Das Thema Grundsteuerreform treibt viele Menschen um. Denn für einige könnte es ab dem 1. Januar 2025 teurer werden. Grund ist die neue Berechnung der Steuer – inklusive neuer Hebesätze. Doch wen trifft es tatsächlich wie sehr? Darüber hat nun die Stadtverwaltung Radolfzell im Gemeinderat aufgeklärt, der einstimmig für die neuen Hebesätze stimmte.
Klar ist: Für viele ändert sich nichts, manche bezahlen aber über 5000 Euro mehr pro Jahr. So hat die Gemeinde zwar den Hebesatz zur Berechnung der Steuer angepasst und von 400 auf 233 Prozent gesenkt. Allerdings steigt der Messbetrag, mit dem der Hebesatz multipliziert wird, bei vielen Grundstücken an. Ein Beispielfall zahlt nun 1425 anstatt 122 Euro Steuer pro Jahr. Ein anderer hingegen nur noch 387 anstatt 613 Euro.
Die Gesetzänderung und ihre Folgen
Grund dafür ist eine Änderung des Grundsteuerrechts durch die Bundesregierung. Darin geregelt ist die Grundsteuer A, die die Land- und Forstwirtschaft betrifft, sowie die Grundsteuer B, die normale Grundstückseigentümer für ihr Grundvermögen bezahlen. Bislang wurde hier der Gebäudewert berücksichtigt, außerdem wurden bebaute und unbebaute Flächen eines Grundstücks unterschiedlich behandelt.
Im Jahr 2018 erklärte das Bundesverfassungsgericht dieses Grundsteuerrecht jedoch für verfassungswidrig, da es für eine Ungleichbehandlung sorgte. Der Bund erließ ein neues Grundsteuerrecht – allerdings können die Länder davon abweichend. Während das Grundsteuerrecht A in Baden-Württemberg dem Bundesmodell entspricht, weicht das Land beim Grundsteuerrecht B davon ab.
Diese Abweichung betrifft die Steuererhebung. So wird die Steuer künftig anhand der Grundstücksfläche, dem jeweiligen Bodenrichtwert, der Grundsteuermesszahl und dem gemeindeweiten Hebesatz ermittelt. Die Gemeinde legt hierbei lediglich den Hebesatz selbst fest, viel Spielraum hat sie also nicht.
Berechnung der Grundsteuer B
So wirkt sich der neue Hebesatz für Eigentümer aus
Für Radolfzell stimmte der Gemeinde einstimmig den neuen Hebesätzen von 223 Prozent für die Grundsteuer B und 400 Prozent für die Grundsteuer A zu. Und das hat Folgen. Denn während per Gesetz vorgeschrieben ist, dass sich das gesamte Steueraufkommen einer Gemeinde für 2025 gegenüber 2024 nicht erhöhen darf, verteilt sich die Steuerlast künftig anders auf einzelne Eigentümer.
Grundsätzlich, so informierte die Stadtverwaltung in der Sitzung, zählen Eigentümer großer Grundstücke mit unbebauten Grünflächen sowie von Einfamilienhäusern zu den Verlierern. Sie finden sich vor allem in den Ortsteilen. Gewinner sind hingegen die Eigentümer gewerblicher Flächen und von Mehrfamilienhäusern, sie zahlen tendenziell weniger.
Denn unbebaute Flächen werden künftig vergleichsweise höher besteuert als früher. Die Art der Bebauung spielt nun keine Rolle mehr. Zudem sind die Bodenrichtwerte in Gewerbegebieten meist niedriger als in Wohngebieten.
22 Eigentümer zahlen künftig 5000 Euro mehr
Die Stadtverwaltung hat berechnet, wie viele Radolfzeller in welchem Ausmaß betroffen sind. Bei 8900 Grundstücken (62 Prozent) wird die Steuerlast gleich bleiben, sinken oder um weniger als 5 Euro pro Jahr steigen. Bei weiteren 5400 Fällen (38 Prozent) kommt es zu einer Erhöhung um mehr als 5 Euro.
In 4300 Fällen liegt die Erhöhung zwischen 5 und 500 Euro, bei 650 Fällen sogar zwischen 500,01 und 1000 Euro. Bei 2,8 Prozent aller Grundstücke fällt die Erhöhung um 1000,01 bis 5000 Euro aus. Lediglich 22 Eigentümer müssen künftig über 5000 Euro mehr pro Jahr bezahlen.
Die Entlastungen liegen bei 8339 Grundstücken bei jeweils weniger als 500 Euro. 188 Eigentümer zahlen zwischen 500,01 und 1000 Euro weniger, 160 Eigentümer zwischen 1000,01 und 5000 Euro. 30 Eigentümer sparen künftig sogar über 5000 Euro jährlich ein. Hierbei handelt es sich aber überwiegend um Gewerbe- oder Geschäftsgrundstücke.
Rechenbeispiel sorgt für Klarheit
Dies verdeutlichte die Verwaltung auch an anonymisierten Rechenbeispielen. So hatte ein Eigentümer eines Einfamilienhauses in der Kernstadt mit Grünfläche bislang einen Messbetrag von 30,57 Euro, seine Steuerlast lag wegen des Hebesatzes von 400 Prozent bei 122,28 Euro.
Durch die Reform steigt sein Messbetrag auf 639,37 Euro. Trotz des niedrigeren Hebesatzes von 223 Prozent zahlt er wegen der großen Grundstücksflächen nun 1066 Prozent mehr – also 1425,80 Euro Grundsteuer. Denn die Senkung des Hebesatzes macht bei ihm weniger aus als die höhere Bemessung der unbebauten Grünflächen.
Hingegen hatte ein Eigentümer eines Mehrfamilienhauses in der Innenstadt bislang einen Messbetrag von 153,38 Euro, der nun auf 173,65 Euro steigt. Seine Grundsteuer sinkt jedoch dank des gesenkten Hebesatzes von 613,52 Euro um 37 Prozent auf nur noch 387,19 Euro.
CDU fordert Entgegenkommen bei Grünflächen
Mit dieser Berechnung reagierte die Verwaltung auch auf einen Antrag der CDU-Fraktion, die um solch grundlegende Informationen inklusive Rechenbeispielen zur neuen Grundsteuer gebeten hatte. Der Forderung der CDU, Grundstücke mit großen Grünflächen niedriger zu besteuern oder anderweitig zu belohnen, um „grüne Lungen“ in der Stadt zu erhalten, konnte die Stadt hingegen nicht nachkommen.
So seien der Verwaltung hier die Hände gebunden, da sie lediglich den Hebesatz festlegen konnte, stellte Kämmerin Petra Ohmer klar. Alle Verschiebungen der Steuerlast seien eine „zwangsläufige Konsequenz“ aus dem Urteil des Verfassungsgerichts. Eine Regelung, die die Verschiebungen abfedert oder bestimmte Eigentümer begünstigt, wäre nicht rechtmäßig gewesen.
Wie geht es nun weiter?
Die Steuerbescheide wird die Gemeinde erst nach Weihnachten verschicken. Fällig wird die Grundsteuer dann erstmals am 15. Februar 2025. Aber, so Ohmer: „Das wird für die Druckereien sehr eng, weil sie zu der Zeit auch die Unterlagen für die Bundestagswahl drucken müssen.“ Bis Juni 2025 haben Bürger per Übergangsregelung im Anschluss noch Zeit, beim Finanzamt Einspruch gegen die Steuerbescheide einzulegen.