Das Gehölz im Markelfinger Winkel ist mittlerweile etwas nachgewachsen. Noch immer nicht gelichtet haben sich hingegen die Umstände, wie es zum Kahlschlag am Seeufer gekommen ist. In der jüngsten Sitzung des Ausschusses für Planung, Umwelt und Technik sollte dies – eigentlich – „lückenlos aufgeklärt“ werden. So hatte es die Freie Grüne Liste (FGL) in einem Antrag vor zwei Monaten gefordert.

Bild 1: Der Zwang zur Selbstanzeige und fehlende Transparenz: So wurde die illegale Rodung durch die Stadt aufgearbeitet
Bild: Jarausch, Gerald

Aber die Sitzungsvorlage wies jede Menge Informationsdefizite auf und OB Martin Staab zeigte sich auch nicht gewillt, diese zu schließen. Die Anlagen zwei bis fünf bleiben unter Verschluss. In Rücksprache mit dem Regierungspräsidium (RP) Freiburg wolle er daran festhalten, diese Protokolle weiterhin nichtöffentlich zu behandeln. Durch die Zusammenfassung der Protokolle in der Sitzungsvorlage sei, so zitiert Staab die Antwort des RP, ausreichend Öffentlichkeit geschaffen.

Das RP hingegen berichtet, dass eigentlich besprochen worden sei, die Stellungnahmen zu veröffentlichen. „In einem Telefonat zwischen der Stadt Radolfzell und der Kommunalaufsicht des Regierungspräsidiums im Vorfeld der Sitzung wurde mitgeteilt, dass die Stellungnahmen öffentlich zu behandeln sind“, schreibt Heike Spannagel, Pressesprecherin im Regierungspräsidium Freiburg.

Bild 2: Der Zwang zur Selbstanzeige und fehlende Transparenz: So wurde die illegale Rodung durch die Stadt aufgearbeitet
Bild: Jarausch, Gerald

Eine nichtöffentliche Behandlung von Stellungnahmen sei zulässig, wenn es das öffentliche Wohl oder die Interessen Einzelner erforderten. Dies sei aber eine Einzelfallentscheidung, die der OB alleine treffe, so Spannagel. Martin Staab begründete die nichtöffentlichen Anlagen damit, dass er die städtischen Mitarbeiter schützen wolle.

Der OB hält sich in der Sitzung zurück

Damit endete aber auch die Gesprächsbereitschaft des OB zu diesem Thema. Für gewöhnlich gibt es zu den einzelnen Tagesordnungspunkten im Ausschuss einen Sachvortrag des jeweiligen Abteilungsleiters oder eines Mitarbeiters, der das Thema den Stadträten näher erläutert und für Fragen zur Verfügung steht. Bei diesem Tagesordnungspunkt, der unter „Verschiedenes“ gelistet wurde, ging es direkt in die Diskussion.

„Von mir wurde ein Auftrag erteilt, einer Bürgerbeschwerde soweit als möglich nachzukommen.“Martin Staab, Oberbürgermeister
„Von mir wurde ein Auftrag erteilt, einer Bürgerbeschwerde soweit als möglich nachzukommen.“Martin Staab, Oberbürgermeister | Bild: Becker, Georg

FGL-Fraktionssprecher Siegfried Lehmann führte diese allerdings alleine, denn OB Staab ging auf keine Fragen ein. Intern geprüft worden sei die Angelegenheit durch das Rechnungsprüfungsamt, wie Staab auf Nachfrage dieser Zeitung erklärt. Dieses habe als „unabhängige interne Revision“ den Fragebogen der FGL aufgearbeitet. Für Rückfragen in der Sitzung stand Dezernatsleiterin „Zentrale Dienste“ Petra Ohmer zur Verfügung.

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„Es erscheint mir absurd, dass die Anlagen nichtöffentlich sind, obwohl kein städtischer Mitarbeiter erwähnt wird“, sagte Lehmann. Er sei sehr verwundert, dass auf die detaillierten Fragen der FGL auf diese Weise geantwortet worden sei. Eines sei dem Stadtrat allerdings nach der Lektüre der Anlagen, öffentlich und nichtöffentlich, klar gewesen: Ein Bürger habe die Sichtschneise haben wollen, die Mitarbeiter der Verwaltung hätten von der Rodung am Seeufer abgeraten „und der Oberbürgermeister hat diese dennoch angeordnet“, fasste Lehmann den Sachverhalt aus seiner Sicht zusammen.

Bild 4: Der Zwang zur Selbstanzeige und fehlende Transparenz: So wurde die illegale Rodung durch die Stadt aufgearbeitet
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Vor drei Monaten ist diese Thematik schon einmal im Ausschuss diskutiert worden. Damals zeigte sich der OB noch ein bisschen auskunftsfreudiger. In der Sitzung am 10. März betonte er, er habe „nie und nimmer“ eine Abholzung im Grünbestand in Auftrag gegeben. Ins Sitzungsprotokoll hat er eine etwas detailliertere Aussage aufnehmen lassen: „Es hat keinen Auftrag gegeben, in einem geschützten Grünbestand eine völlige Freischneidung vorzunehmen.“

Prüfstelle und OB sind sich einig: Es war ein Missverständnis

Laut der Sitzungsvorlage, in der die Aussagen von Staab und anderer Mitarbeiter zusammengefasst worden sind, soll es sich allerdings um „ein Missverständnis“ gehandelt haben. So das Fazit der „unabhängigen Prüfstelle“ im Rathaus. So auch das Fazit von Staab selbst.

„Sie haben den Wunsch eines Bürgers auf Seesicht mit städtischen Mitteln durchführen lassen.“Siegfried Lehmann, FGL-Stadtrat
„Sie haben den Wunsch eines Bürgers auf Seesicht mit städtischen Mitteln durchführen lassen.“Siegfried Lehmann, FGL-Stadtrat | Bild: Jarausch, Gerald

Eine erneute Rückfrage des SÜDKURIER hat der OB folgendermaßen beantwortet: „Von mir wurde, wie immer in solchen Fällen, ein Auftrag erteilt, einer Bürgerbeschwerde soweit als möglich nachzukommen. Dies erfolgte telefonisch, wodurch es zu mehreren Missverständnissen in der Weitergabe und Beauftragung über den Umfang und die Art der Maßnahme gab.“ Er sei von einem Rückschnitt ausgegangen, „einer gängigen Pflegemaßnahme“.

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Die Mitarbeiter der Technischen Betriebe haben jedoch einen Kahlschlag durchgeführt. Schriftlichen Belege darüber, wie der Auftrag für die Pflegemaßnahme formuliert wurde, gebe es folglich nicht. Es gibt laut der offiziellen Stellungnahmen von Stadtverwaltung und OB nur das „gesprochene Wort“ des OB und keinen schriftlich festgehaltenen Auftrag an die Technischen Betriebe.

Stadtrat Lehmann kritisierte den OB im Ausschuss direkt: „Sie haben den Wunsch eines Bürgers auf Seesicht mit städtischen Mitteln entgegen der Empfehlung der Mitarbeiter durchführen lassen.“ Die Kosten für die Abholzung belaufen sich auf 7300 Euro. Noch nicht beziffert sind die eventuellen Nachpflanzungen.

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Der FGL-Stadtrat pochte auf eine Selbstanzeige der Stadt wegen des unerlaubten Eingriffs in den naturschutzrechtlich geschützten Bereich rund um die Kläranlage. Dezernatsleiterin Ohmer zeigte sich irritiert, schließlich sei ihr bestätigt worden, dass eine Anzeige nicht notwendig sei. Das Landratsamt habe die illegale Rodung als Ordnungswidrigkeit eingestuft, erklärte sie. Der Rechtsbruch werde nicht geahndet, sofern er nicht wieder vorkomme. Die Mehrheit im Ausschuss hat dennoch die Selbstanzeige der Stadt verlangt.