Es geht um etliche Kilogramm Kokain und Marihuana, scharfe Waffen – und vermutlich mindestens fünf Jahre Haft. Vor dem Landgericht Konstanz sind zwei junge Männer aus Konstanz und einer aus Radolfzell angeklagt, weil sie zwischen Sommer 2023 und ihrer Verhaftung im Juli 2024 mit großen Mengen Drogen in der Region gedealt haben sollen. Zum Prozessauftakt verlas die Staatsanwaltschaft zunächst in einer knappen Stunde die mehrseitige Anklageschrift, die insgesamt 14 Taten umfasst. Im Anschluss sagten die drei Beschuldigten aus, am Ende erläuterte eine Polizistin die Hintergründe zu den Ermittlungen.
Drei weitere Verhandlungstage folgen nun noch. Doch klar ist bereits jetzt: Die Taten sind nahezu sicher nachgewiesen, wie aus einem Dialog zwischen Richter Joachim Dospil und einem der Verteidiger, Sebastian Glathe, deutlich wurde. Offen ist nur, ob die Angeklagten auf einen minderschweren Fall und wegen eigener Suchterkrankungen auf eine Unterbringung in einer Einrichtung hoffen können oder nicht, so Dospil.
Zwei Hintermänner aus Konstanz und ein Kleindealer in Radolfzell
Bei den Angeklagten, die seit Juli in Untersuchungshaft sitzen, handelt es sich zum einen um einen 30-jährigen Radolfzeller, über den die Ermittler laut Aussage einer Polizistin überhaupt auf die Drogendeals aufmerksam geworden sind. Die anderen beiden, ein 19-Jähriger und ein 22-Jähriger aus Konstanz, seien dessen Hintermänner. Der 22-jährige Angeklagte trieb demnach seit spätestens seit Mai 2024 einen „schwunghaften Handel mit Rauschgift, insbesondere Kokain und Cannabis, zum Teil im Kilogrammbereich“, heißt es in der Anklage. Er scheine der Hauptorganisator zu sein, der direkten Kontakt zu Lieferanten hatte, beispielsweise aus Frankfurt.
Dabei handelte er laut Anklage meist gemeinsam mit dem 19-jährigen Angeklagten, der selbst seit spätestens Sommer 2023 im Geschäft gewesen sei. Einer ihrer Hauptabnehmer sei der 30-jährige Angeklagte gewesen, der spätestens seit Mitte des Jahres 2023 im Raum Radolfzell Kokain und Cannabis in Mengen von bis zu einem Kilogramm weitererkauft haben soll.
30-Jähriger geht verdeckten Ermittlern ins Netz
Konkret wirft die Staatsanwaltschaft den Dreien 14 Sachverhalte mit unterschiedlicher Beteiligung vor. Der 30-Jährige soll dabei mehrfach verdeckten Ermittlern ins Netz gegangen sein, denen er unter anderem Ende Juni 29,8 Gramm Kokain für 1650 Euro und am 9. Juni schließlich ein ganzes Kilogramm für 30.000 Euro in Radolfzell verkaufte. Bei diesem Gespräch habe er zudem ein Butterflymesser dabei gehabt.
Bei den anderen beiden sind die Vorwürfe noch heftiger. Ein großer Deal fand laut der Ermittlungen zum Beispiel am 8. Juni statt, als die beiden zusammen von einem Frankfurter Lieferanten sieben Kilogramm Marihuana zu einem Preis von mindestens 35.000 Euro kauften. Den Großteil davon verkauften sie im Konstanzer Raum, einen Teil konsumierte der 19-Jährige selbst. Eine Woche später verkauften sie laut Anklage 20 Gramm Kokain für 1100 Euro, das schließlich über den 30-Jährigen in den Radolfzeller Raum gelangte.
Mehrere Kilogramm Kokain und Marihuana – und Schusswaffen
Auf Lager hatten sie große Mengen: Der 19-Jährige soll am 19. Juni in seiner Wohnung knapp 1500 Gramm Marihuana sowie 182 Gramm Kokain aufbewahrt haben, in seinem Handy fand die Polizei einer Schuldnerliste mit mehreren fünfstelligen Beträgen. In direkter Nähe der Drogen habe er außerdem eine mit einer Stahlkugel geladene Gasdruckpistole, weitere Munition sowie ein Butterflymesser und einen Teleskopschlagstock gehabt.
Der 22-Jährige wiederum verhandelte am 24. und 25. Juni über den Ankauf von weiteren fünf Kilogramm Marihuana für 16.750 Euro und von ein bis zwei Kilogramm Kokain für jeweils 27.500 Euro. Anfang Juli kauften sie tatsächlich zwei Kilogramm Kokain für 56.000 Euro, die sie wohl in Friedrichshafen weiterverkauften.
Zudem hatten sie laut Polizei eine Wohnung in Konstanz extra als so genannter Drogenbunker angemietet. In der Nähe der Drogen habe der 22-Jährige zeitgleich eine mit drei Patronen geladene Schusswaffe aufbewahrt. Den Angeklagten wird daher nicht nur der Handel mit Betäubungsmitteln in mehreren Fällen vorgeworfen, sondern auch bewaffneter Handel.
Angeklagte sprechen von eigenen Suchterkrankungen
Die drei äußerten sich vor Gericht nur bedingt und nicht zu den Vorwürfen. Der 30-Jährige wollte gar keine Angaben machen. Richter Joachim Dospil las lediglich den Bericht der Gerichtshilfe vor. Daraus ging hervor, dass der Mann eine schwierige Kindheit und Jugend mit Mobbing, Magersucht, Schicksalsschlägen sowie psychischen Erkrankungen hinter sich hat. Bereits früh habe er Alkohol und Drogen konsumiert, zuletzt sogar täglich.
Auch der 22-jährige vermeintliche Hauptdealer berichtete er von einer unsteten Kindheit und einer Haftstrafe von 2019 bis 2021. An deren Ende sei er eigentlich auf einem guten Weg gewesen, danach aber „irgendwie abgerutscht“, weil er seine wegen der Haft verpasste Jugend mit Alkohol und Partys habe nachholen wollen. Während des vergangenen Jahres habe er täglich getrunken.
Ehrliche Reue oder berechnendes Kalkül?
Ausführlicher äußerte sich nur der 19-Jährige. Er las einen mehrseitigen Brief vor, in dem er seine Gedanken während der U-Haft niedergeschrieben hatte. Er bereue, seine Familie, Freunde und Freundin enttäuscht zu haben. Er habe eine schwierige Kindheit gehabt, habe bereits als Teenager getrunken und Drogen genommen und eine „kaputte Persönlichkeit“. Vor seiner Verhaftung sei er alkohol-, drogen- und spielsüchtig gewesen und habe täglich 2 Gramm Kokain konsumiert. „Ich war im letzten Jahr praktisch nie nüchtern“, sagte er.
Er wolle diese Umstände aber nicht als Ausrede nehmen, sondern Verantwortung für „falsche Entscheidungen“ übernehmen. Doch so reuevoll seine Worte auch klangen, so wenig aufrichtig kamen sie bei Richter Joachim Dospil wohl an. Er hakte kritisch nach, wie der 19-Jährige denn verhindern wolle, in Freiheit wieder in seine alten Verhaltensmuster zu rutschen, worauf dieser wenig Sinnvolles zu sagen hatte.
Zudem stellte die Zeugenaussage einer Polizistin den 19-Jährigen in einem ganz anderen Licht dar. So habe man auf dem eingezogenen Smartphone des 19-Jährigen Chats gefunden, in denen er bereits angekündigte, vor Gericht psychische Probleme und „Geister“ vorschieben zu wollen, um sich herauszureden. Zudem habe man von ihm selbst geschriebene Raptexte gefunden, in denen er seine Taten verherrlichte, sowie Videos, in denen er Drogen verpackt sowie mit Geldbündeln angibt.
Wie geht es weiter?
Weiter geht es nun am Donnerstag, 20. März, um 9 Uhr. Der dritte Verhandlungstag ist für den Donnerstag darauf um 9 Uhr angesetzt, das Urteil wird für den folgenden Freitag, 28. März, erwartet. Neben neun weiteren Zeugen wird im Lauf der Verhandlung auch ein medizinischer Sachverständiger aussagen.