307 Tage nach ihrem letzten Auftritt feierte die Musikkapelle Böhringen mit ihrem Freiluftkonzert auf dem Schulhof der Storchenschule vor rund 250 Zuhörern eine sensationelle und umjubelte Rückkehr. Außergewöhnlich, anspruchsvoll und beeindruckend war das Repertoire dieses kreativen Erlebniskonzertes zum Abschluss des Modellprojekts Klangkunst und Farbenspiel.

Mit dem Projekt hatte sich Dirigent Marco Geigges die Verbindung von sinfonischer Blasmusik und Bildender Kunst zur Aufgabe gemacht. Höhepunkt des Projektkonzerts war die Uraufführung eines neuen Blasorchesterwerks, das in Zusammenarbeit mit dem Villinger Komponisten und Arrangeur Matthias Bucher entstanden ist und zwei Kunstwerke aus der Region vertont.

Gemälde vertont

Zur Eröffnung des Abends spielte das Orchester die Promenade aus Bilder einer Ausstellung von Modest Mussorgsky. Diese ließ das Publikum die Stimmung des Komponisten beim Wandeln durch die Galerie mit Werken seines Freundes, des Maler Victor Hartmann, erleben.

Klangfarbenreich ging es weiter mit der Komposition Three Times Blood von Fritz Neuböck. Diese basiert auf den drei Bildern Eisblut – Erdenblut -Sonnenblut des österreichischen Malers Stefan Feuchtner. Rolf Kleißler, der als Moderator durch den Abend führte, beschrieb dem Publikum vorab die Arbeiten mit metaphorischem Bezug zu Eis und Wasser der Antarktis, zu den Farben der Natur Afrikas und zu einem blutroten Sonnenuntergang, sodass die passende ausdrucksstarke Musik noch intensiver zu genießen war.

Zur Musik entsteht zeitgleich ein Bild

Als wichtiges Werk des Abends stand das Tongemälde Imagasy von Thiemo Krass auf dem Programm. Der Titel setzt sich zusammen aus den beiden Wörtern Imagination (Vorstellungskraft) und Fantasy (Fantasie). Das Werk ist gekennzeichnet von einer sehr emotionalen Tonsprache. Die neun Minuten dauernde Komposition quoll über vor musikalischen Einfällen des Komponisten, in die sich die Musikkapelle Böhringen mit Spielfreude hineinfallen ließ.

Durch instrumentale Vielseitigkeit mit mehreren solistischen Abschnitten, die treffend und klangklar vorgetragen wurden, untermalte das Orchester dieses Werk. Damit ging noch eine Besonderheit einher: Live zu dieser Darbietung ließ die Böhringer Künstlerin Victoria Graf ein farbenfrohes Acrylbild entstehen. Das Publikum konnte verfolgen, wie sie zarte Klänge und voluminös gespielten Passagen mit ihren Pinselstrichen umsetzte – eine tolle Idee des Dirigenten Marco Geigges für dieses Projekt.

Die Verschmelzung von Musik und Kunst zeigte der Musikverein Böhringen mit dem Stück „Imagasy“ von Thiemo Kraast, zu dessen ...
Die Verschmelzung von Musik und Kunst zeigte der Musikverein Böhringen mit dem Stück „Imagasy“ von Thiemo Kraast, zu dessen Klängen die Böhringer Künstlerin Victoria Graf live ein Bild entstehen ließ. | Bild: Marina Kupferschmid

Dann der ganz besondere Moment des Abends, die Uraufführung der neuen Blasorchesterkomposition Lignum et Lapis – Holz und Stein -, die im Rahmen des Projektes in Zusammenarbeit mit dem Villinger Komponisten Matthias Bucher entstanden ist.

Es handelt sich dabei nicht um eine gewöhnliche Auftragskomposition. Vielmehr hat Matthias Bucher für dieses neue Werk, das zwei Kunstwerke vertont, in mehreren Workshops die Gedanken und improvisierten Tonfolgen der Musiker aufgegriffen. Als Inspirationsquelle dienten dem Orchester eine Holz-Arbeit der Böhringer Künstlerin Heike Endemann mit dem Titel Ovoid, gelb und die Stein-Skulptur Sonnenscheibe von Joachim Schweikart.

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Eingeleitet mit einem Trompetenruf aus der Ferne, beginnt die Komposition ruhig, um sich dann mächtig aufzubauen, wie der Stein der Skulptur. Im zweiten Teil wird es lebendiger mit ungleichmäßigen, schwierigen Zehnachtel-Takten, was der Oberfläche der Holzskulptur mit vielen Einkerbungen entspricht.

Wenn Werkzeuge zu Musik werden

Zudem wurde das weiche Material des Holzes in ruhigen Melodien der Holzblasinstrumente Oboe und Saxophon verarbeitet. Als Krönung wurden die Bearbeitungswerkzeuge der beiden Skulpturen eingearbeitet, so waren auch Hammer- und Holzgeräusche zu hören.

Alles in allem ein rhythmisch herausforderndes Werk, mit dem die Musikkapelle Böhringen nicht nur Zeugnis ihrer Kreativität ablegte, sondern auch ihr hohes spielerisches Potenzial zeigte. Letzteres bewies sie einmal mehr beim gewaltigen Finale des Abends, wo sie mit Mussorgskis Tongemälde Das große Tor von Kiew hymnische Pracht auf den Böhringer Schulhof zauberte. Die Begeisterung des Publikums zeigte sich in nicht enden wollendem Applaus und Zugaberufen.