Was die Oscar-Verleihung für den internationalen Film ist, das ist für die Tonträgerproduktion hierzulande der Ehrenpreis der deutschen Schallplattenindustrie. So versteht sich der eingetragene Verein mit Sitz in Berlin in seinem Selbstverständnis: „Ehrenpreise in Form von Urkunden vergibt der Jahresausschuss an herausragende Persönlichkeiten, die sich als Interpreten, Künstler oder Produzenten um die Musikaufzeichnung auf Ton- und Bildtonträgern besonders verdient gemacht haben.“ Und die Gewinnerin im Jahr 2021 ist – Ute Kleeberg (62), aufgewachsen in Radolfzell und ansässig mit ihrer Edition Seeigel in Iznang, einem Ortsteil von Moos.

Und die Felchen staunen: Mit weißrotem Schwimmring und guter Laune – so geht der See-Igel im Untersee baden.
Und die Felchen staunen: Mit weißrotem Schwimmring und guter Laune – so geht der See-Igel im Untersee baden. | Bild: Georg Becker - Zeichnung: Dierks, Christian

Damit reiht sich die Kinderhörbuch-Herausgeberin Ute Kleeberg unter prominenten Namen ein. Der Rapper Moses Pelham, der als „fünfter Beatle“ in die Musikgeschichte eingegangene Bassist und Grafiker Klaus Voormann, Musiker und Schriftsteller Sven Regener, Pop-Künstler Peter Gabriel (Genesis) oder der deutsche Liedermacher Reinhard Mey gehören dazu. Nach über 47 Produktionen mit klassischer Musik und Sprache und 26 Jahren Arbeit an und mit Märchen ist dieser Ehrenpreis nun an die Macherin und Verlegerin mit Sitz am Untersee gegangen: „Jetzt habe ich den Ruhm“, sagt Ute Kleeberg auf ihre trockene, hintergründige Art.

Das Lob der Jurorin

Nun, den muss sie sich gehörig verdient haben. Eleonore Büning, Musikkritikerin bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und Jurorin, schreibt in ihrer Laudatio auf Ute Kleeberg: „Mehrfach standen Kleebergs Produktionen auf den Bestenlisten.“ Vor einem Vierteljahrhundert sei Ute Kleeberg mit einer „revolutionären Idee“ auf dem Markt der Hörbücher eingestiegen, zusammen mit ihrem Mann, dem Klarinettisten Uwe Stoffel, gründete sie die Edition See-Igel. „Sie erzählte den Kindern wieder alte Märchen. Und spielte ihnen an all den Stellen, an denen sich ein Fenster öffnet ins Reich der Fantasie, allerhand rare, romantische Kammermusikstücke vor“, beschreibt Büning die Arbeit von Ute Kleeberg.

Das könnte Sie auch interessieren

Seit der Gründung der Edition See-Igel sind mehr als vierzig Kinderhörbücher entstanden, „mit erstklassigen Sprechern, zauberhaften Musiken, professionell eingespielt, vom Feinsten“, wie Kritikerin und Jurorin Büning lobt. Ute Kleeberg hat Geschichten selbst erfunden wie „Sternenstaub“, sie hat auch Klassiker der Märchenwelt neu entdeckt, entstaubt und umgeschrieben. Etwa die Märchen „Kalif Storch“ und „Zwerg Nase“ von Wilhelm Hauff oder „Das tapfere Schneiderlein“ der Gebrüder Grimm. „Textarbeit“ nennt Ute Kleeberg das. Sie stört es, „wenn eine Prinzessin nur hübsches Beiwerk ist“.

Verlegerin statt Lehrerin

Das Bild der klassischen Prinzessin entspräche so gar nicht ihrem Weltbild und ihrem Werdegang, der geprägt ist von selbstbewusster Emanzipation. Aufgewachsen und zur Schule gegangen in Radolfzell, hatte sie sich dort in der Jugendzentrumsinitiative und der Theatergruppe engagiert. Nach dem Studium der Sonderpädagogik und ersten Jahren als Lehrerin an der Oberlinschule in Reutlingen stand sie 1995 vor der Frage: Beamtin auf Lebenszeit oder die Gründung eines eigenen Hörbuchverlags? Ute Kleeberg sagt es heute ohne die leiseste Spur der Reue: „Ich habe auf die Verbeamtung verzichtet.“ Sie wollte etwas anderes: „ich wollte immer einen Beruf haben, indem ich unabhängig und kreativ sein darf.“

Das könnte Sie auch interessieren

Den Beruf hat sie als Produzenten und Verlegerin gefunden. Sie ist mit dem Anliegen angetreten, Geschichten und Märchen mit klassischer Musik zu verbinden. Zusammen mit ihrem Mann Uwe Stoffel hätte sie zuerst nach Produktionen gesucht, die Kindern klassische Musik ans Herz legen. „Wir waren überrascht, dass es so wenige gibt.“ Wenn Uwe Stoffel als Solo-Klarinettist mit der Württembergischen Philharmonie auf Tour war, hat er nach Noten Ausschau gehalten, zusammen haben sie in Archiven gestöbert. Die letzte Auswahl auch bei der Musik habe immer seine Frau getroffen, sagt Stoffel: „Sie hat eine Begabung, die ich nicht habe – Ute montiert beim Erzählen der Märchen die Musik an die richtige Stelle. Dafür hege ich eine große Bewunderung.“

Erzählerin Eva Mattes.
Erzählerin Eva Mattes. | Bild: Patrick Seeger, dpa

Das Kriterium, das Ute Kleeberg bei Auswahl und Produktion der Hörbücher trifft, sei immer das gleiche: „Du hörst dir das an und musst nur eine Frage beantworten: Berührt Dich das oder nicht?“ Das kommt an und hat sich früh bei bekannten Sprechern herumgesprochen. Schauspieler Christian Brückner (Das Boot), der als deutsche Stimme von Robert De Niro gilt, hat sie auf der Büchermesse in Leipzig überzeugt. Dazu kamen Eva Matthes, Matthias Brandt, Ulrich Noethen oder Benno Fürmann. Eine illustre Schar. Doch im Studio gibt es kein Vertun: „Da bin ich der Chef“, sagt Ute Kleeberg.

Vorleser Christian Brückner.
Vorleser Christian Brückner. | Bild: Gehrmann-Röhm, Susanne

Christian Brückner hat den Ehrenpreis der deutschen Schalplattenkritik 2017 in der Kategorie „Wortkunst“ bekommen, Ute Kleeberg 2021 in der Kategorie „Produzentin“. Es habe schon viele schöne Preise für ihre exzellenten Hörbücher gegeben. „Aber jetzt, endlich, gibt es den Ehrenpreis der deutschen Schallplattenkritik für die gesamte Edition“, schreibt Jurorin Büning. Der Seeigel ist nun amtlich berühmt.

Christian Dierks illustriert die Hörbücher

  • Und der Igel schwimmt doch – dieses Hörbuch hat die See-Igel-Edition im Frühjahr 2021 zum 25-jährigen Bestehen herausgebracht. Eine Geschichte von Ute Kleeberg, erzählt von Schauspieler Robert Stadlober. Christian Dierks, Grafiker und Maler aus Radolfzell, hat die witzige Illustration eines badenden Igels mit Schwimmring gemalt. Christian Dierks hat fast alle Cover der Hörbücher illustriert.
  • Für Menschen – so steht es in den Texten zu den Hörbüchern. Mal ab fünf Jahren, mal ab sechs, mal ab zehn Jahren. Mal sind es Märchen wie „Das tapfere Schneiderlein“, „Das kalte Herz“, „Der kleine Muck“ oder Geschichten wie „Sternenstaub“, „Wunder mit Huhn“, „Johnny Flughase“. Ute Kleeberg hat gute Erfahrungen mit den Radolfzeller Buchhandlungen gemacht: „Da sind wir gut vertreten.“
  • Noch ein Preis - für das Hörbuch „Prinzessin graues Mäuschen“ mit Eva Matthes wurden die See-Igel-Macher 2010 mit dem deutschen Musikpreis Echo Klassik ausgezeichnet.