Wer derzeit ein Haus bauen oder renovieren will, der muss zum Teil viel Geduld mitbringen – denn in Deutschland fehlt es an Baustoffen. Während viele Handwerkerbetriebe von gut gefüllten Auftragsbüchern berichten, beklagen sie zugleich lange Lieferzeiten, explodierende Preise und große Unsicherheiten bei der Planung. Auch Unternehmen in Radolfzell sind von der Krise betroffen.
Situation beim Holz war schon mal schlimmer
Einer, der bereits seit Anfang des Jahres mit enormen Problemen zu kämpfen hat, ist Markus Hirling. Der Inhaber des Zimmereibetriebs Hirling Zimmerei und Holzbau berichtete bereits im Mai dieses Jahres von Lieferzeiten, die statt wie sonst üblich zwei Wochen mindestens 14 bis 18 Wochen umfassten. Die Preise hätten sich verdoppelt. Mittlerweile habe sich die Situation zumindest teilweise etwas verbessert. „Bauholz ist wieder bestellbar“, berichtet er. „Mittlerweile sind wir wieder bei einigermaßen normalen Lieferzeiten.“ Zudem seien die Preise im Vergleich zum Frühjahr dort wieder etwas gesunken – allerdings auch nur um etwa 10 bis 15 Prozent.
Auch in einem anderen Bereich sieht es nach wie vor schlecht aus: Bei Plattenwerkstoffen seien die Preise noch immer „horrend hoch“, so Hirling. Sie seien fast dreimal so teuer wie noch im Januar. Minimal sei zwar auch dort der Preis im Laufe des Jahres wieder gesunken, „aber nicht in dem Maß wie beim Bauholz“. Und: „Man kriegt die Plattenwerkstoffe schon, aber nicht in allen Größen und Stärken“, sagt Markus Hirling. Außerdem bekomme er derzeit fast nur Tagespreise, auf lange Sicht sicher geplant werden könne nicht. Weil sich die Preise dauernd ändern und unter Umständen wieder fallen können, wolle er auch nicht vorausschauend sein Lager füllen, stattdessen kaufe er an Plattenwerkstoffen nur das, was er aktuell brauche. Doch nicht nur in seiner Branche gebe es die Probleme. „Das hat ringsum eingegriffen“, berichtet er.
„Wir können keine Langzeitverträge machen“
Tatsächlich bestätigen mehrere Handwerksbetriebe in Radolfzell, dass es auch bei ihnen Materialmangel gibt. Einer von ihnen ist Stefan Schlenker, der in der Zeppelinstraße sein Fliesenfachgeschäft betreibt. Er berichtet von Lieferschwierigkeiten etwa bei Dämmstoffen und Polymeren, also Kunststoffen, die für Abdichtarbeiten etwa in Badezimmern benötigt werden. Und auch bei Fliesen gebe es Produktionsengpässe, im Notfall müssten dann Alternativen gefunden und andere Modelle verwendet werden. Auch das Holz der Paletten, auf denen die Fliesen geliefert werden, sei Mangelware, weshalb es teurer werde.
„Wir kriegen bestimmt alle zwei Monate eine Preiserhöhung“, schildert Schlenker. Auch bei ihm ist es darum schwer, auf lange Sicht eine Aussage über Kosten zu treffen. Die Folge: „Wir können keine Langzeitverträge machen.“ Aufträge, die weiter als drei Monate in der Zukunft liegen, schließe er derzeit nicht ab. Früher sei es dagegen fast normal gewesen, dass diese ein halbes Jahr oder ein Jahr, „manchmal sogar noch länger“ im Voraus gemacht wurden. Was dagegen zunahm, waren Sanierungsarbeiten. Viele Menschen würden ihre Häuser oder Wohnungen aufwerten wollen. Früher sei das Verhältnis zwischen Neubauten und Sanierungsarbeiten ausgeglichen gewesen, mittlerweile seien es bis zu 70 oder 80 Prozent an Sanierungsarbeiten, die sein Team erledige.
Stefan Schlenker versucht, den Problemen mit seiner Lagerhaltung zu begegnen: „Man muss vorausschauend bestellen.“ Seinen Kunden biete er an, das Material schon vor dem Bau kostenlos bei sich einzulagern, damit, wenn es dann losgeht, auch wirklich alles da ist.
Preisentwicklung ist nicht abschätzbar
Nicht ganz so ernst ist aktuell die Lage von Elektroinstallateurmeister Thomas Bruttel. „Wir kriegen etwa 90 Prozent aller Artikel problemlos, aber mit einer Preiserhöhung“, erzählt er. Zehn Prozent allerdings, darunter etwa Kabel oder Einbausätze für Verteilerschränke, seien zum Teil schwer zu bekommen. Und: Die Lieferzeiten haben sich auch bei ihm verlängert. Auf manches Material habe er monatelang warten müssen, auf das meiste zum Glück nur etwa zwei Tage länger als sonst. Das sei eigentlich schon das ganze Jahr so. Phasenweise würden die Hersteller die Rückstände wieder aufholen, aber dann gebe es wieder Lieferprobleme in anderen Bereichen.
„Man kriegt keine verlässlichen Termine“, schildert Bruttel. Auch die Preisentwicklung sei auf Dauer nicht abschätzbar und auf den Zusatzkosten bleibe er oft sitzen, weil bereits ausgemachte Verträge verbindlich sind. Ebenfalls finanziell belastend seien die gestiegenen Spritpreise. Immerhin: Verschoben hätten sich bei ihm Bauarbeiten trotz der Probleme bislang noch nicht. Fehle Material, müsse man eben vorübergehend an einer anderen Stelle weiterarbeiten. Trotzdem: „Es ist halt einfach mühsam.“
„So etwas habe ich noch nie erlebt“
Seit 1996 betreibt Thomas Bruttel mittlerweile seinen Handwerksbetrieb, die aktuelle Krise sei für ihn aber in dieser Art neu: „So etwas habe ich noch nie erlebt“, sagt er. Gleiches sagt auch Stefan Schlenker, der sein Geschäft seit 1997 führt. „Für mich gab es so etwas noch nie.“
Aber woran liegt der Materialmangel? Für die Holzkrise macht die Gemeinschaft Holzbau Deutschland unter anderem eine erhöhte globale Nachfrage verantwortlich, Pro Holz Schwarzwald nennt auch eine Borkenkäferplage in Kanada als Hauptlieferant der USA als Ursache. Petra Schlitt-Kuhnt, Pressesprecherin der Handwerkskammer Konstanz, berichtet auf Nachfrage: „Die Gründe für die Lieferengpässe sind vielschichtig und reichen von runtergefahrenen Produktionen aufgrund der Pandemie in Asien über internationale Transportprobleme bis hin zu einer stark schwankenden Nachfrage von Produkten aufgrund der Corona-Pandemie.“
Auch Stefan Schlenker nennt Gründe, warum es bei ihm derzeit Schwierigkeiten gibt: Ein erstes Problem habe demnach das Containerschiff ausgelöst, das Anfang des Jahres im Suezkanal auf Grund gelaufen war. Daraufhin sei es zu Verzögerungen auch bei anderen Frachtschiffen gekommen. Außerdem gebe es in China einen Strommangel, weshalb Produktionsfirmen zum Teil still standen.