Schadensbegrenzung – mehr konnten die Strafverteidiger in diesem Prozess nicht tun. Seit Tagen wird vor dem Konstanzer Landgericht gegen einen 30-Jährigen aus Radolfzell sowie einen 19- und einen 22-Jährigen aus Konstanz wegen des Handels von Kokain und Marihuana im großen Stil verhandelt. Zum Teil sollen die drei Angeklagten bei ihren illegalen Geschäften Waffen mitgeführt haben. Am vorletzten Prozesstag hielten Staatsanwaltschaft und Verteidigung nun ihre Schlussplädoyers. Das Urteil wird für den 8. April erwartet.
Neben umfangreichen Geständnissen zu vielen der insgesamt 14 Punkten, die die Anklageschrift umfasst, ist auch die Beweislage durch Chatprotokolle, Videoaufnahmen und die Berichte verdeckter Ermittler erdrückend eindeutig. Die Staatsanwältin sah aus diesem Grund fast alle der erhobenen Vorwürfe als erwiesen an. „Leugnen hätte keinen Zweck gehabt“, fasste sie an einem Punkt ihre Ausführungen zusammen. Außerdem forderte sie die Einziehung des durch den Drogenhandel verdienten Geldes der Angeklagten.
Hohe kriminelle Energie
Dabei sieht sie für den 22-Jährigen, der während der Beweisaufnahme als Haupttäter und Strippenzieher dargestellt wurde, die höchste Haftstrafe vor: Acht Jahre und drei Monate forderte sie für den schwunghaften Drogenhandel mit kiloweise Kokain und Marihuana in der Region. Zwar könne man sein Geständnis strafmildernd bewerten, doch sehe sie eine hohe kriminelle Energie und eine enorme Rückfallgeschwindigkeit bei dem noch jungen Mann.
Er sei noch unter Bewährung gestanden, weil er wegen versuchten Totschlags bereits vorverurteilt war und eine Haftstrafe abgesessen hatte. Sein hoher Alkoholkonsum, den er als Erklärung für sein Verhalten angeführt hatte, habe nichts mit dem Drogenhandel zu tun gehabt, so ihre Bewertung.
Bei seiner ersten Straftat sei er noch nach Jugendstrafrecht verurteilt worden, jetzt „treffe ihn die volle Härte des Erwachsenenstrafrechts“, wie sein Anwalt Sebastian Glathe in seinem Plädoyer feststellt. Glathe versuchte, seinen Mandanten als besonders unreif darzustellen. Er habe das Geld aus dem Drogenhandel gebraucht, um „am sozialen Leben teilzunehmen.“ Er habe sich davon Anerkennung und Freundschaften gekauft.
Verteidigung fordert deutlich geringere Haft
Dass der 22-Jährige, obwohl von seiner ersten Haftstrafe nachhaltig beeindruckt – so die Überzeugung von Glathe – doch wieder abgerutscht war, erklärt dieser so: Er habe durch den ersten Gefängnisaufenthalt seine Jugend verpasst und ein Nachholbedürfnis gehabt. Außerdem habe er sich zu sehr an materiellen Werten orientiert und dann auch noch Kontakt zu den falschen Freunden gehabt. Chatprotokolle sehe er nicht als „verwechslungssichere Beweise“, da in diesen Nachrichten gerne geprahlt und übertrieben werde. Er forderte eine weit geringere Haftstrafe von vier Jahren und vier Monaten.
Für den 30-jährigen Radolfzeller forderte die Staatsanwältin eine Haftstrafe von sechs Jahren und neun Monaten. Seine eigene Drogenabhängigkeit sehe sie als strafmildernd an, weil er durch den Handel zum Teil seinen eigenen Konsum finanziert hatte. Doch auch ihm attestierte sie ein hohes Rückfalltempo: Sieben Vorstrafen hat dieser auf dem Konto, darunter schwere räuberische Erpressung, und auch er stand zum Tatzeitpunkt noch unter Bewährung. Sie rechnete ihm vor: zwölf neue Straftaten in drei Monaten.
30-Jähriger könnte abgeschoben werden
Ihm drohen noch ganz andere Konsequenzen, denn gegen den 30-Jährigen liegt ein gültiger Abschiebebeschluss vor. Diese Information hatte Richter Joachim Dospil beim Regierungspräsidium Freiburg angefragt. Die Ausreisepflicht sei vollziehbar, er müsse also damit rechnen, abgeschoben zu werden.
Der Anwalt des Radolfzeller Angeklagten, Henning Stutz, versuchte ebenso, seinen Mandanten als entwicklungsverzögert und trotz seiner 30 Jahre als noch recht jugendlich darzustellen. Seine Straftaten seien von seiner eigenen Drogensucht geprägt, der Handel mit den Betäubungsmitteln habe eine Eigendynamik entwickelt, die Mengen hätten sich gesteigert und alles habe sich hochgeschaukelt, so seine Einlassung während des Schlussplädoyers.
Er forderte ebenfalls ein milderes Urteil, nicht mehr als viereinhalb Jahre Haft für seinen Mandanten. Auch möge das Gericht prüfen, ob eine Unterbringung in einer Therapieeinrichtung zur Behandlung seiner Drogensucht möglich sei.
Jüngster Angeklagter könnte in Drogentherapie
Eine besondere Schwere der Schuld sah die Staatsanwältin auch bei dem jüngsten Angeklagten, dem 19-jährigen Konstanzer. Dieser sollte aber auch nach ihrer Einschätzung nach Jugendstrafrecht verurteilt werden. Sie forderte vier Jahre und drei Monate Haft sowie die Unterbringung in einer Therapieeinrichtung.
Anders als beim 30-Jährigen sehe sie hier noch eine Aussicht auf Erfolg für eine zweijährige Drogensuchttherapie. Im Jugendstrafrecht stehe der Erziehungsgedanke im Vordergrund, begründete sie ihre Einschätzung. Doch machte sie auch dem jungen Mann klar: Noch einmal werde es so eine Chance nicht geben. „Wenn Sie erwachsen wären, wären allein für eine Ihrer Taten mindestens fünf Jahre Haft drin“, sagte sie.
Sein Verteidiger Andreas Disch betonte den schweren Werdegang seines Mandanten und dessen massive Drogenabhängigkeit. Sein Verhalten habe deutlich dessen Leichtsinn, Unreife und „jugendliche Überheblichkeit“ gezeigt. Er forderte eine Gesamtstrafe von drei Jahren und schloss sich der Auflage einer Drogentherapie an.
Das letzte Wort in dieser Verhandlung gehört den Angeklagten, diese werden am Dienstag, 8. April, vor dem Konstanzer Landgericht zu hören sein.