Es ist eine Lage, wie die Verantwortlichen sie sich wohl kaum besser wünschen könnten: Täglichen kommen zahlreiche Menschen an der Radolfzeller Stadtbibliothek im Österreichischen Schlösschen am Marktplatz vorbei. Dabei fällt das historische Gebäude mit seinem modernen Glasanbau ins Auge – doch das war nicht immer so: Zehn Jahre ist es mittlerweile her, dass das Schlösschen ein neues Aussehen und die Stadtbibliothek neue Räumlichkeiten erhielt. Ab 2012 wurde das Gebäude saniert, Anfang Januar 2015 schließlich neu eröffnet.
Dabei bestand der Wunsch, das Österreichische Schlösschen herzurichten, schon länger: „Es war eine lange Geschichte“, blickt Petra Wucherer, Leiterin der Stadtbibliothek, zurück. Schon in den 1990er-Jahren sei das erste Mal über nötige Maßnahmen gesprochen worden – denn die Sanierung sei nicht nur aus optischen Gründen dringend nötig gewesen.
Zu kalt, zu alt, zu umständlich
Unter anderem gab es undichte Stellen, auch habe es zur Beheizung des Gebäudes nur veraltete Nachtspeicheröfen gegeben, deren Kapazität im Winter nicht einmal die Öffnungszeiten abgedeckt hätten – kurz vor der Sanierung sei deshalb die Toilette eingefroren. Außerdem habe es keine zentrale Ausleihstation gegeben, sondern pro Abteilung jeweils eine. Das sei umständlich gewesen. Und: „Am Ende ist der Stuck von den Decken gefallen“, sagt Petra Wucherer.

Hinzu kam, dass die Stadtbibliothek nicht barrierefrei gewesen sei, wie Bürgermeisterin Monika Laule ergänzt. Wer im Rollstuhl kam, konnte so lediglich über eine Rampe in einen Lesesaal im Erdgeschoss gelangen und musste dort warten, bis die Mitarbeiter die gewünschten Bücher brachten. „Es gab schon viele Jahre viele Gründe“, fasst Laule die Dringlichkeit der Sanierung zusammen.

Alles neu – und besser
2011 beschloss der Gemeinderat daher schließlich die Erneuerung und den Umbau des Österreichischen Schlösschens. In dem Rahmen wurde das Gebäude nicht nur saniert und modernisiert, auch erhielt die Stadtbibliothek durch einen Ausbau des alten Dachgeschosses und des Kellers, in dem sich ehemals das Radolfzeller Tanzschlössles befand, zwei neue Geschosse. Hinzu kam der auffällige Glasanbau auf der Nordseite des Gebäudes, der Aufzug und Treppenhaus enthält.
Wie Monika Laule sich erinnert, habe es um diesen im Vorfeld einige Diskussion gegeben. Im Rahmen eines Architektenwettbewerbs habe nämlich eigentlich ein Entwurf gewonnen, der einen Betonkubus zwischen Österreichischem Schlösschen und Kaufhaus Kratt vorsah. Doch der kam in Radolfzell nicht gut an: „Das hat einen Aufschrei verursacht“, erzählt Monika Laule. „Radolfzell hat sich empört.“ Also sei schließlich der drittplatzierte Entwurf des Architekten Matthias Eck umgesetzt worden.

Arsenhaltige Farbe und beschädigtes Gebälk
Für die Zeit des Umbaus zog die Stadtbibliothek in Container auf dem Mayer-Areal. Alleine ein Jahr lang hätten Abbrucharbeiten im Österreichischen Schlösschen stattgefunden, insgesamt habe die Sanierung etwa zweieinhalb Jahre in Anspruch genommen.
„Ich finde es heute noch unglaublich, dass wir nur mit drei Monaten Verspätung eröffnet haben“, sagt Bibliotheks-Leiterin Petra Wucherer. Denn bei den Arbeiten hatte man mit so manchen Schwierigkeiten zu kämpfen. So hatten etwa verschiedene Schwämme das Gebälk und die Wände des historischen Gebäudes befallen und beschädigt. Und schließlich wurde auch noch die arsenhaltige Farbe „Schweinfurter Grün“ gefunden, die von einer Spezialfirma entsorgt werden musste.
Freude über die Sanierung
Trotz der Probleme ist das Stadtbibliotheks-Team mit dem Ergebnis zufrieden: „Wir sind sehr glücklich mit dem neuen Gebäude“, betont Petra Wucherer. „Es ist das schönste Haus am Platz.“ Ein ganz besonderer Luxus sei etwa, dass es drei eigene Räume für Kinder- und Jugendangebote gebe. „Und alle sind auch akustisch abgeschirmt“, freut sie sich. Generell lobt sie, dass das Team in die Planung der Sanierung damals stark einbezogen worden sei.
Auch Monika Laule blickt positiv zurück. So habe es früher auch einmal Diskussionen gegeben, ob die Stadtbibliothek überhaupt im Österreichischen Schlösschen bleiben solle. Doch genau das sei wichtig, denn die Bibliothek bringe auch viele Menschen in die Innenstadt. „Es wäre keine gute Entscheidung gewesen, das nach draußen zu verlegen“, betont sie.
Bibliothek im Wandel
Doch nicht nur das Gebäude der Bibliothek hat sich verändert. Sie sei nach wie vor ausleihstark, wie Petra Wucherer erzählt. 2023 hatte die Radolfzeller Stadtbibliothek mit ihren Zweigstellen mehr als 253.000 Ausleihen gezählt – Zeitschriften noch nicht inbegriffen. Außerdem besuchten damals rund 92.140 Personen die Stadtbibliothek besucht – und damit 7920 mehr als im Vorjahr. Hinzu kamen virtuelle Besucher, die die Onleihe, über die etwa digitale Bücher und Hörbücher ausgeliehen werden, nutzen. Und 5100 Menschen nutzten ihren Bibliotheksausweis aktiv – auch hier mehr als 2022, damals waren es etwa 4800. Für 2024 rechnet Petra Wucherer wieder mit einer Ausleihsteigerung.
Allerdings hat sich die Art der Bibliotheksnutzung geändert. Unter anderem wird die Onleihe immer deutlicher genutzt: 2019 gab es rund 29.650 Ausleihen über die Plattform, 2023 waren es rund 38.360. Zudem werden Sachbücher seltener gelesen als früher. Außerdem bietet die Stadtbibliothek auch nicht nur Bücher an, sondern etwa Geräte, die nicht mehr jeder selbst zuhause hat, oder Filme. Auch solle das Gebäude als Ort der Begegnung dienen – nicht nur durch Veranstaltungen, sondern etwa auch durch Computerplätze. „Und viele nutzen sie auch als Arbeitsplatz mittlerweile“, sagt Petra Wucherer.
Dennoch: „Bücher sterben nicht aus“, betont die Bibliotheksleiterin. „Wenn man E-Books dazu nimmt, haben sich die Romanausleihen sogar gesteigert.“ Dafür werde der Bestand auch gepflegt, jedes Jahr versuche man, etwa acht bis zehn Prozent des Bestands zu erneuern.
Wichtige Bildungsarbeit
Eine wichtige Arbeit der Bibliothek bleibt aber auch die Leseförderung für Kitas und Schulen, für die das Team etwa Führungen und Lesungen anbietet und Bücherkisten zusammenstellt. „Lesen lernen und die Sprache lernen ist einfach das A und O“, betont Bürgermeisterin Monika Laule. Und das helfe auch bei der Integration, wie Erik Hörenberg, Fachbereichsleiter Kultur, sagt: „Da ist einfach die Sprache das Allerzentralste.“ Und dafür will sich die Stadtbibliothek auch in Zukunft einsetzen.