weil die Frau ihm die Faust zeigt“. Oder umgekehrt.
Zu viel Stolz überall, befindet Monsignore Ike: „Mein Haus, mein Auto, mein Geld.“ Zu viele hätten ihre Talente begraben und säßen in der Kneipe, anstatt Liebe zu praktizieren und Geduld zu zeigen. Doch Professor Ike, der in Nigeria auch Präsident des Club of Rome ist, kann damit wenig anfangen: „Das alles ist nichts.“ Die Antwort auf alles sei Nächstenliebe, und das sei gar nicht so schwer: „Der Nächste ist wie Du.“ In seiner Heimat Igbo gäbe es den Ausdruck „Ich liebe Dich“ in einer anderen Form: „In unserer Sprache heißt das: Ich habe mich in Deinen Augen gesehen.“ Für Prediger Ike bedeutet das: „Mein Leben ist mit Deinem verbunden.“
Beim Hausherrenfest spüre man die Verbundenheit und die Gemeinschaft. „Wir sind alle Träger von etwas Gutem, was hier begonnen hat, das können wir wir weitergeben.“ Die größten Kriege würden wir in unserem Inneren kämpfen. Der Priester aus Nigeria empfahl, über das Hausherrenfest und ihre Heiligen den inneren Frieden zu finden: „Der Mensch ist fähig, Gutes zu tun“, schloss Professor Ike seine Predigt.

Pfarrer Vogel schickte dann etwas improvisiert die Hausherrenprozession vom Marktplatz auf die Reise. Aber spätestens, als die Stadtkapelle in der Kirchgasse das Hausherrenlied anstimmte, hatten sich alle im bekannten Hausherrenfest-Modus getroffen. Dass Salomon aus Nigeria und Manuel aus Ruanda die Büste des heiligen Zeno trugen, passte bestens ins weltoffene Bild des Hausherrenfests 2022.
Die besten Fotos vom Hausherrenfest gibt es auf SÜDKURIER Online. Mit einem Klick hier gelangen Sie zu den Bildern vom Galakonzert des Jugendblasorchesters, hier gibt es die Bilder vom Hausherrenamt und so kommen Sie zu den Bildern von der Prozession. Eine Bilderstory vom Festbetrieb auf der Promenade gibt es außerdem hier zu sehen.