Eigentlich hätte es ein gutes Jahr für die Störche sein können – denn Storchenvater Hanspeter Wickert, der für einen Großteil der Störche im Landkreis Konstanz zuständig ist, konnte für Radolfzell einen neuen Rekord vermelden: 55 Nester habe er alleine in Böhringen gezählt. Allerdings gibt es schlechte Nachrichten. Denn der viele Regen in den vergangenen Tagen macht den großen Vögeln zu schaffen.

Mitte Mai wurden vier tote Jungtiere im Nest auf dem Dach des BUND-Zentrums in Möggingen entdeckt, wie Thomas Giesinger vom BUND bestätigt. Damit sei die gesamte Brut des dortigen Storchenpaares gestorben. Und nicht nur dort gibt es Verluste: Wie Hanspeter Wickert berichtet, erreichen ihn weitere Meldungen aus dem Landkreis. „Täglich kriege ich einen Anruf von irgendwo, wo das vorkommt“, schildert er. Auch in Böhringen gebe es Verluste. „Ich schätze, dass Dreiviertel der Jungen ums Leben gekommen sind“, sagt er. Allerdings sei nicht jedes Nest einsehbar und sehr kleine Jungtiere könnten auch übersehen werden.

Warum sterben die Jungtiere?

Dass Jungtiere im Nest sterben, sei nicht ungewöhnlich. „Das ist eine natürliche Sache“, sagt Hanspeter Wickert. „Es gibt jedes Jahr mal ein paar Fälle.“ Aber: „Dieses Jahr ist es halt extrem.“ Denn die längere Regenphase und niedrigen Temperaturen in der Nacht können für die Küken zum Problem werden. Dabei spielt ihre Größe eine entscheidende Rolle.

Ganz junge und damit auch kleine Küken können von ihren Eltern vor Kälte und Nässe geschützt werden, berichtet Wickert – denn sie schlüpfen einfach unter deren Federkleid. „Die ganz kleinen überleben Regenphasen eher“, erklärt der Storchenvater daher.

Das Storchennest am BUND-Zentrum in Möggingen. Dort lebten kürzlich noch vier Jungtiere – sie sind jedoch mutmaßlich aufgrund des ...
Das Storchennest am BUND-Zentrum in Möggingen. Dort lebten kürzlich noch vier Jungtiere – sie sind jedoch mutmaßlich aufgrund des Regenwetters gestorben. | Bild: Gerald Jarausch

Sind sie dagegen fast schon ausgewachsen, kommen sie alleine klar, so Wolfgang Fiedler, Wissenschaftler am Max-Planck-Institut in Möggingen – denn dann tropfe das Wasser von ihren Federn ab und sie seien selbst in der Lage, ihre Temperatur zu regeln.

Gefährlich werde es, wenn eine längere Regenphase auf die Zeit dazwischen fällt, wenn die Jungtiere schon zu groß sind, um unter das Federkleid der Eltern zu passen, aber selbst noch kein wasserdichtes Federkleid haben, so Hanspeter Wickert. Sie seien dann stundenlang nass und würden bei niedrigen Temperaturen schließlich erfrieren.

Wolfgang Fiedler berichtet von einer zweiten Gefahr: Werde ein Nest von den Eltern schlecht gebaut, könne es auch passieren, dass Jungtiere bei Starkniederschlägen einfach im Nest ertrinken. Bei nicht wasserdurchlässigen Nestern sei die Gefahr, dass Jungtiere erfrieren, auch nochmal größer, sagt Thomas Giesinger.

Hoffnung auf eine zweite Brut

Helfen könne man den Störchen nicht. „Da kann man nichts machen“, sagt Hanspeter Wickert. Es müsse abgewartet werden, ob die Jungtiere durch die Regenphase kommen oder nicht. Allerdings erklärt Thomas Giesinger, man wolle am BUND-Zentrum künftig überprüfen, ob das dortige Nest wasserdurchlässig ist oder nicht.

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Immerhin: Hanspeter Wickert hat das Gefühl, dass manche Storchenpaare nach dem Tod ihrer ersten Küken mittlerweile eine zweite Brut aufziehen. Ob diese das Erwachsenenalter erreicht, ist noch unklar. Zum einen ist das ebenfalls wieder vom Wetter abhängig, zum anderen müssten die Jungtiere bis zum Spätsommer stark genug werden, um mit den anderen Jungstörchen in den Süden zu ziehen – „und zwar alleine, ohne die Eltern“.

Langfristig ist das kein Problem

Die Todesfälle seien erstmal keine Gefahr für die Storchenpopulation in der Region. „Das ist immer schade“, sagt Wolfgang Fiedler vom Max Planck-Institut in Möggingen. Aus Artenschutzsicht sei das schlechte Jahr aber nicht dramatisch: „Längerfristig haben wir immer noch einen Anstieg in der Population“, beruhigt er. Erfolgreiche Störche könnten außerdem zehn Jahre lang Küken aufziehen.

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Und auch Storchenvater Hanspeter Wickert und Thomas Giesinger vom BUND erklären, es gebe mittlerweile genügend Störche, dass das im kommenden Jahr wieder ausgeglichen werden könne. Zumal den erwachsenen Störchen das schlechte Wetter nichts ausmacht, wie Hanspeter Wickert erklärt.

Wasservögeln müssen Nester anders bauen

Allerdings sind die Störche nicht die einzigen Vögel, die unter dem vielen Regen leiden. Wasservögeln, die nah am Ufer brüten, kommt der Bodensee bei einem Pegel von 3,83 Metern am Freitagmorgen mitunter ziemlich nahe. Dabei rächt sich eine Veränderung der vergangenen Jahre: Früher sei der Wasserpegel im März bis Juli angestiegen, so der Wissenschaftler Fiedler, daher hätten Vögel in Ufernähe schwimmende Nester gebaut. Diese können mit dem Wasserpegel ansteigen und werden darum nicht überschwemmt.

Dieser Schwan brütet direkt am Bodenseeufer – und kommt dabei dem Wasser sehr nahe.
Dieser Schwan brütet direkt am Bodenseeufer – und kommt dabei dem Wasser sehr nahe. | Bild: Marinovic, Laura

In den vergangenen Jahren sei der Bodenseepegel allerdings nicht mehr so stark angestiegen, darum seien auch feste Nester nahe am Ufer gebaut worden – und das kann jetzt tödliche Folgen haben. Gehen dadurch Gelege verloren, sei das zwar „von der Tierschutzseite aus tragisch“, sagt Fiedler. Aus Artenschutzsicht sei das allerdings nicht problematisch.

Am Ufer müssten künftig lediglich wieder schwimmende Nester gebaut werden – und für Wasservögel, die dies nicht tun, müssten im Hinterland genügend Pufferzonen zur Verfügung stehen, die nicht vom Bodenseepegel beeinflusst werden, so Fiedler.