Es ist eine beachtliche Menge an Dokumenten, die derzeit im Radolfzeller Stadtarchiv lagert. Bilder, Unterlagen, Bücher – all das ist in den zahlreichen Regalen untergebracht, über die Alexander Röhm seit März als Leiter des Archivs wacht. Das meiste davon stammt laut Röhm aus der Stadtverwaltung, ein Teil auch aus Nachlassen. Denn es sei die Hauptaufgabe eines Stadtarchivs, die Unterlagen, die in der Verwaltung nicht mehr benötigt werden, für die Zukunft zu sichern – allerdings längst nicht alle.
Was wird eigentlich eingelagert?
So müssten die Unterlagen erst einmal durchgesehen und sortiert werden – je nach dem, ob sie für das Archiv relevant sind oder nicht. Unter anderem müsse beachtet werden, ob Dokumente Informationen enthalten, die vom Archiv häufig angefragt werden – etwa Inhalte, die für die Familienforschung relevant sein könnte. Derartige Anfragen seien häufig. „Sie kommen auch häufig aus Übersee“, erklärt Alexander Röhm, zum Beispiel aus Nordamerika oder Brasilien.
Auch spiele eine Rolle, welche Unterlagen womöglich in der Zukunft zu Forschungszwecken benötigt werden könnten. „Natürlich kann ich nicht voraussehen, was in 300 Jahren in der Forschung passiert“, sagt Röhm. Aber er verfolge die aktuellen Entwicklungen und versuche, sich daran zu orientieren. Eine weitere Rolle bei seiner Auswahl spiele die Meinung der Sachbearbeiter, die mit den Verwaltungsunterlagen direkt zu tun haben. Diese könnten schließlich auch einschätzen, ob Unterlagen auch künftig noch wichtig sind oder nicht.
Erste schriftliche Nennung des Radolfzeller Spitals
Dadurch, dass so viel im Archiv gelagert wird, findet sich allerhand Unterschiedliches im Bestand – und auch so manche Besonderheit aus der Vergangenheit. So kann Alexander Röhm die Urkunde zeigen, in der das Radolfzeller Spital erstmals schriftlich erwähnt wurde. Datiert ist diese auf den 21. April 1343. Einst sei an der Urkunde auch ein Siegel angebracht gewesen, dieses sei aber mit der Zeit kaputt gegangen, so Röhm.
Um auch derart alte Dokumente möglichst lange zu erhalten, müssen sie gut gelagert werden, unter anderem braucht es laut Röhm eine bestimmte Luftfeuchtigkeit und Temperatur. Ideal seien 50 Prozent Luftfeuchtigkeit und 18 Grad Celsius – allerdings seien die Bedingungen in den Räumen des Archivs auch jahreszeitenabhängig. Es gebe keine Klimaanlage, die dafür sorge, dass die Idealbedingungen ganz genau eingehalten werden. Denn eine solche wäre sehr teuer. Im Sommer sei die Luft daher etwas trockener und im Winter sei es etwas kälter. Das sei aber nicht problematisch: „Bisher haben wir hier keine Probleme“, versichert der Archivleiter.
Aber nicht nur die Temperatur beeinflusst, wie lange sich Dokumente halten. Das Team des Stadtarchivs muss auch Schadstoffe entfernen, bevor Unterlagen eingelagert werden können. So müssen unter anderem Plastikhüllen und Tackernadeln entfernt werden. Denn das Metall roste mit der Zeit und das Weichmacher im Plastik könne Dokumente innerhalb von Jahrzehnten beschädigen.
Ortsrechte, Beschwerden, Pläne des Strandbads
Erhalten sind im Stadtarchiv zahlreiche sehr alte Dokumente. Neben der Spitalurkunde befindet sich dort unter anderem auch eine Sammlung von Ortsrechten aus Markelfingen aus dem Jahr 1575. Und auch eine Akte zur Anstellung eines Laternenanzünders. Der Beruf ist mittlerweile seit Jahrzehnten ausgestorben.
Aber auch Parallelen zur heutigen Zeit finden sich im Archivbestand. So macht Alexander Röhm auf eine Akte aufmerksam, in der von 1894 bis 1930 Beschwerden zu Lärmbelästigungen durch Kutscher gesammelt wurden. „Die Kutscher haben zu laut mit der Peitsche geknallt“, erklärt Röhm. Das sei ähnlich wie heutige Lärmbeschwerden gegen Autofahrer, die ihre Motoren röhren lassen.

Und so manche alten Dokumente im Stadtarchiv spielen heute tatsächlich noch eine Rolle – etwa Baupläne des Strandbads aus dem Jahr 1928, die unter Umständen auch heute noch von der Verwaltung angefragt werden könnten. Ein Viertel der Anfragen an das Stadtarchiv erfolgen laut Alexander Röhm tatsächlich von der Stadtverwaltung.
Aber auch von anderer Seite, etwa von Schülern, der Presse oder eben Personen, die zu ihrer Familiengeschichte forschen, kommen Anfragen. Dabei könne das Stadtarchiv nicht jedem weiterhelfen. Denn dort lagert längst nicht alles, was aus der Vergangenheit übrig geblieben ist. Deshalb müsse auch an andere Stadtarchive, Kreisarchive oder Landesarchive verwiesen werden.
Diese Bücher hielt einst Scheffel in der Hand
Die ältesten Ratsprotokolle, die im Stadtarchiv lagern, stammen aus dem Jahr 1704. Wie sehr sich der Verwaltungsaufwand seither verändert hat, zeigt sich, als Alexander Röhm mehrere Bücher mit den Unterlagen hervorholt und vergleicht. Eines davon enthält Ratsprotokolle von 1809 bis 1814, ein anderes von 1909 bis 1911. Mit Klebezetteln hat Röhm darin den Zeitraum von je einem Jahr markiert – es sind jeweils nur wenige Zentimeter. Dem gegenüber stehen ganze acht Bände, die alle nur Unterlagen aus dem Jahr 2010 enthalten.

Aber nicht nur Verwaltungsunterlagen finden sich im Stadtarchiv. In den zahlreichen Regalen stehen auch ganz andere Bücher – die zum Teil auch einen berühmten Vorbesitzer hatten. Denn im Stadtarchiv landeten Werke aus der Bibliothek des Dichters Joseph Victor von Scheffel. „Diese Bücher hat er einmal in der Hand gehabt“, bestätigt Alexander Röhm.