Das Hausherrenfest ist für fast alle Radolfzeller neben der Fasnacht eines der wichtigsten Ereignisse in der Stadt. Kaum ein Stadtfest ist den Einwohnern so wichtig wie das zu Ehren der drei Hausherren. Doch in diesem Jahr müssen Radolfzeller darauf verzichten.
„Wir können davon ausgehen, dass das Hausherrenfest nicht in der bisher gewohnten Form stattfinden wird“, sagt Oberbürgermeister Martin Staab während einer Pressekonferenz am Freitagnachmittag. Nicht in gewohnter Form ist nicht ganz abgesagt, könnte man meinen. „Noch ist die konkrete Verordnung des Landes Baden-Württemberg, was denn nun eine Großveranstaltung ist, nicht veröffentlicht. Wir erwarten sie in der Nacht auf Samstag“, so der OB.
Festbetrieb am Seeufer kann nicht erlaubt werden
Doch fest stehe: Der weltliche Teil mit dem Festbetrieb am Seeufer könne nicht durchgeführt werden. Wie der kirchliche Teil aussehen könnte, darüber berate Stadtpfarrer Heinz Vogel aktuell mit der Erzdiözese Freiburg. Noch sind religiöse Zusammenkünfte untersagt.
Doch Staab gibt sich optimistisch: „Oft hat Freiburg einen besseren Draht nach Stuttgart als wir hier.“ Ein Hausherrenfest ohne Gottesdienst habe es laut Historiker und Stadtrat Christof Stadler in der Geschichte Radolfzells noch nicht gegeben, soweit er informiert sei. „Sogar in Zeiten der Pest wurde ein Notgottesdienst abgehalten“, berichtet Stadler. Prozession und Festakt seien hingegen schon ausgefallen.
Für Vereine ist der Ausfall des weltlichen Teils eine kleine Katastrophe. Viele haben über die Bewirtung an der Uferpromenade ihre komplette Vereinsarbeit für das ganze Jahr finanziert. Auch der FC Radolfzell war immer mit einem großen Stand und einer Festbühne fester Bestandteil des weltlichen Programms. Vereinspräsident Oliver Preiser ist tief enttäuscht.
„Eigentlich sollte 2020 unser Jahr werden, wir wollten nach den turbulenten letzten Jahren durchstarten und uns auch finanziell wieder besser aufstellen“, sagt er. Da sei das Hausherrenfest die Haupteinnahmequelle gewesen. Wie es jetzt weitergehen soll, darauf hat Preiser keine Antwort. „Wir befinden uns in einer Seifenblase, denn auch sportlich hängen wir in der Luft“, sagt er. Er hofft auf Unterstützung aus der Stadt für seinen Verein.
Abendmärkte sind ebenfalls abgesagt
Auch die beliebten Abendmärkte donnerstags auf dem Marktplatz werden in diesem Jahr nicht stattfinden, so der OB. Auch ohne die Verordnung des Landes zu kennen, könne er sich nicht vorstellen, wie dieses Konzept während einer Pandemie erlaubt werden könnte. „Wir werden uns Ausweichtermine und andere Formate überlegen müssen“, so Staab.
Auch für Veranstaltungen im September habe er wenig Hoffnung, dass diese in gewohnter Form stattfinden können. Mit diesen Sorgen plagt sich auch gerade Markus Dufner, Geschäftsführer von MCD Sportmarketing und Veranstalter des Milchwerk Musik Festivals, welches Anfang September stattfinden soll. „Wir besprechen uns aktuell mit Künstlern, Agenturen und intern, wie wir mit der Situation umgehen wollen“, sagt er. Eventuell würden die Termine im September verschoben werden müssen.

Die Landesverordnung bedeutet auch das Aus für die diesjährigen Höri Musiktage. Zumindest in dieser Form, wie Initiatorin und Organisatorin Hilde von Massow berichtet. „Die Höri Musiktage werden ihrem Publikum keines der Konzerte vorenthalten, wir werden neue Termine und neue kreative Formen finden“, verspricht sie.
Das Klassik-Festival im Öhninger Chorherrenstift hätte vom 7. bis 16. August stattgefunden. Geplant sei erneut ein Festivalorchester mit 45 Musikern aus ganz Europa, ungewöhnliche Konzertformate und Programmpunkte zur Feier von Beethovens 250. Geburtstag. Wie es weitergehen solle, müsse man erst einmal intern besprechen, sagt die Organisatorin. Eine Überlegung sei auch, die Planung direkt ins nächste Jahr zu übertragen.

Doch haben Hilde von Massow und ihr Team für Klassik-Fans bereits einige Projekte gestartet, um die Wartezeit zu verschönern. „In wenigen Tagen werden sich Musikerinnen und Musiker des Festivalorchesters der Höri Musiktage mit einer digitalen Version der 6. Sinfonie Beethovens melden“, kündigt sie an. Eigentlich sollte die „Pastorale“, in der Beethoven die Schönheit der Natur feiert, beim internationalen Beethoven Pastoralday am 5. Juni auf dem Schiener Berg in der Scheune des zauberhaft gelegenen Oberbühlhofs zelebriert werden. Nun gehe das Projekt online.
Musiker nehmen Konzert über das Handy auf
Eingespielt wurde es in Barcelona, Bern, Berlin, wo sich die Künstler eben gerade aufhalten. Aufgenommen wurde es mit dem Smartphone. Gemeinsam mit den Kooperationspartnern der katholischen Kirchengemeinde Öhningen und der reformierten Kirchengemeinde Stein am Rhein halten die Höri Musiktage trotz Corona-Krise an der grenzübergreifenden Kunstbrücke fest. In den Kirchen wird es ab dem 4. Juni auch Klanginstallationen geben.
Unterstützung
- Die Höri Musiktage fühlen sich ihren Künstlern verpflichtet, sagt Organisatorin Hilde von Massow. Sie habe einen Fond eingerichtet, der die freischaffenden Künstler der Höri Musiktage 2020 finanziell unterstützt. Alle jetzt verkauften Tickets oder eingehenden Spenden würden den Künstlern zugutekommen.
- Der FC Radolfzell verkauft virtuelle Eintrittskarten, ein virtuelles Getränk und eine virtuelle Stadionwurst für bevorstehende Partien, die aber leider ausfallen. Mit zehn Euro können Fans so den Verein unterstützen. Informationen gibt es auf der Facebook-Seite des FC.