Eine Flucht vor seinen Problemen ist diesem 21-Jährigen nicht gelungen. Dennoch ging es recht glimpflich aus. Denn er wurde vor dem Radolfzeller Amtsgericht zwar wegen gefährlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung schuldig gesprochen, doch kam er mit einer Verwarnung, zehn Sozialstunden und einer Geldstrafe in Höhe von 1000 Euro davon. Und laut der vorsitzenden Richterin Julia Elsner sollte er sich glücklich schätzen. Denn was er tat, sei eine erschreckende Tat. „Vor Menschen, wie sie zu der Zeit einer waren, muss man wirklich Angst haben“, rügte sie ihn.

Passiert war das Ganze im vergangenen Sommer in Hamburg. Der Fall ist wegen des Umzugs des Angeklagten an den Bodensee vom dortigen Amtsgericht zum hiesigen übergeben worden. Der 21-Jährige, der 2022 nach Deutschland geflüchtet war, soll dort alkoholisiert und unter Drogen in einer U-Bahn-Station unvermittelt zwei Frauen angegriffen haben, die auf der Rolltreppe unter ihm standen.

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Er soll beiden Frauen gegen die Brust getreten haben, sodass sie fast die Rolltreppe hinuntergefallen wären. Doch sie hätten sich gerade noch festhalten können. Es blieb eine gerötete Stelle auf dem Brustkorb. Die zweite Tat, die ihm vorgeworfen wurde, war die Beschädigung einer Parkplatzschranke an einem Hamburger Klinikum. Wieder soll er stark betrunken gewesen sein.

Täter hat keine Erinnerung

An beide Taten erinnere sich der vor Gericht schüchtern wirkende junge Mann nicht, wie er sagt. Doch es gab von beiden Taten Aufnahmen einer Überwachungskamera, auf denen er klar zu erkennen gewesen sei. Die Bilder zeigte ihm Julia Elsner auch während der Beweisaufnahme, worauf der 21-Jährige gerne verzichtet hätte, wie er angab. „Ich schäme mich so sehr, ich erkenne mich gar nicht wieder“, sagte er vor Gericht aus. Auch ohne sich erinnern zu können, räumte er jede Schuld ein.

Einsamkeit und falsche Freunde

Doch wie kam es dazu, dass der 21-Jährige ohne vorherigen Kontakt oder Provokation zwei Frauen in solche Gefahr gebracht hatte? Laut dem Angeklagten sei er in einer Familie aufgewachsen, in der es zwischen den Eltern öfter Gewalt gab. Auch ein Stiefvater hatte ihn als Kind geschlagen. Er habe sich oft einsam gefühlt, sagte er. Im Jahr 2022 floh er aus seinem Herkunftsland nach Deutschland, wo er erst mit seiner Freundin zusammenlebte. Doch nachdem diese Beziehung nach wenigen Monaten zerbrochen war, fand er sich alleine in einer fremden Stadt und litt sehr unter der Trennung. Infolgedessen schloss er sich anderen jungen Erwachsenen an, die ihre Freizeit mit Alkohol und Drogen verbrachten. „Es gab immer Ärger, wenn wir zusammen unterwegs waren“, beschrieb er die Situation.

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Seit einem halben Jahr lebe der 21-Jährige aber nun am Bodensee und habe auch keinen Kontakt mehr zu den Freunden aus Hamburg. Er wohne bei seiner Mutter, mit der er ein enges Verhältnis pflege, habe seit kurzem eine Arbeitsstelle und habe seinen Alkoholkonsum drastisch reduziert, wie er vor Gericht erklärte. Seine Mutter, die ebenfalls geflüchtet war, habe ihm ins Gewissen geredet. Er habe hier Freunde gefunden, mit denen er sich zum Sport treffe und denen er sich anvertrauen könne. „Es geht mir jetzt viel besser als damals“, sagte er.

Verurteilung nach Jugendstrafrecht

Richterin Julia Elsner und auch die Staatsanwältin folgten der Empfehlung der Jugendgerichtshilfe, den 21-Jährigen für seine Taten nach dem Jugendstrafrecht zu bestrafen. Neben einer Verwarnung gab es auch eine Standpauke von Julia Elsner. „Das war richtig unnötig“, sagte sie. Die beiden Opfer hätten sich bei einem Sturz von der Rolltreppe ernsthaft verletzen können, wenn nicht gar schlimmeres. „Da wären Sie nie wieder froh geworden“, so die Richterin.

Die zehn Sozialstunden solle der 21-Jährige dafür aufwenden, Entschuldigungsschreiben an die beiden Geschädigten zu verfassen. Die Zeuginnen waren aus praktischen Gründen nicht geladen worden, um ihnen nicht die lange Reise zuzumuten. Außerdem war der Angeklagte auf den Überwachungsfotos klar zu erkennen und zudem geständig. „So ein schlimmer Mensch, wie die Anklageschrift vermuten ließ, sind Sie nicht“, so Elsner abschließend.