Ohne viel Aufsehen hat das Radolfzeller Krankenhaus auf der Mettnau vor Kurzem seinen Betrieb eingestellt. Damit ging an dem Standort eine 117-jährige Medizingeschichte zu Ende. Doch ein Spital gab es in Radolfzell bereits seit hunderten von Jahren. Schon im 13. Jahrhundert sind im süddeutschen Raum die Heiligen-Geist-Spitäler entstanden. Auch in Radolfzell gab es etwas später ein Solches.
Wie alles begann
Schriftlich erwähnt wurde das Spital erstmals am 21. April 1343, als Hainrich und Hans von Rosnegg den Verkauf eines ihrer Lehnsgüter zu Singen an das „Spital ze Ratolfcell“ bestätigten. Die genaue Zeit der Gründung lässt sich aber nicht bestimmen, da keine Stiftungsurkunde bekannt ist.

Kranke, Waisen und Arme konnten im Spital Hilfe suchen. Davon müssen in den nächsten 40 Jahren immer mehr in das Radolfzeller Spital gekommen sein. Denn der Bischof aus Konstanz, Nikolaus II. von Riesengburg, bat im Jahr 1386 um Spenden für die Erweiterung des Gesamtkomplexes des Spitals. Dieses stand auf dem Areal des heutigen Altenheim Hospital zum Heiligen Geist und war somit noch in dem Mauerring der Stadtmauer, damals aber in Randlage.

Ein schneller Zuwachs
In den darauf folgenden Jahrhunderten wuchs das Spital durch Schenkungen, Opfergaben, Kauf, Tausch und Ersparnisse weiter an. Dadurch konnte Land in Radolfzell und Umgebung erworben werden.
Die stetige Entwicklung des Radolfzeller Spitals erforderte weitere Umbauten. Und so wurden im so genannten Pfründnerhaus, dem Wohn- und Nebenhaus, um das Jahr 1840 schließlich einige Krankenzimmer eingerichtet. Auch ein Operationssaal wurde 50 Jahre später hinzugefügt. Der Umbau kann als Beginn eines medizinischen Schwerpunktes des Spitals bezeichnet werden.
Der Bau des neuen Krankenhauses auf der Mettnau
Mit der zunehmenden medizinischen Entwicklung kamen in den nächsten Jahren immer mehr Patienten und Verpflegungstage hinzu, sodass das Spital zu klein, veraltet und nicht mehr erweiterungsfähig war.
Auf Grund dessen wurde im Jahr 1899 eine Krankenhaus-Baukommission gebildet, und noch im selben Jahr legte man den alten Friedhof auf der Mettnau als Bauplatz für das neue Krankenhaus fest.
Unter der Leitung des Arztes für innere Medizin und Chirurgie Otto Mader begann dort im Jahr 1904 der Bau.

Die Radolfzeller Bevölkerung konnte das fertige neue Krankenhaus im Oktober 1906 besichtigen. Nachdem die Belegung der Patienten Stück für Stück durchgeführt wurde, war das Krankenhaus am 20. November 1906 bezogen. Insgesamt soll der Bau 368.398,17 Mark (das entspricht etwa 54.154,51 Euro) gekostet haben und wurde größtenteils aus dem Stiftungsvermögen finanziert.
Die Medizin schreitet fort – und das Krankenhaus zieht mit
Von nun an, erlebte das Radolfzeller Krankenhaus eine florierende Zeit und wurde immer voller. Eine Erweiterung des Krankenhauses konnte aber nicht vollzogen werden, da Deutschland noch unter den Folgen des ersten Weltkriegs und weiteren wirtschaftlichen Erschwernissen litt. Erst als es 1934 eine wirtschaftliche Besserung gab, wurde ein Projekt zur Erweiterung aufgenommen. Ein Anruf aus Berlin, der am 8. August 1937 eintraf, gab schließlich die Baugenehmigung, sowie die Anweisung, zu beginnen. Der sogenannte „Bürkleflügel“ wurde 1938 dann eingeweiht und in Betrieb genommen.
Die weiteren Entwicklungen waren aufgrund des zweiten Weltkrieges eingeschränkt. Ein Mangel an Medikamenten, Verbandsstoffen, Operationsmaterial und Lebensmitteln brachte die Ärzte und das Personal in Schwierigkeiten. Im Krankenhaus stellten sich erst nach 1948, drei Jahre nach dem Ende des zweiten Weltkriegs, normale Verhältnisse ein.
Durch die weiteren Fortschritte der Medizin brauchte man schon bald eine Aufteilung der Fachabteilungen. Aus diesem Grund wuchs das städtische Krankenhaus in den Jahren 1949 bis 1976 auf die Abteilungen der Chirurgie, der Inneren Medizin, einer Hals-Nasen-Ohrenabteilung, einer Station für Augenkranke, der Gynäkologie mit Wöchnerinnenstation, einer Kinderstation und der Anästhesieabteilung an. Nun war das Krankenhaus durch seine stetige Entwicklung zu einer vollwertigen Klinik geworden.
Das Krankenhaus wird renoviert
Sowohl das Anwachsen der Bevölkerung, als auch die Beliebtheit des Radolfzeller Krankenhauses forderte eine Erweiterung und einen Umbau. Dieser fand in drei Bauabschnitten statt. Nach mehr als zehn Jahren Bauzeit war die damalig größte Baumaßnahme in der Geschichte der Stadt Radolfzell beendet. Eingeweiht wurde das neue alte Krankenhaus dann am 13. Oktober 1973. Von diesem Zeitpunkt an hatte das Krankenhaus eine neue Gestalt, die bis heute so erhalten wurde.
Eine politische Entscheidung brachte den Paradigmenwechel und das Ende der Selbstständigkeit: Nachdem die Krankenhausfinanzierung 1992 auf ein betriebswirtschaftliches System umgestellt wurde, geriet das Krankenhaus in finanzielle Schwierigkeiten. Deshalb übernahm der private Klinikbetreiber Helios Kliniken GmbH die betriebswirtschaftliche Leitung. Diese beiden wirtschaftlichen Veränderungen scheinen einem weiteren positiven Fortschritt des Krankenhause jedoch nicht beigetragen zu haben.
Die Hegau-Bodensee-Klinikum Ära beginnt
Das Radolfzeller Krankenhaus wurde am 1. Januar 2003 zum Hegau-Bodensee-Klinikum Radolfzell umbenannt, da es mit dem Hegau Klinikum Singen zusammengeschlossen wurde. Das Hegau-Bodensee-Klinikum, und damit auch das Radolfzeller Krankenhaus, ist seit 2012 Teil des Gesundheitsverbunds Landkreis Konstanz.
Zunächst schien der fortschrittliche Lauf der vergangenen Jahrhunderte weiterzugehen: Ein neues Schlaflabor, neue Bäder und die Computertomografie (CT) wurde der Klinik bis 2010 hinzugefügt. In drei Bereiche unterteilt war sie dann seit 2012: Zum einen gab es die Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, die für Allgemein- und Viszeralchirurgie und die Klinik für Gefäßchirurgie. Ein Zentrum für ambulantes operieren wurde im Jahr 2013 eröffnet und das Zentrum für Altersmedizin kam 2015 vom vorherigen Standort in Engen nach Radolfzell.
Eine rückläufige Bewegung
Die Aufnahmestation und Ambulanz wurde im Jahr 2017 gegründet. Von der einmal fortdauernden Weiterentwicklung war jedoch immer weniger zu sehen: Im gleichen Jahr wurde die gynäkologisch – geburtshilfliche Belegabteilung geschlossen. Auch die stationäre Chirurgie musste im August 2022 schließen. Die finanzielle Schieflage des GLKN und fehlende Investitionen ließen keine andere Lösung mehr zu als das Ende des Radolfzeller Krankenhauses zu beschließen.
Das Krankenhaus in Radolfzell wurde am 30. Juni 2023, und somit 680 Jahre nach der ersten urkundlichen Erwähnung des Spitals in Radolfzell, geschlossen. Für viele Bewohnerinnen und Bewohner der einst medizinisch so fortgeschrittenen Stadt ist das eine große Umstellung. Vielleicht sogar ein Schritt zurück. Denn von nun an wird man wohl nach Singen oder Konstanz fahren müssen, um in einem Krankenhaus Versorgung zu erhalten.