Für einen 25-jährigen Mann geht es dieser Tage vor Gericht nicht nur um die Frage, ob er für die Verbreitung kinder- und jugendpornografischer Inhalte verurteilt wird. Es geht auch um die Frage, ob er überhaupt in Deutschland bleiben darf. Denn aufgrund des Verfahrens war seine Duldung bisher nicht verlängert worden, wie der angeklagte Ausländer während der Verhandlung am Radolfzeller Amtsgericht aussagte.

Die Staatsanwaltschaft warf dem jungen Mann vor, Ende des Jahres 2023 in vier Fällen Videos auf der sozialen Plattform Facebook hochgeladen zu haben, in denen sexuelle Handlungen zu sehen sind, die an Kindern oder Jugendlichen vorgenommen werden.

In einem Video sei ein erwachsener Mann zu sehen, der versucht, in ein zehn- bis zwölfjähriges Kind einzudringen, in einem weiteren seien unter anderem zwei männliche Jugendliche beim Analverkehr zu sehen. Diese Videos wurden laut Anklage mehrfach veröffentlicht und so für andere zugänglich gemacht. Die Staatsanwaltschaft beschuldigt den 25 Jahre alten Ausländer daher der Verbreitung kinder- und jugendpornografischer Inhalte.

Anderer hat womöglich Zugriff auf Mailzugang

Der Angeklagte bestritt mithilfe eines Dolmetschers die ihm vorgeworfenen Taten. Ihm zufolge nahm die Geschichte ihren Anfang in Freiburg, wo er vor rund zwei Jahren in einer Unterkunft gelebt habe. Damals habe er sich einen neuen E-Mail-Account einrichten wollen und dabei Hilfe von einem anderen Mann aus der Einrichtung erhalten, wie er vor Gericht aussagte.

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Dieser Mann habe daher auch das Passwort für den Mailzugang gehabt. Der Angeklagte gehe davon aus, dass es eben jener Mann war, der den Facebook-Account erstellt und dort die Videos hochgeladen hat. Das Passwort für den Mailzugang habe er nie geändert.

Gar nicht der Account des 25-Jährigen?

Er selbst nutze auf dem sozialen Netzwerk einen anderen Account, um mit seiner Familie und Freunden in Kontakt zu bleiben. Wie der Mann heißt, der ihm damals geholfen haben soll, daran könne er sich nicht erinnern. Aber eine solche Tat würde er niemals begehen, beteuerte er vor Gericht.

Zwischenzeitlich sei er aus Freiburg weggezogen, erst nach Sigmaringen und später auf die Höri. Dort lebte er auch, als die ihm vorgeworfenen Taten im November 2023 begangen wurden, wie bei der Verhandlung deutlich wurde.

So kamen Beamte auf den Angeklagten als Täter

Die Anklage stützte sich auf Daten, die vom „National Center for Missing and Exploited Children“ in den USA (kurz NcMec, zu Deutsch: Nationales Zentrum für vermisste und ausgebeutete Kinder) an das Bundeskriminalamt geleitet wurden und über das Landeskriminalamt an die Polizeidirektion Rottweil gingen.

Zur Verhandlung geladen war auch eine Polizeibeamtin aus Rottweil. Sie habe die vom Bundeskriminalamt ausgewerteten Daten damals zusammengefasst und an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet. Die 47-Jährige sagte aus, dass die Beamten den Namen des Angeklagten über die beim Facebook-Account hinterlegte E-Mail-Adresse herausgefunden hätten. Dort sei auch die Handynummer des Angeklagten vermerkt gewesen.

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Laut der Zeugin zeigen die Daten Aktivitäten auf der Höri auf. Das Problem: Diese seien nicht verifiziert, können also nicht verwertet werden. Zudem wurde nicht genau klar, ob sich die Daten auf die beim Mail-Account hinterlegte Handynummer beziehen oder auf die Facebook-Aktivität. Richterin Ulrike Steiner berichtete der Zeugin daher, was der Angeklagte zu den Vorwürfen gesagt hat und fragt sie, ob sie diese Einlassung widerlegen kann. Das verneinte die Polizeibeamtin.

Untersuchung des Handys bringt keine weiteren Indizien

Auch der zweite Zeuge konnte nicht mehr Licht ins Dunkel bringen. Der Beamte der Kriminalpolizei Konstanz sagte zwar aus, dass sich seiner Meinung nach alles auf der Höri abgespielt hat, weil die NcMec-Daten auf diesen Standort hindeuten. Aber auch er wies darauf hin, dass die Daten nicht verifiziert sind.

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Auch eine durch ihn veranlasste Durchsuchung des Handys des Angeklagten im August 2024 habe keine weiteren Dateien mit kinderpornografischem Inhalt hervorgebracht. Seiner Aussage nach sei das bei derlei Taten eher ungewöhnlich. Die Durchsuchung sei aber nur oberflächlich erfolgt. Man habe also nicht feststellen können, ob Daten gelöscht wurden.

Staatsanwaltschaft sieht Schuld gegeben

Nichtsdestotrotz blieb die Staatsanwaltschaft bei der Auffassung, dass der Angeklagte schuldig ist, wie die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer ausführte. Ihrer Auffassung nach konnten die Zeugen den Vorwurf bekräftigen und auch die IP-Adressen würden auf die Höri als Standort des Hochladens der Videos hinweisen. Was für den Angeklagten spreche, sei, dass er noch keine einschlägigen Vorstrafen hat. Die Staatsanwaltschaft forderte daher eine Freiheitsstrafe von zehn Monaten auf Bewährung.

Verteidiger plädiert auf Freispruch

Der Verteidiger hingegen war einer ganz anderen Auffassung. Die Verhandlung habe nicht erwiesen, dass sein Mandant die ihm vorgeworfenen Taten begangen hat. Seiner Meinung nach sei es ein Leichtes, mit dem E-Mail-Passwort ein falsches Profil auf Facebook zu erstellen.

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Man könne daher nicht nachweisen, dass der Angeklagte das Facebook-Profil, von dem aus die Videos hochgeladen wurden, nutzt. Zudem könne sich das Gericht nicht auf Daten stützen, die nicht verifiziert sind. Deswegen sei der Angeklagte allein schon wegen des Zweifelsgrundsatzes freizusprechen.

So urteilt das Gericht

Dem folgte auch das Gericht. Der Angeklagte wurde freigesprochen. Richterin Ulrike Steiner begründete ihr Urteil damit, dass das Gericht nicht überzeugt worden sei, dass der Angeklagte die Taten begangen hat.

Sie sagt aber auch, dass es anders gelaufen wäre, wenn die NcMec-Daten gesichert gewesen wären. Zuletzt riet sie dem 25-Jährigen, sich des Mail-Passworts anzunehmen und es zumindest zu ändern. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Sollte keine Revision gegen das Urteil eingelegt werden, dürfte der Verlängerung seiner Duldung nun nichts mehr im Wege stehen.